Bitterorangen aus der Karibik sowie Cognac prägen den süsslich-bitteren Likör. Die markante Flasche wie
ihr Inhalt sind
seit 1880 unverändert.
Genaugenommen sind die Deutschen schuld, dass es Grand Marnier überhaupt gibt und dass dieser
weltweiten Ruhm erlangte. Während des deutsch- französischen Krieges (1870-71) zog sich die
Schnapsbrennerfamilie Lapostolle aus Neauphle le Chateau bei Paris vorsichtshalber in die Charante im
Westen des Landes zurück. Dort, im Herzen der Cognac-Region, entdeckte Louis-Alexandre Marnier, der
in die Familie eingeheiratet hatte, dass der edle Schnaps der neuen Heimat besonders gut mit dem Aroma
von Bitterorangen harmoniert.
Aus Cognac und Orangen destillierte er einen Brand, versetzte ihn mit Zuckersirup und gab ihm den
Familiennamen Marnier. Selbstbewusst setzte der findige Louis-Alexandre ein "Grand" davor. Da zum Ende
des
letzten Jahrhunderts tout Paris eine Vorliebe für süsse Aromen entwickelt hatte, wurde Grand Marnier
Cordon Rouge zum Modedrink in den Salons der französischen Hauptstadt. Der Erfolg hielt an, deshalb
wurden Originalrezeptur und Herstellung bis heute nicht verändert.
Die Bitterorangen stammen überwiegend aus Haiti. Von ihren Schalen benötigt die Societe Marnier-
Lapostolle ungefähr 1200 Tonnen für
eine Jahresproduktion. Nach Gärung und Destillation von neutralem Alkohol mit Orangenschalen entsteht
ein Brand von rund 80 Volumenprozent Alkohol. Das Zitrusaroma gibt dem Likör seine charakteristische
Geschmacksnote.
Der zweite Bestandteil, der Cognac aus der Familieneigenen Brennerei in Chateau-de-Bourg, gibt dem
Grand Marnier Körper und Noblesse. In
kleinen Eichenfässern reifen im Keller des alten Schlosses die Brände heran, teils aus den Trauben der
hauseigenen Weinberge, im Zentrum der Region destilliert, teils aus hinzugekauften. Die Assemblage
(Verschnitt) der Cognacs für den Grand Marnier Cordon Rouge besteht aus verschiedenen Jahrgängen, von
ganz jungen bis zu zwölf Jahre alten Bränden.
Und so wird der Likör hergestellt: Orangendestillat, es wird bei
Marnier-Lapostolle "Parfum Haiti" genannt, und Cognac werden
vermischt, mit flüssigem Karamel angereichert und zur Stabilisierung auf 35 Grad erwärmt. Nachdem die
so vermählten Destillate gekühlt und gefiltert sind, reift der Cordon Rouge noch acht Monate im Holzfass,
bis er - auf vierzig Volumenprozent Alkohol gebracht - in
die Flasche gefüllt wird. Deren Form ist wie ihr Inhalt seit 1880 unverändert.
Erfolg macht erfinderisch. So wurde die Produktepalette des Hauses durch den Grand Marnier Cordon
Jaune erweitert, der auf der Basis von Branntwein und nicht von Cognac hergestellt wird. Sehr alter Cognac
hingegen bildet die Grundlage der Grandes Cuvees. Die Grande Passion wird aus Armagnac und
Passionsfrüchten hergestellt, während der Cherry Marnier auf Kirschbasis erzeugt wird. Der Grand Marnier
Cream ist ein beliebter Sahnelikör.
Die heute noch in Familienbesitz befindliche Gesellschaft Marnier Lapostolle beschäftigt sich neben der
reinen Produktion auch mit modernen Anwendungsformen ihrer Liköre. In Zusammenarbeit mit
Meisterköchen werden Einsatzmöglichkeiten in der Küche, bei der Zubereitung von Speisen und Desserts
aufgezeigt - man will damit auch
kommunizieren, dass Grand Marnier mehr ist als ein Flammenspender für Crepes. Barkeeper schätzen
den Cordon Rouge als Basis für zahlreiche Cocktails. Die edlen Grandes Cuvees, die sich preislich in der
Kategorie der teuersten Whiskys bewegen, eignen sich hervorragend als feiner Digestif zum Abschluss
eines grossen Menüs - nur als
Aperitif sollte man ihn besser nicht reichen: Nach dem Genuss des
süsslich-bitteren Likörs würde nämlich jeder folgende Wein schal
schmecken.