Für uns hat sich vieles geklärt: der "Kaffee oder Tee?"-Wein sieht
jetzt richtig nach Wein aus. Im Gärballon hat sich die Feinhefe abgesetzt, verbunden mit den Resten der
Schönungsmittel, die wir beim 1. Abstich zugesetzt haben.
Wir ziehen den klaren Teil wieder in einen neuen - noch kleineren
Ballon ab: Verluste gibt es immer! Von knapp 25 Litern Most sind
jetzt noch 15 Liter Wein übrig. Allerdings haben wir auch eine Probe für die Wein-Analyse abgezogen. Die
Staatliche Lehr- und
Forschungsanstalt in Neustadt an der Weinstrasse wird unseren Tropfen untersuchen. Dann wissen wir
endlich, was wir da eigentlich gemacht haben. Immerhin hat schon der Geschmackstest gezeigt: das ist
ein
ordentlicher Wein! In manchen Regionen wird der Wein möglichst lange auf der Feinhefe liegengelassen.
Dabei werden zusätzliche Aromen aufgenommen: Hefe-
und Brottöne eben. Der Wein wird geschliffener, oft auch weicher im Geschmack. Bekanntestes Beispiel:
der Muscadet "sur lie" von der
Loire. Das heisst nichts anderes als "auf der Hefe". Aber auch viele deutsche Winzer mit traditionellem
Ausbau lassen ihre Weine monatelang auf der Feinhefe liegen.
In unserem kleinen Ballon geht alles schneller als im grossen Fass:
deshalb stechen wir schon nach einer Woche wieder ab. Denn mit der Lagerung auf der Hefe gehen auch
Risiken einher: darin ist nämlich
pralles Leben. Mikroorganismen feiern fröhliche Urstände und durch die Arbeit dieser Bakterien kann es zu
typschen Gärfehlern kommen.
Der Wein verändert sich zum Negativen. Deshalb muss auch diese Phase gut überwacht werden.
In der Praxis wird heute seltener abgestochen, als wir das hier im kleinen Massstab machen. Dafür wird
schärfer filtriert. Das spart Zeit und ist zuverlässiger. Allerdings verlieren die Weine dabei unter Umständen
auch an Geschmack.
Der einflussreiche Weinkritiker Robert Parker etwa wettert gegen die scharfe, oft bis zur Sterilität gehende
Filtration und schreibt: "Das
Bukett des Weines wird ebenso zerstört wie seine Fähigkeit, den Charakter seines Terroirs und seiner
Rebsorte auszudrücken". Er nennt dieses Verfahren eine "Kastration" des Weines, und eine
"Verstümmelung".
Richtig ist: wirklich grosse, komplexe Weine leiden unter soviel
Sicherheitsdenken, aber viele kleine Alltagstropfen sind seitdem verlässlich und sauber und riechen nicht
mal nach Mäuse-Urin und
mal nach Putzlappen.