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Nudeln schlürfen..



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Zutaten

  • Nudel
  • REF

  • - Rubrik von Michäl Merz
  • - Meyer's 28/2000
  • - Sala Ruch
  • - Verm. von Rene Gagnaux
  • Wenn es in Nippon Sommer wird, sind besondere Köstlichkeiten gefragt, um den hitzegeplagten Japanern Appetit zu machen.

    "Alle Japaner schlürfen Nudeln so laut und genüsslich wie möglich. Tun sie es nicht, denkt der Gastgeber, das Essen schmecke nicht. Eine wichtige Regel." Sala Ruch weiss, wovon sie spricht. Japaner mögen noch so wohlerzogen und diszipliniert sein, beim Nudelverzehr gelten andere Gesetze. Die sind so wichtig, dass sie bereits Kindern beigebracht werden. Wenn Mütter ihren Babys die Nudeln mit den Stäbchen zum Mund führen, machen sie ihnen laut vor, wie sie zu geniessen sind. "Tsuru, tsuru, tsuru", so klingt es, wenn Japaner Nudeln mit Lust einsaugen und schlürfen.

    Woher diese Essregel stammt, ist unklar. "Heisse Nudeln werden auf diese Weise kühler und damit geniessbar", sagt die Doyenne der asiatischen Küchenliteratur, Charmaine Solomon, und übersieht, dass auch kalte Nudeln geschlürft werden müssen. "Nudeln sind ursprünglich ein Bauerngericht", und bei Bauern gehört Schlürfen offenbar zum sozialen Status. Als die Elite Japans die Nudeln in ihre Küche aufgenommen habe, hätte sie die dazugehörenden Schmatzgeräusche übernommen.

    Sala Ruch fügt dieser Theorie eine eigene hinzu: "Nudeln sind lang. je mehr sie und ihr Saucenbelag beim Einsaugen mit Luft vermischt werden, desto besser schmecken sie!". Jeder erfahrene Weinschmecker kann das bestätigen. Deshalb "belüftet" er bei Degustationen jeden Schluck. Dazu Sala Ruch: "Versuchen Sie es selbst. Kurze Nudeln lassen sich nicht schlürfen. Sie haben deshalb kaum Geschmack!" China soll die Nudeln erfunden haben. Italien hat ihnen neue Formen gegeben und ihnen zu breiter kulinarischer Vielfalt verholfen. Die "hohe Nudelkunst" jedoch hat Japan beigesteuert. Aus Nordjapan kommen Buchweizennudeln, Soba genannt. Es gibt sie nicht nur fast dunkelbraun und süss, sondern auch eierschalenfarben bis hin zu off-white. Dann wird nur das helle Mehl des innersten Buchweizenkorns für den Teig verwendet. Soba-Nudeln werden auch grün eingefärbt, die Farbe gibt der beigemischte Grüntee. Randensaft färbt sie purpurrot, Perlgrau entsteht durch den Zusatz von fein gemahlenen schwarzen Sesamkörnern.

    Udon nennt sich eine Nudel aus reinem Weizenmehl. Es gibt sie in jeder Länge und fast jeder Dicke, rund wie rechteckig oder flach geformt. Die allerfeinste und eleganteste ist jedoch die Somen-Nudel aus reinem Weizenmehl. Als Gradmesser ihrer Qualität gilt: je weisser die Farbe und dünner der Durchmesser, desto besser schmeckt sie. "Die allerbesten stammen aus dem Shogu- Distrikt. Sie werden mit dem Wasser des Ibo-Flusses gemacht. Deshalb heissen sie auch Ibo-no Ito", weiss Sala. Damit sie jedoch wirklich aussergewöhnlich gut geraten, dürfen diese allerfeinsten Nudeln bloss im Winter hergestellt werden. Sie können nur bei sehr kaltem Wetter luftgetrocknet werden, ohne dass ihr zartes Aroma von frisch gemahlenem Weizen sich verändert. Kein weiterer Zusatz, auch nicht jener von Ei, darf ihre Struktur und ihren Geschmack verfälschen. Dazu Sala Ruch: "Selbst wer sonst nie was bemerkt, spürt den Unterschied beim Essen!" Aussergewöhnlich ist, dass Japaner auch eisgekühlte Nudelgerichte geschaffen haben. Nicht erstaunlich ist das allerdings für alle, die einen japanischen Sommer erlebt haben. Die Luft ist so stickig-feuchtheiss, dass niemand wirklich Lust auf eine Mahlzeit hat. "Wir Japaner sagen stets: Der Sommer macht den Körper schwach. Man muss alles tun, um den Appetit anzuregen." Nippons Köche haben nicht nur Salate, kalte Suppen, Sushi und Sashimi für heisse Tage erfunden, sondern auch Ryo fü Somen. Diese Nudeln sind richtig "sappari". Damit umschreiben Japaner appetitliche sommerlich-leichte Gerichte, die einem auch an heissen Tagen das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen. Sie werden von Eiswürfeln umschaukelt in kühlem Wasser aufgetragen. Manchmal sind sie mit Fisch belegt. Oder in Reisteig ausgebackenes Gemüse liegt darauf. Auch gebratenes oder pochiertes Geflügel passt wunderbar. Ganz überraschend und gut schmecken dazu Japans Sommerfrüchte, ausgelöste Orangenschnitze aus dem tropischen Süden oder etwa dunkle Kirschen, direkt vom Baum. Hauptsache, es ist "sappari". Leicht und appetitlich. "Damit man", wie Sala sagt, "selbst wenn man viel davon isst, immer noch gut schläft."

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    Aufbau, Info, Japan, Nudel

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