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Raus aus meiner Küche - Kochen für Anfänger (Info)



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  • MMMMM------------------------QUELLE-------------------------------
  • - LebensArt,
  • - WDR5 10.04.2008
  • - Erfasst von Christina Phil
  • Studiöxperte Prof. Dr. Thomas Vilgis, Physiker Hähnchen aus der Tiefkühltruhe, verpacktes Gemüse aus der Supermarkttheke. Wer richtig gut kochen will, sollte solche Zutaten meiden. Der Naturwissenschaftler Thomas Vilgis hält es für nachgewiesen: Wirkliche Gaumenfreuden erzeugen die Moleküle sonnengereifter Tomaten oder freilaufender Hähne. In seinem Buch "Wissenschaft al dente" beschreibt der Physikprofessor, die inneren Vorgänge beim Kochen. Sein Kredo: Selber kochen ist gesund und kreativ.

    _Kochen mit Physik - ganz einfach_

    Der Physiker Thomas Vilgis arbeitet am Max-Planck-Institut in Mainz. Sein Fachgebiet ist die Polymerforschung. Polymere sind grosse Moleküle, die aus Ketten von Untereinheiten (Monomeren) bestehen. Zehn bis hunderttausend Monomere ergeben ein Polymer. Polymere sind sehr elastisch, da sie nicht lang gestreckt vorliegen, sondern sich regelrecht zusammen knäulen: Wenn sie belastet werden, strecken sie sich einfach wie ein Gummiband. Weicher Kunststoff, also Gummi beispielsweise verhält sich ähnlich wie Teig. Für den Laien erstaunlich: Beide Stoffe unterscheiden sich in ihren Eigenschaften kaum. Beides sind weiche Materialien, die sich dehnen können. Auch Eiweiss ist ein Polymer. Eiweiss ist ein interessanter Stoff für die Wissenschaft und ebenso fürs Kochen. Nur eines von vielen Beispielen mit dem sich für Thomas Vilgis die Wissenschaft und seine Vorliebe fürs Kochen verbinden lässt. Für ihn ist klar, wer genau weiss, was im Kochtopf passiert, kann sicherer und geschmackvoller kochen.

    _Die Kunst ein Ei weich zu kochen_ Die Herstellung eines gerade richtig weich gekochten Frühstückseies kann den Menschen schon vor scheinbar unüberwindliche Probleme stellen. Thomas Vilgis erklärt, dass die Gardauer eines Eis von sehr vielen Komponenten abhängt: Von der Dicke des Eis, dem Wassergehalt und der Temperatur des Eis unmittelbar vor dem Kochen und davon, wie schnell die Wärme von der Schale nach innen zum Dotter gelangt. Das Eiklar wird schneller fest als der Dotter und während das Eiklar durch die Wärmezufuhr im Topf hart wird, passiert im Dotter gar nichts, weil die gesamte Energie darauf verwendet werden muss, die Proteine im Eiklar aufzuwickeln. Auch ist zu bedenken, dass das kalte Ei das Wasser erstmal wieder abkühlt. Um wie viel Grad hängt von der Wassermenge ab. Also zusammengefasst: Eierkochen gelingt am besten mit viel Gefühl und eher mit zu viel als zu wenig Wasser. Denn je mehr Wasser um das kalte Ei warm ist, desto weniger kann es abkühlen. Dann der Hinweis für den Laienkoch: Die Menge des zum Kochen verwendeten Wassers ist übrigens nicht nur für das Eierkochen, sondern auch für alle anderen Kochprozesse wichtig.

    _Dicke Sosse zähmt den Pfeffer_ Die Naturwissenschaft hilft auch beim Abschmecken von Sossen. Eine dicke Sosse muss stärker gewürzt sein. Verdickungsmittel binden nicht nur das Wasser, sondern auch die Aromen der Gewürze. Zuviel Pfeffer kann beispielsweise durch das Verdicken einer Sosse aufgefangen werden. Allerdings, wenn einmal etwas versalzen ist, dann ist nicht mehr viel zu machen, sagt Thomas Vilgis: Die Kartoffel werde fälschlich als probates Hausmittel gepriesen, bei zuviel Salz sei auch deren Stärkereservoir überfordert.

    _Molekularküche für Spitzenköche_ Die moderne Molekularküche ist etwas für Spitzenköche, warnt der Physiker den Kochanfänger. Topköche wollen wissen, wie man Aromen verstärkt, wie Schäume fester werden oder wie man Kaviar-Eier mit Algenaromen aufpeppen kann. D.h. das moderne molekulare Kochen ist eigentlich etwas für Profis, für Menschen, die ein Grundverständnis für die Wirkungsweise von Nahrungsmitteln haben. Natürlich können Anfänger Anleitungen blind nachkochen, aber da Kochen etwas mit Kreativität zu tun habe, empfiehlt Thomas Vilgis Kocheleven, mit ganz einfachen Dingen zu beginnen.

    _Geschmack: Kein Grund zum Streiten_

    Auch die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge kommen bei Thomas Vilgis nicht zu kurz. Denn erst durch sie wird das Essen zum Genuss. Es gibt sechs Geschmacksrichtungen: Süss, sauer, bitter, salzig, umami (das ist Fleisch oder Proteingeschmack) und neuerdings erforscht: Rezeptoren für Fett. Jeder Geschmack hat seinen Grund im Mund: Fett beispielsweise ist ein unheimlicher Energieträger. Die Menschen im Neanderthal, die benötigten viel Fett, also war für sie Fett ein positiver Geschmack. Ebenso wichtig der Geschmack von Proteinen, weil auch die lebenswichtig sind. Bitter dagegen ist eher eine Warnung an die Geschmacksnerven, etwas Giftiges ist eher bitter. Süss dagegen ist wieder ungeheuer positiv. Schon die Muttermilch ist süss, also will das Baby sie trinken. Aber ebenso wichtig wie der Geschmack ist der Geruch. Der wird sehr individuell im Gehirn verarbeitet. Was gut oder schlecht riecht, kann auch anerzogen sein, regional verschieden. Im Süden wird beispielsweise viel Kümmel gegessen, im Norden weniger. Ein Mensch, der selber kocht wird sehr bald merken, dass heute der Geschmack verschiedener Lebensmittel mit Hilfe von Geschmacksverstärkern aufgepeppt oder verändert wird. Thomas Vilgis empfiehlt deshalb, selbst zu kochen, zu experimentieren und sich damit den ursprünglichen Geschmack zu bewahren.

    _Qualität ist wichtig und gar nicht so teuer, wie man denkt_ Die Qualität ist wichtig, deshalb der Tipp, lieber nur einmal in der Woche Fleisch kaufen, dafür aber beim Biobauern oder zumindest in einer guten Metzgerei. Mit Fleisch aus der Turbomast kann niemand ein wirklich geschmackvolles Gericht kochen, so die einhellige Meinung der Fachleute. Ein Hahn, der frei auf der Wiese rum gelaufen ist, der auch den Hennen nachgestiegen ist - der hat gut ausgebildetes Muskelfleisch und gut gelebt. Er wiegt drei Kilo und kostet vielleicht 28 Euro. Den kann man nicht auf einmal essen, schliesslich gibt es ja auch noch Beilagen. Wieder ist Kreativität gefragt. Der Hahn hat zwei Brüste, zwei Beine, Flügel und er hat das Fleisch direkt an den Knochen, das eignet sich zum Beispiel für Ravioli. Den Rest erstmal einfrieren. Wer einen solchen Hahn richtig ausschlachtet, hat mehrere Tage was davon und dann ist ein Biohahn gar nicht mehr so teuer.

    _Marktgemüse ist das beste_ Das beste Gemüse gibt es auf dem Markt und dort gleich auch den ein oder anderen Tipp vom Händler. Abgepacktes Gemüse sollte tabu sein, denn Zellophan ist ein wunderbarer Nährboden für Schimmelpilze. Auch von Gemüse aus der Tiefkühltruhe wird eher abgeraten, wenn dann die Tüten aber nicht von oben nehmen, auf denen Wassertropfen stehen. Auch Eiskristalle in der Packung sprechen gegen die Frische des Inhalts, diese Pakete lieber liegen lassen. Der gute Rat vom Wissenschaftler und den Spitzenköchen: Am besten knackiges reifes Gemüse vom Markt und sich dann an die Saison halten, da gibt es zu jeder Zeit günstige Angebote und dann frisch ans Werk.

    _Sonnenenergie das ganze Jahr_ Eine angebliche Binsenweisheit verbannt Thomas Vilgis ins Reich der Märchen: Vitamine gehen durchs Kochen kaputt. Inzwischen weiss man, dass viele Stoffe erst durch das Kochen richtig zur Geltung kommen. Zum Beispiel der Farbstoff Lycopin, ein Vertreter der Carotinoide, die die Tomate zum Leuchten bringen. Dieser Farbstoff fängt die freien Radikale (kurzlebige, aggressive, sauerstoffhaltige Verbindungen, die Ursache für Erkrankungen sein können) ein, deshalb schwört alle Welt inzwischen auf den ernährungsphysiologischen Wert des Lycopins. Selbst wenn die Tomaten sehr lange gekocht wird, um zum Beispiel ein Tomatenkonzentrat herzustellen, bleibt der Farbstoff erhalten. Es bietet sich an, ein solches Konzentrat im Sommer herzustellen, wenn die Tomaten sonnengereift vom Markt kommen. Das Konzentrat kann in Gläser gefüllt und beispielsweise im Winter hervorgeholt werden, wenn die Tomaten nur noch fade schmecken, weil sie irgendwo im Süden viel zu früh gepflückt werden. In dem Konzentrat sind dann der Geschmack sonnengereifter Tomaten und die gesunden Bestandteile für die kalte Jahreszeit enthalten. Eines ist natürlich klar, Vitamin C übersteht das Kochen weniger gut. Aber das kann man in Form eines leckeren Obstsalats zum Dessert auffangen.

    _Kalorien sind keine Genussbremser_ Der Physiker nimmt dem Feinschmecker noch eine Sorge: Er achtet nicht auf Kalorien, sondern auf ausgewogene Ernährung. Thomas Vilgis ist selbst das beste Beispiel für seine Theorie: Er wiegt 55 Kilo und isst zwei Menüs am Tag. Wichtig ist die Vielfalt. Wer nur Kohlenhydrate zu sich nimmt, hat ganz schnell wieder Hunger. Für die Verdauung von Proteinen und Fett braucht der Körper länger und ist deshalb länger satt. Ausserdem werden diese Stoffe an unterschiedlichen Stellen im Körper abgebaut. Je mehr dieser Stellen beschäftigt werden, desto länger lässt der Hunger auf sich warten.

    _Tipps und Tricks aus dem physikalischen Labor_ Nudeln nehmen beim Kochen Wasser auf, an der Oberfläche der Nudeln bilden sich Kohlenhydrathärchen, ausserdem bilden sich Wasserstoffbrücken. Die Nudeln verhakeln sich ineinander. Dagegen hilft am besten Öl - die Kohlenhydrathärchen mögen das nicht und verkriechen sich wieder in die Nudeln, die Oberflächen werden wieder glatt und die Nudeln kleben nicht mehr aneinander.

    Fett schliesst die Poren ist Unsinn und das Überbleibsel eines alten Werbespruchs, mit dem eine Fettfirma ihr Produkt unter die Leute bringen wollte. Zucker ist zum Braten ebenso geeignet. Allerdings für Lebensmittel, die eine eigene Süsse mitbringen. Also für Spargel, roten Paprika, Zwiebeln oder Petersilienwurzeln.

    Für eine kleine Frühlingsvorspeise wählen wir ein Spargelragout: Einen Esslöffel Zucker schmelzen, weisser Spargel dazu, der Spargel wird sanft gar gebräunt, tropfenweise etwas Fonds dazu. Der Spargel behält seinen Biss. Zum Schluss mit etwas Sahne und Balsamico abrunden und fertig.

    _Literatur_ * Thomas Vilgis, Die Molekül-Küche. Physik und Chemie des feinen Geschmacks S. Hirzel Verlag 7. , unveränderte Auflage 2007.

    * Thomas Vilgis, Molekularküche. Das Kochbuch Tre Torri Verlag 2006

    * Thomas Vilgis/Anna Zimmermann, Wissenschaft al dente. Naturwissenschaftliche Wunder in der Küche. Herder Spektrum 2007 * Thomas Vilgis, Die Molekülchen-Küche. Experimente für Nachwuchsköche S. Hirzel Verlag 2007.

    * Martina Frank, Cook mal kochen für beginner, Gräfe und Unzer, 2008 * Alexander Herman et al., Die Meisterschule der jeunes restaurateurs, Gräfe und Unzer, 2008 * Weitere Tipps und Rezepte finden Sie im Internet: http://www.mpip-mainz.mpg.de/~vilgis/thomas.html Seite des Autoren Thomas Vilgis. Mit Infos zu seinen Büchern.

    Podcast: http://medien.wdr.de/radio/lebensart/wdr5_lebensart_20080410.mp3

    Moderation: Jürgen Orthaus Recherchen: Michäla Heiser Redaktion: Gabriele Kraiczek

    http://www.wdr5.de/sendungen/lebensart/manuskript/hi080410_internet. pdf :Letzte Äend. am: 27.04.2008

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