Für
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Rezept
Das melodische Pick-wer-wick, der nächtliche Schlag des Wachtelhahns,
ist bei uns kaum noch zu hören. Es sei denn, Sie lauschen der Pastorale, Beethovens sechster Sinfonie.
Gegen Ende des zweiten Satzes ertönt nach der Nachtigall (Flöte) der Ruf der Wachtel, von der Obö
gespielt. Die wilde Wachtel ist verschwunden, auch von unserer Tafel. In Volieren gezüchtet und gemästet,
ist die Wachtel allerdings ganzjährig auf dem Markt. Ob sie früher mehr Wildgeschmack hatte? Heute sind
Wachteln ein wohlschmeckendes, zartes Geflügel, das gut am Spieß zu braten ist, mit feinem
Schinkenspeck, Rosmarin und Lorbeer.
Die ersten Wachteln in einer Tapas-Bar in Spanien, mit Sherry und
Rosinen gebraten. Das ging so: Wachteln ausnehmen, Herzen und Lebern
beiseite legen. Innen und außen salzen und pfeffern. Eine Wacholderbeere, ein Lorbeerblatt und ein
Viertelchen Knoblauchzehe in den Bauch stecken. In Olivenöl rundum anbraten, eine Scheibe gehackten
Serrano-Schinken, die Herzen und Lebern mit anbraten, mit
einem Glas Geflügelbrühe und Medium-Sherry ablöschen. Zwei Löffel
Rosinen, in Brandy eingeweicht, dazugeben und für eine Viertelstunde in den 180 Grad heißen Ofen
schieben. Die Wachteln mit dem Bratfond und Weißbrot servieren. Mit einem Glas Manzanilla ist eine
Wachtel eine Tapa. Drei Wachteln sind eine Mahlzeit.
Ein persischer Bekannter servierte vor Jahren, noch im Studentenheim, Wachteln auf ungewöhnliche Art.
Die Wachtel wie üblich vorbereiten, salzen, pfeffern. Etwas Zimt in den Bauch und mit kleingeschnittenen
ungeschwefelten Trockenaprikosen füllen, vermischt mit gehackten Pistazien und Walnußkernen. In Öl
rundum anbraten, mit 2 dl Geflügelbrühe und dem Saft von 3 frischen Granatäpfeln ablöschen.
(Die Granatäpfel in der Schale kräftig kneten, dann ein Loch hineinschneiden, der Saft läuft ohne Gespritze
sauber ab.) Die Vögel für 15 bis 20 Minuten in den auf 180 Grad vorgeheizten Ofen schieben.
Den Bratfond loskochen, durch ein Sieb geben, entfetten und eine Handvoll reife Granatapfelkerne in die
Sauce rühren. Dazu gab es einen Pilaw. Langkornreis in einem Sieb waschen, bis das ablaufende Wasser
klar ist. Öl in einem Topf erhitzen, eine feingeschnittene Zwiebel und drei aufgedrückte Kardamomkapseln
zufügen. Den gewaschenen Reis dazugeben und mit heißer Geflügelbrühe, in der ein paar Safranfäden
eingeweicht sind, auffüllen. Die Flüssigkeit soll knapp zwei Finger breit über dem Reis stehen. Aufkochen,
Deckel drauf und bei kleinster Hitze ausquellen lassen. Dieser würzige Pilaw ergänzt wunderbar die
süßliche Füllung und die fruchtigsäürliche Sauce. Verwenden Sie unbedingt frische Granatäpfel. Der fertige
Grenadine-Saft ist zu stark gesüßt.
Tips aus der hohlen Hand Sollten Sie sich an den wundervollen Film "Babettes Fest" erinnern, dann
bestimmt auch an die "Cailles aux sarcophages". Mit diesem Gericht entzückte die Exköchin des Café de
Paris die bigotten Jütländer. Wie in Chabrols Film war die Wachtel ein Paradegericht der klassischen
Küche des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. So führt das Lexikon der Küche, der "Hering", noch
mehr als sechzig Zubereitungen auf.
Die Wachtel, Coturnix Coturnix, ist der einzige Zugvogel unter den Hühnervögeln. Er kommt erst Anfang
Mai nach Europa zurück, um zu brüten. Die gelblichen Eier sind schwarzbraun gefleckt. Die Jungen sind
nach zwanzig Tagen flügge. Ende August zogen sie einst in riesigen Schwärmen nach Nordafrika und
Vorderasien. Die Bibel berichtet von solchen Schwärmen auf Sinai. Um die Jahrhundertwende sollen in
Wien, aber auch in Berlin noch hunderttausend Wachteln auf die Märkte gekommen sein. Die Millionen von
Zuchtwachteln, die heute unsere Töpfe füllen, sind Nachkommen der japanischen Wachtel, die in Fernost
vordem als Hausmusikanten gehalten wurden. Heute dienen sie als Fleisch- und Eierlieferanten, sind sie
doch nach dreißig Tagen
ausgewachsen und legen alle sechzehn Stunden ein Ei, zwölf Monate lang. - Der Granatapfel, Punicum
granatum, aus Persien kommend und
von den Pöniziern rund ums Mittelmeer verbreitet, ist seit grauer Vorzeit Fruchtbarkeitssymbol. War der
Apfel vom Baum der Erkenntnis also ein Granatapfel?