Terrinen und Pasteten, einst nur Profis vorbehalten, erobern immer öfters auch die Küchen von
Hobbyköchinnen und -köchen. Es bedarf
nämlich keiner Hexerei, damit diese zarten, leichten Leckerbissen auch weniger Geuebten gelingen.
Es ist doch alles ganz einfach und so logisch: Teig und Füllung
herstellen, ersteren auswallen, Form und Deckel ausschneiden, die Pastetenform auskleiden, den Inhalt
einfüllen, mit dem Deckel schliessen, Dampflöcher und Dekor nicht vergessen, backen, sulzen, kühl
stellen und fertig. Das ist die ganze Pastetenhexerei! Und das alles erst noch ohne Küchenstress, da
Pasteten und Terrinen stets im voraus zu bereitet werden. Nun, beide sind sie nicht nur eine Augenweide
auf dem Tisch, sondern sie zeigen sich auch kulinarisch von der besten Seite und setzen jedem Menü die
Krone auf. Darum werden sie heute oft auch als die "Königlichen" gehandelt.
Tatsächlich zieht sich aber die Auffassung der "bäuerlichen Einfachspeise" wie ein roter Faden durch ihre
Geschichte. In der Antike wurden sie schon während der Aufführung von Tragödien wie Eis am Stiel
zwischen den Sitzreihen verkauft, besonders während langweiligen Passagen... In der Tat hat es im
hellenischen Altertum schon eine fortgeschrittene Pastetentradition gegeben. Famoses Glanzprodukt war
dabei eine Fleischpastete des Hellenen-"Bocuse"
Epainatos, eines unermüdlichen kulinarischen Pröblers, der als "Innenleben" neben Fleisch auch Blut,
Honig, Käse, Essig und Würzkräuter verarbeitete. Die Verwendung von Blut zum Binden zeigt eine
erstaunliche Fortschrittlichkeit mediterraner Kochkunst, der dann aber im Mittelalter ein jäher Absturz
folgte; nach dem Vorbild des Leibkochs von Tiberius (14-37 n. Chr.), Apicius, galt nun als
höchstes kulinarisches Ziel die Geschmacksmaskierung, also die Nahrungsmittel möglichst anders auf
den Tisch zu bringen, als sie eigentlich von Natur aus schmeckten. Und was eignete sich da besser als die
Pastete mit ihrem kaschierten Inhalt! Das änderte sich erst, als 1533 die verwöhnte florentinische
Patrizierstochter Katharina von Medici mit einer Schar auserlesener italienischer Köche in ihrem Gefolge
zu ihrem Angetrauten, dem späteren König Heinrich II., nach Paris zog und den Franzosen den
ursprünglichen Geschmack der Speisen wieder beibrachte, etwa mittels Kochen von Gemüse im eigenen
Saft oder Grillieren statt Zerstückeln grosser Fleischstücke. Und dazu gehörte eben auch die Herstellung
kunstvoller Fleischpasteten. Der Einfluss der italienischen auf die französische Kochkunst zeigt sich auch
sprachlich: Aus "pasta"
(Teig) wurde französisch "Pate" und deutsch "Pastete".
Von Paris aus verbreitete und differenzierte sich die Pastetenkunst nicht nur in Frankreich, sondern über
ganz Europa hinweg. Pasteten mit Zutaten aus Kalb, Hirsch, Reh, Hase, Ente, Pfau, Fisch, Spargeln,
Broccoli, Ochsenzunge, Kuheutern, Leber, Nieren, Spirituosen oder auch mit Trüffeln zeigen, wie
differenziert die Pastetenbäcker ihr Handwerk nun verstanden. Der Gipfelpunkt wurde um 1778 mit der
"Pate de foie gras" des Pastetenbäckers Jean-Pierre Clause in Strassburg
erreicht, der Pastetenhochburg schlechthin. Die Gänseleberpastete brachte seinem Arbeitgeber, dem
Marechal de Contade, von König Ludwig XV. einen Landbesitz in der Picardie und ihm selbst eine Summe
von 50 Goldstücken ein. Die Serienproduktion gerade dieser Pastete nahm ihren Anfang, und noch heute
werden in Strassburg mehr Gänseleberpasteten und -terrinen hergestellt und genossen als
irgendwo sonst auf der Welt.
Der Unterschied zwischen Pastete und Terrine liegt übrigens in ihrem "Kleid": Alles, was als Farce in
einem Teigmantel daherkommt, ist eine
Pastete. Terrinen aber sind jene, die sich in schöner Unverhülltheit als Farce präsentieren und damit
unverfälscht den reinen Genuss bieten. Die Farce, eine mehr oder weniger fein gehackte aromatische
Füllung aus rohen oder gekochten Produkten, wird in eine Form gefüllt, die etwa mit Speck (intensiviert den
Geschmack der Farce und hält sie saftig) oder einem Schweinsnetz ausgelegt ist und kommt allenfalls ins
Wasserbad und/oder in den Ofen.
Ob sie mit oder ohne Teigmantel besser schmeckt, darüber streiten sich die Geister seit Jahrhunderten.
Doch da sich über Geschmack bekanntlich eben nicht streiten lässt, wird dieser wohl auch noch ewig
andauern. Einfacher hat es, wer sich ans Auge hält. Denn da ist die Pastete mit ihren Teigornamenten ein
wahrer ästhetischer Genuss, ein Kunstwerk, das den Appetit auf ganz spezielle Art anregt. Doch seien wir
ehrlich: Beide sind sie Werke, auf die der Hersteller, ob
Profikoch oder Laienbäckerin, stolz sein darf. Das Schöne daran ist ja gerade, dass Terrinen und Pasteten
jedermann und jederfrau die einzigartige Möglichkeit bieten, aus ganz gewöhnlichen Zutaten ein
aussergewöhnliches Meisterwerk zu kreieren, das Auge und Gaumen ohne Einschränkung zu begeistern
vermag.