Feinschmecker haben - nicht nur der Trüffeln, Haselnüsse und Reben
wegen - das Piemont als ihr Schlaraffenland auserkoren. Das hügelige
Gebiet mit dem melancholischen Einschlag zwischen Mailand und Turin wird jedes Jahr im Herbst zur
meistbesuchten Gegend Italiens.
Eine ganz besondere Spezialität der Gegend um Alba wird jeweils ab Oktober bis Ende Jahr "geerntet": die
weisse Trüffel. Was wurde
nicht schon alles über sie geschrieben und spekuliert! Aphrodisisch sollen die Knollen wirken, die eher
einer missratenen Kartoffel denn einem - weissen oder schwarzen - Küchendiamanten gleichen und den
bezauberndsten Duft der Welt verströmen. Es stimmt, die ganze Stadt riecht danach, in den Restaurants
verdichten sich die Wolken gleichsam zu Körperlichkeit, sinnliche und betörende Düfte nach Knoblauch
und Käse schlagen einem entgegen.
Für die nuss- bis faustgrossen "Tartufi" strömen Zehntausende von
Köchen, Händlern und Trüffelfreunden in das auch sonst schon schmucke, zu dieser Zeit aber für
Gourmets geradezu paradiesische Städtchen Alba, um dabeizusein, wenn die raren und äusserst
kostbaren Knollen auf dem berühmten "mercatino del tartufo" feilgeboten werden.
Es gibt kein Wenn und Aber, Trüffeln sind ein Mysterium geblieben.
Vom Duft, den der "tuber magnatum" auf rätselhafte Weise erzeugt, sagen die italienischen Trüffeljäger,
dass er dem eines Hundes auf Freiersfüssen ähnle. Deswegen seien bei der Trüffelsuche auch nur
Hündinnen mit Erfolg einzusetzen. Nun, ob Trüffeln und Sex etwas miteinander zu tun haben, mögen
Werber, Biologen und Verliebte enscheiden. Tatsache ist, dass ein Kilo des begehrten ockerfarbenen
Pilzes gut und gerne 2500 bis 3000 Franken kostet - kein Wunder also,
dass die Trüffelsucher nachts mit ihren vierbeinigen Begleiterinnen durch die Eichenwälder streifen und tief
unter der Oberfläche nach den unsichtbaren Schätzen graben. Nachts darum, weil dann die Trüffeln
angeblich am stärksten duften oder sich die Hunde am besten auf ihren Geruchssinn konzentrieren
können; in Tat und Wahrheit aber doch, um die Fundstellen vor neugierigen Augen geheimzuhalten! Doch
das an drei Seiten von Bergen umgebene hügelige Piemont - das
"Land am Fusse der Berge" - ist nicht nur ein "Tartufo"-Land. Wie in
allen italienischen Regionen macht den Reiz seiner Küche auch der Spass an der Zubereitung der Gerichte
und die Lust am Essen, die Gastlichkeit und das vergnügte Plaudern in anregender Gesellschaft aus. Das
spiegelt sich in der üppigen Menüabfolge wider: Antipasti,
Primo, Secondo, Verdura - das sind Saisongemüse oder Salate -, Käse
und Dessert, gefolgt von einem Espresso oder Likör und natürlich begleitet von den zu den Speisen
passenden Weinen aus der begnadeten Weinregion der Langhe um Alba und Asti. Diese mächtigen und
stolzen Tropfen des Piemont, das sind die schweren, körperreichen Barolo und Barbaresco. Ein Glas
davon, und man glaubt, sich die neblig-herbstliche Melancholie der Langhe, die Gerüche ihrer Erde,
nasses Laub und Pilze, einverleibt zu haben. Oder wie es ein begeisterter piemontesischer Heimatdichter
poetischer ausdrückt:
"Der Barolo hat die Farbe des herbstlichen Laubes und den frischen Hauch des Frühlings. Er geht nicht in
die Beine und macht den Kopf nicht schwer, sondern bereitet einen tiefen und traumlosen Schlaf.
Und am Morgen danach wird man sich fühlen, als könne man alle Schlachten der Welt gewinnen." Gerade
die Wucht dieser Weine, ihr charaktervoller Auftritt und ihr Alkoholreichtum verlangen kräftige Speisen, die
ihnen Widerstand leisten.
Erst in diesem Zusammenprall offenbaren sie ihr enormes Potential; Wein wird eben im Piemont - wie
überhaupt in Italien -
ausschliesslich zum Essen getrunken! Neben den "schweren" verlocken den Weinfreund aber auch
zahlreiche andere Tropfen, rote wie der Nebbiolo und Freisa, der rustikale, aber oft unterschätzte Barbera,
der leichtere, doch keineswegs "süsse" Dolcetto, und weisse wie der höchst süffige Arneis oder der
spritzige Asti spumante-Schaumwein.
Letztere erfreuen sich auch bei uns zunehmender Beliebtheit als erfrischende Aperitive, und dazu knabbert
man, wie es inzwischen in (fast) allen italienischen Restaurants in der ganzen Welt in Mode gekommen
ist, Grissini, die - wie die berühmten Haselnüsse auch -
dank äusserst günstiger Anbaubedingungen ebenfalls aus dem Piemont stammen.