Astringierend, rezent, stahlig und firn... es kann einem schon schummrig werden, wenn sich so richtig
eingefleischt Wein-Fachleute
unterhalten. Das Gegenbild: da steht ein Winzer vor versammelter
Käuferschar und fabuliert von "feiner Art, sortentypischen Bukett, elegant und fruchtig". Ah ja, danke...
Über Geschmack lässt sich bekanntlich lange streiten - oder auch gar
nicht. Trotzdem tun wir's doch alle immer wieder gerne. Der schönste Wein macht doppelt Spass, wenn
man ihn mit Freunden teilen kann -
auch als Thema. Und da genügt es auf Dauer nicht, einfach nur festzustellen: der schmeckt mir, oder eben
nicht...
_Die klassische Weinansprache_ Schon in der altgriechischen Literatur hat man mehr als 100 Begriffe
gefunden, die eigens zur Weinbeschreibung genutzt wurden. Die Wein-Wissenschaftler haben seit dem 18.
Jahrhundert daran angeknüpft
und heute sind an die 1000 Vokabeln daraus geworden. Das ganze soll eine geregelte Verständigung über
Weine erlaubt. So etwa wie der Leitfaden zum Verfassen von Arbeitszeugnissen. Geheimnisvoll, aber für
Personalchefs so klar wie Schulnoten.
Das funktioniert nur, wenn man den Wein sozusagen "zerlegt". Wenn man jede seiner Eigenschaft einzeln
bewertet. (optische Klarheit, Konsistenz, Farbe, Geruchs-Reinheit, -Intensität und - Richtung,
Süsse- und Säuregrad, Alkohol- und Gerbstoffgehalt, der Körper und
der Abgang). Für jeden Aspekt gibt es einen Wortschatz. Die Säure als Beispiel: (von schwach nach stark)
schal, matt, frisch, rassig,
nervig, stahlig, spitz, bissig, unreif. Nur von frisch bis stahlig kann das - je nach Wein - ein Lob sein. Der
Vorteil dieser Methode:
sie ist ziemlich leicht für mehrere Menschen nachvollziehbar - also
intersubjektiv. Bei Weintests werden den einzelnen Aspekten dann noch Punkte zugeordnet und man kann
das Ergebnis mathematisch genau fassen. Der Nachteil: wer kann sich diese Vielfalt schon merken? Tipp
für Einsteiger: es hilft wirklich, einen Wein mal Eigenschaft für
Eigenschaft durchzugehen, weil man dann besser versteht, warum er einem schmeckt oder nicht. Dafür
kann auf die feinen Abstufungen verzichten und schlicht feststellen: der ist mir zu hell in der
Farbe, zu wässrig, zu sauer etc.
_Die neue Freiheit_ Heute werden Weine sehr viel freier beschrieben. Im günstigsten Fall erschliesst sich
damit auch einem Laien der Charakter eines Weines. Im ungünstigsten ist er nachher so schlau wie vorher:
"spritziger,
eleganter Geschmack, der trotz seiner Leichtigkeit kräftig gebaut ist" oder "dichter, wohliger Geruch, der im
mächtigen Anklang seine Fortsetzung findet". Tja, ja...
Diese Art der Weinansprache vergleicht sehr stark mit Alltags-Erfahrungen. Und darin liegt durchaus die
Chance, mehr
Menschen etwas über Wein mitzuteilen. Dass ein Rotwein im Mund "pelzig" ist, das dürfte für den
Normalmenschen einfacher zu begreifen sein als das Wort "astringierend". Ein Wein, "der die
Geschmacksknospen fast erschlägt", das ist vielleicht eine deutlichere Sprache als "körperreich,
ausgeprägt und muskulös".
_Hilfe, mir fehlen die Worte_ Es ist gar nicht so einfach, zu sagen, was man z.B. in einem Wein riecht.
Wissenschaftler erklären das so: Die Fähigkeit Gerüche
wahrzunehmen hat sich sehr früh in der Evolution entwickelt und ist daher in einem alten Teil unseres
Gehirns, dem Stammhirn beheimatet.
Demgegenüber entwickelte sich unser Sprachvermögen sehr spät und wird von dem jüngsten Teil des
Gehirns, der Grosshirnrinde gesteuert. Aus diesem Grund gibt es wenig Verbindungen zwischen dem
Geruchs- und Sprachzentrum. So fällt es uns Menschen schwer, das was
wir riechen mit Wörtern treffend zu beschreiben.
Weil wir also leicht "sprachlos" sind wenn es um Aromen geht, haben Weinfachleute das Aromarad
erfunden. Das hilft, wenn man riecht und findet: "klar, der riecht nach....ich weiss genau, irgendwie fruchig,
eher so exotisch..." Auf dem Aromarad sind die Aromen nämlich unterteilt in Gruppen. z.B: "fruchtig" und
darunter sind dann sieben
Untergruppen. z.B. "exotisch". Und da findet sie sich dann - unter
anderen Früchten, die gesuchte Ananas.
Diese Suchstruktur auf dem Aromarad ist sehr hilfreich. Das Aromarad ist im Doppelpack, jeweils eines für
Rot- und Weissweine, auch gegen
eine kleine Schutzgebühr beim Deutschen Weininstitut, Postfach 1660 , 55006 Mainz zu beziehen.