Die seit über tausend Jahren unter dem Sammelnamen Schtschi bekannten Suppen sind auch heute noch
die wichtigsten der heissen russischen Suppen. Sie überdauerten alle Zeiten und Epochen, gehörten auf
jeden Tisch, den der Armen wie den der Reichen, wurden von Region zu Region variiert, blieben aber in
ihrer Grundform unverändert.
Natürlich waren Schtschi nicht für alle immer gleich: Man
unterschied gehaltvolle, "reiche" Schtschi und dünnere, "leere", welche manchmal nur aus Kohl und
Zwiebeln gekocht wurden. Von grösster Bedeutung für das besondere Aroma und den unwiederbringlichen
Geschmack der Schtschi-Suppen war die Tatsache,
dass sie im russischen Ofen zubereitet und warmgehalten wurden. Daher rührte auch der stets
gegenwärtige, typische Geruch eines russischen Bauernhauses, "der Geist von Schtschi" (schtschanoj
duch).
Schtschi bestehen auf jeden Fall zumindest aus Weisskohl oder Sauerkraut als Hauptgemüse und einer
sauren Zutat (saure Sahne, Saueräpfel, Krautsalzlake). Weitere Ingredienzien sind Fleisch, Pilze
(getrocknet oder gesalzen, aber auf keinen Fall mariniert), Wurzeln (Möhren, Kartoffeln und
Petersilienwurzeln) sowie Kräuter und Gewürze (Zwiebel, Sellerie, Knoblauch, Dill, Lorbeerblatt, schwarze
Pfefferkörner).
Wenn auch meistens frischer oder gesäuerter Kohl den Hauptbestandteil bildet, sind Schtschi mitnichten
blosse Kohlsuppen; das Wichtigste ist die Säure, die Salzlake, Sauerkraut oder Sauerampfer, wilder Apfel,
Salzpilze sowie saure Sahne liefern.
Deshalb man kann bei Schtschi den Kohl durch verschiedene Blattgemüse wie Brennessel, Sauerampfer
oder Bärenklau ersetzen beziehungsweise "neutrale" Gemüse wie Rüben oder Rettich verwenden.
Grundsätzlich werden alle Schtschi auf dieselbe Weise zubereitet.
Man kocht zunächst das Fleisch oder die Pilze zusammen mit den Wurzeln und den Zwiebeln. Dann
werden der Kohl oder ein Ersatzgemüse und die Säurekomponente der Brühe beigefügt. Nimmt man
allerdings Sauerkraut, wird es getrennt vom Fleisch gekocht. Nachdem das Gemüse gar ist, wird gesalzen
und gewürzt.
Die saure Sahne reicht man in einem Becher gesondert zur Suppe, jeder bedient sich nach Geschmack.
Früher kochte man Schachi nur kurz und liess sie dann im russischen Ofen "kommen". Vor allem Schtschi
aus Sauerkraut brauchen Zeit zum Ziehen. Der Geschmack bildet sich richtig heraus, wenn man die
Schtschi zwölf bis 24 Stunden stehen Iässt. Solche Schtschi werden Schtschi sutotschnyje, "Tages-
Schtschi", genannt.
Schtschi können in einer sämigen oder einer flüssigen Konsistenz gekocht werden.
Früher betrachtete man eine dicke, reichhaltige Suppe als ideal: der
Löffel sollte darin stehen können. Bei den dicken Schtschi sollte pro Portion nicht mehr als 1/3 Liter
Flüssigkeit anfallen. Da während des Kochens ein Teil der Flüssigkeit verdampft, rechnet man mit 1/2 Liter
Wasser pro Portion zu Beginn des Kochens.
Schtschi werden insgesamt zwei Stunden gekocht, die Gewürze gibt man allerdings erst wenige Minuten
vor Ende der Kochzeit hinzu.
Je weniger Zutaten man verwendet, desto schwieriger gestaltet sich die Zubereitung. Entscheidend für das
Aroma ist, wie die Zwiebeln verarbeitet werden. Man fügt sie vorzugsweise zweimal hinzu: Das
erste Mal im ganzen, zusammen mit dem Fleisch, den Möhren, der Petersilienwurzel und den Pilzen; man
nimmt sie jedoch später wieder heraus. Die zweite Zwiebel wird gehackt und gleichzeitig mit dem Kohl in
die Suppe gegeben.
Auch andere Gewürze (Petersilie und Sellerie) werden den Schtschi in zwei Arbeitsgängen hinzugefügt:
zunächst die Knolle mit dem
anderen Gemüse, das die Grundbestandteile der Brühe bildet, die später durchgeseiht wird; das gehackte
Grün jedoch erst am Ende der Kochzeit.
Die übrigen Gewürze (Pfefferkörner, Dill, Lorbeerblatt, Knoblauch) fügt man wie folgt zu: Lorbeerblatt und
zerdrückte Pfefferkörner
15 Minuten vor Ende der Kochzeit; gehackter frischer Dill und Petersilie sowie Knoblauch zum Schluss. Da
die Knoblauchzehen im Ganzen beigegeben werden, kann man sie vor dem Servieren nach Wunsch wieder
entfernen.
Schtschi müssen unbedingt 15 Minuten zugedeckt ziehen. Gerade in dieser Zeit entwickeln sich der
Geschmack und das Aroma. Das Kraut wird weich, und das Gemüse nimmt die Säure auf.
Wichtig ist die Wahl des Fleisches: Man verwendet in der Regel fettes
Rindfleisch (Bruststück, Rückenstück, Mittelrippenstück). Selten wird, um einen kräftigeren Duft zu
erzielen, etwas Schinken zugefügt (ein Achtel des Fleischgewichts), dies aber überwiegend nur in den
südlichen Regionen.