In der Oberwalliser Gemeinde Mund wird die einzige Safrankultur der Schweiz bewirtschaftet...
Der Teufel hatte auf seinem Buckel einen Felsbrocken angeschleppt. Den wollte er den Hang
hinunterstossen und damit die Kirche in der Oberwalliser Gemeinde Mund zerstören. Wie die Sage weiter
berichtet, überraschte ihn dabei eine fromme Frau. Vor Schreck liess der Teufel den Felsen - den 'Munder
Stei', wie er heute heisst - oberhalb des
Dorfes stehen. Die Munder erstellten daraufhin eiligst ein Heiligenkreuz, worauf der Teufel definitiv von
seinem Plan abliess.
Zum Glück. Denn sonst hätte er nicht nur die Häuser und Menschen, sondern auch die Safranfelder an der
'Chummegga' weiter unten begraben.
Nur hier in der Gemeinde Mund, oberhalb von Brig, wird in der Schweiz heute noch Safran angebaut.
jeweils von Mitte Oktober bis zum ersten Frost im November dauert die Ernte des Safrankrokus, der nur im
Herbst blueht. Auf dem kleinen Feld von Safran-Zunftmeister Franz
Hutter grünt aber bisher einzig der Winterroggen. Noch keine einzige Safranpflanze lugt aus der Erde,
während Hutters Nachbarin auf dem daneben liegenden Feld schon seit Tagen Plastiksäcke mit lila
Krokusblueten füllt. Dieses Jahr werde die Ernte nicht so gut ausfallen, befürchtet Hutter, wieso weiss er
nicht. War der September zu feucht? Der Safran hat so seine Macken. Auf jeden Fall scheinen sich die
Zwiebeln, die zum grossen Teil aus Kaschmir stammen, im feinsandigen trockenen Boden mit viel
Sonnenbestrahlung wohl zu fühlen.
Etwa sechzig Munder Familien bestellen ihre eigenen Parzellen und pflücken die Blueten des 'Crocus
sativus' meist während der Mittagszeit, wenn die Bluetenblätter aufklappen und die drei rotorangen Narben
heraushängen. Nur die Narben werden verwertet.
Eine ältere Frau hat an diesem Tag schon 330 Blueten in ihrer Tasche, für jedes Hundert nimmt sie als
Zählhilfe einen kleinen Kieselstein in die Hand. Ein paar Äcker weiter füllen die beiden Mädchen Estelle
und Maude ihre Körbe. 500 bis 600 Blueten hätten sie jeweils pro Tag gesammelt, und das seit einer
Woche. Es sei 'ühüere spannend', meint ihre Mutter, wie sie jeden Tag das Feld kahl rupften und am
nächsten Tag den Acker neuerlich lila übersät fänden. Gleich nach dem Pflücken werden die Narben
abgezupft und zu Hause an einem schattigen Ort zu Safranfäden getrocknet. Aus 120 Blueten wird ein
Gramm Safran gewonnen. Kein Wunder, kostet ein Gramm 12 Franken. Ein grosser Teil der jährlichen
Gesamternte, die zwischen 1,6 und 3,5 Kilogramm variiert, bleibt als Eigenbedarf im Dorf. Denn damit
würzt der Koch im Restaurant Safran seinen Risotto.
Im Restaurant Jägerheim gibts die goldgelbe sämige Safrancremesuppe. Gut umrühren müsse man sie,
damit der Safrangout nicht zu intensiv werde, rät der Chef. Und so verfeinert der Rahm in der Suppe das
typische Safranaroma, das im Gaumen erst süsslich schmeckt und dann eine herbbittere Note bekommt.
Auch ein Safranbrot gibt es. Mit seiner dunkelgelben Farbe gleicht es auf den ersten Blick einem
Zitronenkuchen, und es schmeckt wie ein süsslicher Zopf.
Das geheime Brotrezept hat die ansassige Zunft dem Bäcker Studer Josef in Brig vermacht, als die
Bäckerei in Mund geschlossen wurde.
Das Bergdorf Mund, zehn Autokilometer über Brig gelegen, schmiegt sich an den Sonnenhang über dem
Rhonetal. Es lohnt sich, weiter hinaufzusteigen, zwischen sonnenverbrannten Heustadeln hindurch, entlang
den Weiden mit den vielen Schwarznasenschafen und weiter zum Munder Stei. Denn hier geniesst man
nicht nur die Aussicht Richtung Simplon sowie ins Mattertal und aufs Matterhorn, sondern bekommt ein
Stück höher im Bergrestaurant Salwald gar ein Safranfondue serviert. Oder "Öpfelchüechli" mit
Safranparfait. Exotische Küche in den Oberwalliser Voralpen.
Eigentlich stammt das goldene Gewürz aus dem Vorderen Orient.
Kultiviert wird es aber auch in Spanien und Griechenland. Seit neuestem ist die Urspungsbezeichnung des
Munder Safrans geschützt.
"Wir hei der bestos Safran", sagt Zunftmeister Franz Hutter und ist stolz, dass dem einheimischen Gewürz
Höchstqualität in Farbe und Aroma bescheinigt wurde.
Dem Safran wird in kleinen Mengen ausserdem eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt. Ob die Munder
davon etwas spüren? Nein, davon hätte er bislang nichts gemerkt, lacht Franz Hutter. Für die Munder seien
Safrangerichte so normal wie für den Bauern sein Gläschen Rotwein.