Laurenz, die Studiorebe, ist ein schmächtiges Kerlchen. Er hat's viel schwerer als die Kollegen Rebstöcke
draussen in den Weinbergen.
Eingepfercht in einen Blumenkübel, mal mehr mal weniger gepflegt....Na ja. Trotzdem hat er sich selbst
eine Menge auf seine schwachen Schultern geladen! Er trägt viel mehr Trauben, als ihm gut tun kann.
Schon damit er sich nicht selbst kaputtmacht, müssen ein paar davon weg.
Das passiert durchaus auch in der Praxis: reichtragende Sorten wie
Müller-Thurgau oder Dornfelder können so viele Trauben entwickeln,
dass sie unter deren Gewicht auseinandergerissen werden oder sich völlig verausgaben. Das straft die
Natur dann später. Diese Anlagen sind anfällig gegen Frost und Krankheiten und bringen tendenziell
schlechtere Qualität im Folgejahr. Allerdings sind jetzt auch viele Winzer in gesunden, kräftigen Anlagen
unterwegs, um halbreife Trauben abzuschneiden. Sie wollen dafür sorgen, dass die Qualität besser wird.
Ausdünnen nennt man das. Die Zeit ist gut. Die Trauben etwa zur Hälfte durchgefärbt. Wer jetzt etwa ein
Drittel abschneidet, der kann einen klaren Effekt erzielen. Der Rebstock konzentriert seine Energie auf
weniger Trauben und gibt denen einfach mehr Zucker und sonstige Inhaltsstoffe mit. Das ist gerade in
einem so grosszügig mit Wasser gesegneten Jahr wichtig, denn der Segen von oben lässt die Trauben
über Gebühr anschwellen und verdünnt sozusagen das Aroma.
Gerade wegen des vielen Wassers müssen die Winzer auch ziemlich stark ran. Die Reben gleichen
nämlich einen Teil des Ausdünn-Effekts einfach dadurch wieder aus, dass die anderen Trauben
dicker werden. Bei Trollinger z.B., der von Natur aus schon grosse Trauben hat, kann schon eine einzige
Traube pro Trieb mehr Ertrag bringen als das Gesetz erlaubt.
Eine Wissenschaft für sich hat sich rund ums Ausdünnen entwickelt.
Denn zum einen macht das viel Arbeit und dann soll diese Arbeit wenigsten ordentlich was bringen.
In guten Jahren (wie diesem) bringt die Mühe erfahrungsgemäss etwa 10 Grad Öchsle beim Most. Dieser
Qualitätsunterschied kann durchaus den Sprung vom einfachen Qualitätswein zu Kabinett- oder gar
Spätleseweinen ausmachen. Dabei reagieren die Sorten unterschiedlich: Burgunder und Riesling stärker
als Massenträger
wie Müller-Thurgau, Gutedel oder Elbling. Bei roten Sorten ist das
Ausdünnen noch wichtiger, denn niedrigerer Ertrag bringt da tendenziell auch mehr Farbe. Und die ist
wichtig als Verkaufsargument.
Laurenz ist ein Sankt Laurent, also rot und gehört im weitesten Sinne zur Burgunderfamilie. Bei ihm also
lohnt der Einsatz sicher. Am meisten bringt es, die Trauben weiter weg vom Stamm wegzuschneiden.
Und natürlich die, die sichtbar weniger reif sind.
Natürlich versuchen sich die Winzer aber auch, die Arbeit so effektiv wie möglich zu machen. Ganze Triebe
mit überschüssigen Trauben abschneiden, das geht schnell. Der Arbeitsaufwand ist trotzdem beachtlich:
zwischen 30 und 80 Stunden pro Hektar. Ein
Winzer mit nur fünf Hektar, das ist ein kleiner Familienbetrieb, braucht also alleine fünf Wochen harter
Arbeit, um das durchgängig zu machen. Das schafft er gar nicht. Deshalb ist das Ausdünnen auch eine
Sache, die nur gemacht wird, wenn ein Lohn (in Euro und Cent) winkt. Also etwa, wenn ein ganz
besonderer Wein erzeugt werden soll.
Oder wenn die Genossenschaft an die die Trauben verkauft werden, höhere Qualitäten auch wirklich besser
bezahlt.