Wie viele ausgezeichnete Dinge gibt es doch, die in unserer veränderten Zeit unaufhaltsam und unrettbar
verloren gehen! Frau Planzer aus Bürglen macht uns heute mit einem solchen alten, bäuerlichen
Getränkerezept bekannt. Vom Holunderstrauch, der jetzt vor ihrem Haus in voller Bluete steht, pflückt sie
30 der gelblich-weissen Bluetendolden. Sie legt sie in einen grossen Hafen,
schüttet 10 Liter frisches Brunnenwasser daran und lässt das Ganze aufkochen. Diesen Sud lässt sie
anschliessend zugedeckt erkalten.
Dann siebt sie die Flüssigkeit durch ein Passiertuch, vermengt sie mit dem Zucker und lässt alles
nochmals aufkochen. Jetzt füllt Frau Planzer ihren "Holdärä-Moscht" heiss in Bügelflaschen ab,
verschliesst diese und stellt sie in den Keller an einen kühlen Ort.
Sie lassen sich auf diese Art lange Zeit aufbewahren. Die Flaschen müssen jedoch vorsichtig geöffnet
werden, wenn man ihren Inhalt geniessen will: Ein Knall, wie beim Öffnen einer Champagnerflasche
begleitet dieses Zeremoniell. Früher, als es noch keine Bügelfaschen gab, habe der entstehende Druck
gelegentlich den Korkzapfen aus einem Flaschenhals gejagt, und der kostbare Inhalt habe sich selbständig
gemacht, verrät uns Frau Planzer. Aber die übriggebliebenen Flaschen hätten diese Unannehmlichkeiten
bei weitem aufgewogen. Und dieser Meinung sind wir wirklich auch: Denn
das prickelnde, zartgelbe Getränk, das sehr kalt serviert werden soll, ist sehr anregend, und es erinnert mit
seinem zarten Aroma noch ganz leise an den frühsommerlich-bluehenden Holunderstrauch.