Dom Perignon wäre heute wohl leicht verwirrt. Denn der Name des Abts, der ab 1668 die Kellereien der
Benediktinerabtei Hautvillers in der Champagne führte und dabei das Verfahren zur Schaumwein-
Herstellung entdeckte, ziert heuer jährlich rund drei
Millionen Prestige-Flaschen des Champagner- Hauses Möt et Chandon,
das zum grössten Luxuskonzern Frankreichs gehört. Die Grossen bestimmen die zurzeit hohen
Traubenpreise und müssen nicht um Umsätze bangen. Im Gegensatz zu den kleineren Traditionshäusern
der Champagne haben die Nachfahren des Benediktinermönchs keine Mühe, das Jahr 2000 zu erleben. Sie
sind sogar jetzt schon bestens gerüstet für den Jahrtausendwechsel: Mit einer begrenzten Anzahl
von 1993 Jeroboam-Flaschen (4,5 Liter Inhalt) Cuvee Dom Perignon
Millesime 1993. Zum stolzen Subskriptions-Preis von 12 500 Francs
(3125 Franken) stehen dem Schweizer Markt 65 Flaschen zur Verfügung.
Doch wer perlende Getränke liebt, kommt auch mit weniger Geld auf seine Rechnung. Vor allem in Italien
und Spanien wird mittlerweile qualitativ hochstehender Schaumwein produziert. Und das wird von den
Konsumenten honoriert. Wurden 1990 noch 1457 Hektoliter Schaumwein aus Spanien in die Schweiz
importiert, so waren es 1996 bereits 1783 Hektoliter. Und auch die Italiener (1990: 446, 1996: 817
Hektoliter)
sind gegenüber den Franzosen (1990: 6576, 1996: 5583 Hektoliter) im
Vormarsch.
Und dieser Trend wird sich nach Ansicht des Thuner Weinhändlers Kaspar Weibel fortsetzen. Weibel ist
Importeur feiner Tropfen aus Italien, beispielsweise des relativ günstigen, trockenen Prosecco di Conegliano
aus dem Ursprungsgebiet in Venetien sowie des doppelt so teuren lombardischen Franciacorta Metodo
Classico "Ca del Bosco".
Für ihn ist absehbar, dass der Prosecco-Konsum in der Schweiz dieses
Jahr um mindestens 25 Prozent gesteigert wird: "Prosecco von guter
Qualität ist zu Preisen um die 15 Franken bestens absetzbar." Absolut auf Erfolgskurs bei uns ist auch
der spanische Schaumwein Cava, vor allem der Spitzenreiter Freixenet. Doch auch eher unbekannte
Spitzen-Cavas von Raventos i Blanc, wie sie Frank Ebinger
in seinem Zuercher Haus des Weins anbietet, verzeichnen eine mindestens 20 prozentige Zuwachsrate: In
einigen In-Lokalen springen
die Wirte über ihren eigenen Schatten und bieten anstelle eines mittelprächtigen Glases Champagner für
13 Franken ein Cüpli Qualitäts-Cava für 8 oder 9 Franken an. Das sind im Vergleich mit
Spanien immer noch ziemlich hohe Preise. Doch das hängt mit dem Ansatz des Schweizer Zolls
zusammen, der für alle Schaumweine - egal
ob günstiger Sekt oder teurer Champagner - gleich hoch ist.
Die Schweizer sind also Neuem gegenüber aufgeschlossen. Aber bei ganz speziellen Anlässen - und wenn
man es vermag - ist Champagner nach
wie vor angesagt: Weltweit wurden 1996 erstmals über 250 Millionen
Flaschen Champagner abgesetzt, und die Schweizer und Schweizerinnen sind trotz leichtem Rückgang
immer noch die viertgrössten Champagner-Konsumenten.
Wenn Philipp Schwander, Master of Wine und Champagner-Fachmann des
Weinhauses Martel in St.Gallen, von der deutlich besseren Qualität des Champagners gegenüber andern
Schaumweinen redet, dann meint er die besten Cuvees. "Da können selbst die besten kalifornischen und
australischen Sparkling Wines nicht mithalten. In Blinddegustationen unter Fachleuten haben gewöhnliche
Schaumweine im Vergleich keine Chance, vor allem gegenüber Vintage-Champagner aus den besten
Trauben." Dazu muss gesag sein, dass der Kreideboden der Champagne eine relativ kleine
Gesamtrebfläche von 30 000 Hektaren aufweist, die in Qualitätslagen eingeteilt und einer ausgeklügelten
Marktordnung unterworfen ist. Jeder Gemeinde ist eine bestimmte Bewertung zwischen 100 und 80
Prozent zuerkannt: 17 Gemeindenliefern die höchste
Qualität und dürfen ihre Produkte als Grands Crus (100 Prozent) bezeichnen, die zweite Stufe (90 Prozent)
heisst Premier Cru, rund 140 Orte (Appellationen) dürfen ihren Champagner als solchen verkaufen. Mit 80
Prozent als schwach bewertete Qualität findet man nur wenige Gemeinden.
Und die Abstufung ist auch nicht absolut. Die britische Weinfachfrau Serena Sutcliffe hat für ihr Buch
"Grosse Champagner" (Hallwag-Verlag) im Marne-Tal recherchiert. Sie schreibt:
"Natürlich bleibt der Stand nicht so - Land wird ständig gekauft,
verkauft oder getauscht. Zudem verbergen sich hinter dem Begriff Besitz etwa auch verpachtete Weinberge,
die von Winzern der Gegend bewirtschaftet werden. Sogar langfristige Lieferverträge mit kleineren Winzern
werden oft so behandelt, als sei ein Besitzrecht damit verbunden. Zudem sind nicht alle
Champagnerhäuser uneingeschränkt auskunftsbereit. Die einen geben peinlich exakte Daten bekannt,
andere drücken sich höchst vage aus. Interessant ist auch, dass manche Häuser überhaupt keine eigenen
Weinberge haben, sondern ihren Bedarf ausschliesslich auf dem offenen Markt decken." Mit andern
Worten: Je mehr man über die Herstellung einer bestimmten
Marke weiss, desto besser kann man beurteilen, ob das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.