Der Kümmel oder Wiesenkümmel (Carum carvi) entstammt der Familie der Doldenbluetler (Apiaceä oder
Umbelliferä). Die zweijährige Pflanze zeigt im ersten Sommer nur ihre fein zerteilten Fiederblätter. Im
darauffolgenden Winter werden die Substanzen, die die oberirdischen Pflanzenteile bis dahin aufgebaut
hatten, in einer dicken Wurzel frostsicher unter der Erde gespeichert. Im zweiten Sommer wird die Pflanze
dann bis zu meterhoch. Sie verzweigt sich stark, entwickelt wieder Blätter und dazu die Dolden mit sehr
vielen kleinen, weissen bis rötlichen Frühsommer-Blueten und später den allbekannten
Kümmelfrüchten, die wie dunkle, gerippte Miniaturbananen aussehen, kräftig aromatisch duften und ein
vorzügliches Gewürz sind.
Der Kümmel ist hierzulande eine häufige Pflanze. Er heisst auch Wiesenkümmel, weil er im Grünland
wächst, auf feuchteren wie auf trockeneren Plätzen, auf Mähwiesen wie auf Viehweiden, namentlich auch
auf den Almen, von wo sein würziger Duft nicht wegzudenken ist.
Wilder Kümmel ist in Mitteleuropa seit Jahrtausenden heimisch.
Möglicherweise ist er schon in der Jungsteinzeit von den Pfahlbau-Bewohnern des Alpenvorlandes
gesammelt worden. Die
archäologischen Funde von dort verraten aber nicht, ob Kümmel damals auch schon Speisewürze war,
denn in den archäologischen Ablagerungen findet man nicht nur Nahrungspflanzen, sondern auch
zahlreiche Reste von Gewächsen, die nicht genutzt wurden. Ob also der Kümmel tatsächlich das "älteste
Gewürz" ist, wie man öfter lesen kann, ist keineswegs erwiesen.
Im Mittelalter sind Anbau und Verwendung des Kümmels längst nicht so weit verbreitet gewesen wie
heutzutage. Auch aus dieser Zeit gibt es nur wenige archäologische Funde. Eine übliche Pflanze früher
Klostergärten war der Kümmel nicht, er wurde nicht allgemein in mittelalterlichen Garteninventaren
genannt, in der Medizin nicht verwendet, und auch in den damaligen Kochrezepten war er eine Seltenheit.
Zu dieser Zeit versuchte man noch, den völlig anders schmeckenden Kreuzkümmel in den
mitteleuropäischen Gärten zu ziehen, was aber auf Dauer wegen der Frostempfindlichkeit von Cuminum
nicht erfolgreich war. Erst allmählich wurde der Begriff Kümmel auf Carum übertragen. Dessen Siegeszug
begann zu Ende des Mittelalters, als er auch in Länder eingeführt wurde, in denen es ihn bis dahin nicht
wildwachsend gab, zum Beispiel England. Hieronymus Bock schrieb 1551 in seinem berühmten
Kräuterbuch: "Diser Kymmel ist nunmehr
auch allenthalben breuchlich ...", eine Bemerkung, die sich eindeutig auf die Ausbreitung unserer heutigen
Kümmelwürze bezieht. Im 16.
Jahrhundert war das Gewürz dann rasch als Zutat zu Käse, Brot, fettem Fleisch, Fisch und Suppen
allgemein bekannt.
Kümmel wurde und wird meist auf Wiesen gesammelt, vorzugsweise im Juni. In der Schweiz mähte man
Teile von Wiesen, auf denen der Kümmel wuchs, nicht, um das Gewürz ausreifen zu lassen und ernten zu
können. Kümmel wird auch regelrecht angebaut, und zwar weniger in Gärten als auf Feldern. Besonders
bekannte Kümmelanbaugebiete sind Holland und Böhmen. Auch in Deutschland gibt es Kümmelfelder (vor
dem Zweiten Weltkrieg insgesamt etwa 700 Hektar).
Kümmel wurde zu einem Charaktergewürz der mitteleuropäischen Küche, sein Geschmack wird in einem
englischen Kochbuch als "typisch deutsch" beschrieben. Kümmelbrot und -brötchen, Sauerkraut, Rotkohl,
Schweinebraten und Knödel - man kann noch einige dieser Gerichte
aufzählen, die typisch für Mitteleuropa sind, insgesamt interessanterweise für das Gebiet, das in der frühen
Neuzeit das Deutsche Reich bildete. Auch der Kümmelschnaps oder "Köhm" ist für diese Gegenden
charakteristisch. Ein Nationalgericht ganz anderer Provenienz bedarf aber ebenfalls des Kümmels, und das
ist das berühmte Irish Stew.
Kümmel braucht in der Kultur guten, stickstoffreichen Lehmboden. Zur Düngung soll man keinen frischen
Stallmist verwenden. Gesät wird im Frühjahr, geerntet erst im zweiten Jahr, wenn die Früchte da sind.
Der richtige Erntetermin zeigt sich dadurch an, dass die Früchte beginnen, braun zu werden. Kümmelfelder
werden mit Mähmaschinen abgeerntet. Die Früchte müssen anschliessend trocknen und nachreifen, wobei
ihr Aroma erst völlig zutage tritt. In den Kulturen lässt man einige Pflanzen ungeerntet stehen; sie säen
sich aus, und man hat in den nächsten Jahren immer wieder eine Kümmelernte, ohne je regelrecht die
Felder bestellt zu haben.
Kümmel ist eine gute Bienenweide und Futterpflanze. Als stark duftendes Kraut fand er Eingang in
mythologische Vorstellungen:
Kümmel soll Hexen abwehren können. Vor allem in Thüringen kennt man die bösen "Holzweibel", die
"Kümmelbrot - unser Tod!" ausrufen.
Kümmel kam ins Brot, um die bösen Geister zu vertreiben, was meistens gelang; doch rächten sich die
Hexen manchmal. Unruhigen Kindern, die von Dämonen besessen zu sein schienen, stellte man ein
Töpfchen mit Kümmel unter das Bett; von dem starken Duft wurden die Geister abgeschreckt, und die
Kinder konnten ruhig schlafen. Beim Säen der Pflanze soll man fluchen (ähnlich wie die Römer, die dies
beim Kreuzkümmelsäen taten). Der zu Johannis geerntete Kümmel ist angeblich besonders heilkräftig. Die
moderne Medizin weiss, dass Kümmel als Gewürz tatsächlich Schwerverdauliches bekömmlicher macht.
Fructus Carvi gibt es als Medikament gegen Magen- und
Darmverstimmung; ihre Einnahme wirkt auf den Patienten stark beruhigend.