_Vom Sinn des Umfüllens_ Es gibt zwei Gründe, Wein aus der Flasche in ein anderes Gefäss
umzufüllen. Der erste ist unstrittig. Bei alten (Rot-)Weinen setzt
sich oft ein "schlammiger" Belag ab: das Depot. Die Mischung aus
Weinstein und ausgefallenen Gerb- und Farbstoffen ist feinkörnig und
kommt beim Ausschenken leicht ins Glas. Niemand will das. Da hilft es eben, die Flasche vorsichtig zu
transportieren und schräg zu öffnen und den Wein dann in eine Karaffe umzufüllen. Möglichst vorsichtig und
vor einer Lichtquelle (Kerze), damit man sieht, wann sich das Depot löst bzw. wann der Wein nicht mehr
klar ist. Der Rest bleibt dann in der Flasche. Damit kann man immer noch kochen. Der zweite Grund für
das Dekantieren ist umstritten: demnach soll der Wein
"lüften" wenn er in eine Karaffe kommt. Der intensive Kontakt mit Luftsauerstoff ist dann das Ziel. Gerade
junge Weine profitierten davon, heisst es. Eine Art "Schnell-Reife" vor dem Trinken könne sie
gefälliger, weniger hart und eckig wirken lassen. Dafür gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Eine
Studie in den USA hat keine erkennbaren Veränderungen im Wein nach dem Dekantieren gezeigt.
Allerdings... in solchen Studien werden die komplexen Vorgänge in einem Produkt, das mehr als 800
Inhaltsstoffe hat, nur unvollkommen erfasst. Meine Erfahrung ist: der Kontakt mit Luft in einer Karaffe
verändert Weine spürbar! Und meistens zu ihrem Vorteil. Bei jungen Weinen beobachte ich immer wieder
den Effekt, dass sie runder und weicher werden. Deshalb sollte man sie durchaus auch Stunden vorher in
eine Karaffe geben, die eine möglichst grosse Oberfläche bietet.
Dabei darf es ruhig Plätschern! _Übrigens profitieren nicht nur Rotweine_ Gerade die etwas "scharf"
riechenden und schmeckenden Weissen aus kalter Vergärung werden durch Umfüllen schöner. In seltenen
Fällen schadet die Luft allerdings auch: dann wirken die Weine
ausgezehrt und leer. Diese Gefahr besteht grundsätzlich auch bei alten Weinen. Die sind in der Reifung
schon weit und vertragen langes Lüften nicht mehr. Wenn man die des Depots wegen umgiesst, dann
sollte man sie gleich danach trinken.
_Was für eine Karaffe sollte man besitzen?_ Die Glasindustrie hat den Karaffen-Boom willig
aufgenommen. Es gibt
immer mehr Modelle mit immer exotischeren Formen und für spezielle Anlässe und Bedürfnisse. Im
Grunde genügt es aber, eine "Lüfter-Karaffe" mit einem sehr breiten Unterteil zu haben und eine
zweite, schlanke, möglicherweise schräge, um alte Weine zu präsentieren.
_Nützliches Zubehör_ Eine Karaffenbürste hilft Ihnen, die bauchige Glasform sauber zu halten. Alternativ
können sie aber auch ungekochten Reis einfüllen, Wasser dazu und heftig schütteln. Der Reis wirkt wie
eine Scheuerbürste. Wenn Sie am Ende mit destilliertem Wasser (auch aus dem Wäsche-Trockner)
nachschwenken, dann gibt es garantiert keine
Wasserflecken! Auch ein Karaffenständer (auf den man die Karaffe kopfüber draufhängt) kann sie vermeiden
helfen. Ein Einfülltrichter kann, muss aber nicht sein.