Wie alle Haustierrassen wurden auch Schweine in der Vergangenheit im Freiland gehalten. Über viele
Jahrhunderte hinweg bewegten und ernährten sich die Tiere auf Weiden und im Wald, lediglich
beaufsichtigt von speziellen Schweinehirten. Heute ist die Schweinehut aus Mitteleuropa verschwunden
und die Schweinekoppel nur noch selten anzutreffen. Mit der Schweinefreilandhaltung verschwanden auch
die alten Schweinerassen, die aufgrund ihrer robusten Konstitution an die Bedingungen der Weidehaltung
bestens angepasst waren. Die Schweinehaltung hat sich zur Schweineproduktion gewandelt. Die heutigen
Höchstleistungsrassen werden in Massentierhaltung in kürzester Zeit zur Schlachtreife gebracht -
mit allen Nachteilen für Tier und Mensch.
Gerade in der Schweinemast herrschen teils katastrophale Bedingungen für die Tiere, die in dunklen,
engen Verschlägen auf Spaltenböden ihr trauriges Dasein fristen. Öko-Bauern zeigen, dass es auch
anders geht, dass Tierschutz durchaus mit Mast zu vereinbaren ist.
In dem Beitrag haben wir drei Schweinemastbetriebe besucht, die eine mögliche Alternative zeigen. Das
Fleisch ist zwar etwas teurer, aber wenn man die glücklichen Schweine und auch die zufriedenen Landwirte
sieht, dann ist es einem schnell das Geld wert.
_Beispiel 1: Düppeler Weideschwein - Alte Rasse, gutes Fleisch_
Im westfälischen Bellersen betreut der Biologe Dr. Burkhard Beinlich seit 1998 ein wissenschaftliches
Bundesforschungsprojekt, in dem sogenannte "Düppeler Weideschweine" gehalten werden - eine
Rückzüchtung des Mitte der 60er-Jahre ausgestorbenen Deutschen
Weideschweins. Untersucht wird u.a. auch der Zusammenhang von artgerechter Haltung und höherer
Fleischqualität. Unterstützt wird der Biologe von dem ortsansässigen Landwirt Markus Bauer, auf dessen
üppigen Weideflächen die Tiere sich sehr wohl fühlen. Es sind robuste, behaarte Schweine, denen das
Leben im Freien bestens bekommt. Sie fressen alles, was die Weide hergibt - erst ab Herbst
wird zugefüttert.
_Strengere Auflagen_ Die Tierhygieneverordnung schreibt seit 1998 besonders strenge Auflagen für
Betriebe vor, die ihre Schweine im Aussenbereich halten. Zur Vermeidung des Kontaktes mit
Wildschweinen, die als Überträger der Schweinepest gelten, wurde eine doppelte Umzäunung und eine
aufwändige Schmutzschleuse zur Pflicht gemacht. Dazu Burkhard Beinlich: "Die Schweinehygienerichtlinie
der EU gilt für
alle Mitgliedsländer. Sie schreibt vor, dass bei Freilandhaltung für mehr als zwei Tiere ein wilddichter
Aussenzaun errichtet wird.
Dann braucht man einen Korridor von 2 bis 3 Metern, und dann kommt noch einmal ein weiterer Zaun, ein
Elektrozaun, und zwar aus dem Grunde, dass die Tiere von innen keinen direkten Kontakt mit ihren wilden
Vettern, den Wildschweinen, bekommen können. Da geht es vor allem darum, die Tiere vor der
Schweinepest zu schützen, also die Wildtiere auch vor Krankheiten, die die Haustiere haben." _Hohe
Fleischqualität - höherer Preis_
Aufgrund der zahlreichen Skandale in der Massentierhaltung und dem dadurch erweckten
Problembewusstsein bei den Verbrauchern sah Burkhard Beinlich wirtschaftlich gute Chancen für die Zucht
der Düppeler Weideschweine. Allerdings klingen die Schockeffekte auch schnell wieder ab. Durch den
höheren Preis für seine Ware ist es daher nicht immer leicht, Abnehmer zu finden. Mit westfälischer
Beharrlichkeit hat der Biologe im Nachbarort jedoch Unterstützung gefunden. Einige Wirte in der
Umgebung von Bellersen haben das Fleisch der Weideschweine auf der Speisekarte - mit gutem Erfolg.
Die Gäste schätzen die gute Fleischqualität von Tieren, die natürlich aufwachsen, sich dabei viel bewegen
und so reichlich Muskelfleisch aufbauen. Daher schrumpfen die Koteletts in der Pfanne auch nicht
zusammen, sondern bleiben schön zart und saftig.
Inzwischen hat man auch anderen Ortes die Vorzüge des Weideschweins entdeckt: Die Westfälische
Museumsmeile in Nieheim ist seit April
2006 fester Abnehmer und Werber für das Düppeler Weideschwein -
vom Land NRW zur Hälfte mitfinanziert.
_Beispiel 2: Fünf-Sterne-Schweinestall_
Ernährung, Umwelt und Wohlbefinden gehören auch auf dem Bauernhof Korte in Menden im Sauerland
zusammen. Die rund Tausend Schweine von Bauer Heiner Korte können sich Sommer wie Winter in
offenen Ställen tummeln. Das macht sie widerstandsfähig. Statt verdreckter Borstenviecher tummeln sich
blitzsaubere, rosarote und gut riechende Schweine im Stall. Sie spielen mit Bällen, die Heiner Korte in ihre
Ställe hängt, tollen ausgelassen herum oder liegen ganz entspannt unterm luftigen Stroh.
Der Stallgeruch erinnert an Saunaduft. Grund dafür ist die Aromatherapie. Täglich werden Duftöle, die
verschiedene Wirkungen haben, mit Hilfe eines Vernebelungsgerätes versprüht: Lavendel
beruhigt die Tiere, Teebaumöl vertreibt Parasiten, Orangenöl fördert die Durchblutung der Haut. Auch
Brottrunk wird in den Ställen zerstäubt, dadurch haben die Tiere weniger Hauterkrankungen. Die
verschiedenen Rezepturen werden inzwischen deutschlandweit an Landwirte verkauft.
_Müsli im Schweinetrog_ Auch das zählt zur Philosophie von Bauer Korte: Die Schweine
bekommen basisches, rein vegetarisches Futter, bestehend aus Kartoffeln, Gerste, Weizen, Erbsen,
Mineralien vermischt mit Brottrunk sowie einem Schuss Heilkräuterextrakt. Es enthält weder Antibiotika,
Wachstumsförderer noch Tiermehl. Zudem verwendet Heiner Korte die Frischkorn-Bräu-Methode der
Hildegard von Bingen,
bei der das frisch gemahlene Getreide noch am gleichen Tag verfüttert wird. Der im Futter enthaltene
Brottrunk wirkt positiv auf die Darmflora der Tiere und steigert ihre Widerstandskraft. Alle wesentlichen
Futterzutaten stammen aus eigenem Anbau. Heiner Korte:
"Im Prinzip ist es das Müsli, das ich morgens auch esse! Wenn man hochwertige Lebensmittel
produzieren will, darf man keine Abfälle verfüttern. Die Futtermittel müssen schon Lebensmittelqualität
haben." Die Kosten fürs Futter sind kaum höher als die bei konventionellen Landwirten, weil an
Medikamenten und Wachstumsförderern gespart wird. Das Fleisch verkauft Familie Korte im eigenen
Hofladen, aber auch verschiedene Metzger arbeiten mit Heiner Korte zusammen und verkaufen es in ihren
Läden.
_Beispiel 3: Kooperation zwischen Industrie und Bauernhof_
Viele Verbraucher fordern mehr Qualität und Transparenz, wenn es um ihre Lebensmittel geht. Um diesen
Ansprüchen eher gerecht werden zu können, arbeiten einige grosse Lebensmittelhersteller mit hiesigen
Landwirten eng zusammen. Die Unternehmen beziehen ihre Rohware beispielsweise von bäuerlichen
Erzeugergemeinschaften, die ihre Tiere umwelt- und artgerecht halten.
_Glückliche Schweine für "Du darfst"_ Auf dem Bauernhof Krämer bei Schwäbisch Hall können die
Schweine das Sonnenlicht geniessen und auf Stroh herumtollen. Auch, wenn es im ersten Moment so
scheint - der Hof ist kein Öko-Betrieb. Die
Tiermast erfolgt im Auftrag der Lebensmittelindustrie. Der Hof gehört zu den rund 300 bäuerlichen Betrieben
der regionalen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall, die für ihr Rind- und
Schweinefleisch den Lebensmittelkonzern Unilever mit seiner Marke "Du darfst" als Abnehmer haben.
Seit März 2003 liegen die "Du darfst"-Wurstprodukte aus dieser
Partnerschaft in den Regalen der Supermärkte. Das liegt nicht nur an der Tierliebe des Konzerns, sondern
hat in erster Linie mit den Ansprüchen der Zielgruppe zu tun. Die besonders gesundheitsbewussten und
überwiegend weiblichen Käufer von "Du darfst" sind äusserst sensibel im Hinblick auf Qualität und
Sicherheit der Lebensmittel.
_Bäuerliche Selbsthilfe_ Die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall wurde 1988 von Rudolf
Bühler als wirtschaftlicher Verein ins Leben gerufen. Das Konzept: Auf der Basis bäuerlicher Selbsthilfe
sollen ökologisch
und sozial verträgliche Produktionsverfahren in der bäuerlichen Landwirtschaft gefördert und ein Markt für
umwelt- und
sozialverträgliche Produkte etabliert werden. Auf diese Weise versucht die Gemeinschaft, die
Einkommenschancen der Mitgliedsbetriebe zu verbessern, um eine intakte bäuerliche und regionale
Struktur zu erhalten. Ebenso engagiert sich die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft erfolgreich für die
Rettung und Sicherung alter Haustierrassen wie dem Schwäbisch-Hällischen
Landschwein und dem Limpurger Rind.
_Strenge Vertragsbedingungen_ Die Bauern halten laut Vertrag mit Unilever ihre Schweine auf Stroh in
hellen, luftigen Ställen mit Auslauf und Aussenplatz. Die Rinder werden auf Weiden gehalten. Es handelt
sich um robuste, regionale Landrassen. Alle Tiere bekommen rein pflanzliches Futter, das überwiegend aus
eigenem Anbau stammt. Zusätze wie Wachstumsförderer oder Antibiotika sind in dem
Qualitätsfleischprogramm verboten. Zudem werden kranke Tiere mit Naturheilverfahren behandelt, oder sie
werden vom Qualitätsfleischprogramm ausgeschlossen. Jeder Landwirt bringt seine Tiere selbst zum
Schlachthof und sorgt somit für einen kurzen und stressarmen Transport zum Schlachthof der Bäuerlichen
Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Produziert wird die Wurst im "Du darfst"-Werk in Ansbach. Dabei
wird der gesamte Bedarf an Rind-
und Schweinefleisch über die Bauerngemeinschaft in Schwäbisch Hall gedeckt.
_Mehr Geld für die Bauern_ Die Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall hat für sich gute Bedingungen
ausgehandelt. Für die Landwirte lohnt sich die Arbeit wieder. Götz Bühler, Sprecher der
Erzeugergemeinschaft: "Die
Bauern bekommen einen garantierten Mehrpreis auf den marktüblichen Preis, und das ist schon ein
Premium, das mindestens die hohen Auflagen abdeckt. Aber es ist auch noch eine zusätzliche
Wertschöpfung. Man sieht auch, dass die Bauern sehr motiviert sind, sie sehen darin eine Zukunft. Es
bietet auch jungen Bauern wieder die Chance, neu einzusteigen, etwas Vernünftiges zu erzeugen. Es ist
eigentlich ein Segen für die Region." _Unterstützung durch Stiftung Euronatur_ Eine Kooperation dieser
Tragweite zu entwickeln ist ein sehr komplexer Vorgang, der Zeit benötigt, um den richtigen Partner zu
finden, der eine langfristige Bindung dieser Art eingehen kann. Die unabhängige Stiftung Euronatur hat
dieses Projekt bis zur Vertragsunterzeichnung unterstützt und begleitet die Kooperation fachlich. Die
Produktlinie "Du darfst" hat in Bezug auf Fleisch mit dieser exklusiven Partnerschaft eine Vorreiterrolle
innerhalb der Lebensmittelindustrie eingenommen. Die Kooperation zwischen Industrie, regionaler
Erzeugergemeinschaft und international tätiger, unabhängiger Umweltorganisation ist in dieser Dimension
die erste gewesen.
Eine Übersicht zu allen Beiträgen unserer Themenwoche unter:
http://www.wdr.de/tv/service/tierschutz.phtml
"Tierschutz" Themenwoche "Tierschutz" _Links_
* http://www.bauer-korte.de/
Die Anschriften der Metzgereien und Feinkostgeschäfte, die das Fleisch von Kortes Hof im Angebot haben,
finden Sie auf der Internetseite von Bauer Korte.
* http://www.besh.de/
Homepage der Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall _Beiträge der Servicezeit: Essen &
Trinken zum Thema_
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20060526/b_5.phtml
Essen & Trinken aktuell: Das Westfalen Culinarium
(Servicezeit: Essen & Trinken vom 26. Mai 2006)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20040426/b_5.phtml
Schnitzelreport: Der wahre Preis eines Schnitzels
(Servicezeit: Kostprobe vom 26. April 2004)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20020617/b_4.phtml
Weidemastochsen: Natürliches Futter - gutes Fleisch
(Servicezeit: Kostprobe vom 17. Juni 2002)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20050131/b_5.phtml
Mozzarella und Fleisch von deutschen Wasserbüffeln (Servicezeit: Kostprobe vom 31. Januar 2005)