20 Jahre sind vergangen, aber ich denke, das "Wesentliche" in der Beschreibung der Weine dürfte auch
heute noch Bestand haben.
Schade, dass die meisten Weintrinker nur so wenig vom ungarischen Wein wissen: "Tokayer", "Erlaür
Stierblut" und vielleicht noch "Kadarka"
~mehr Namen verbindet bei uns kaum jemand mit dem Weinland Ungarn.
Und das ist nur ein ganz bescheidener Teil - vielleicht noch nicht
einmal der interessanteste und edelste -aus der Fülle des
ungarischen Weinangebotes, das hier noch unbekannt ist. Schuld an dieser Informationslücke war nicht
zuletzt die grosspolitische Wetterlage, die einem ausgedehnten Weinhandel zwischen Ost und West bis in
jüngster Zeit nicht gerade günstig gewesen ist. Vor allem Originalabfüllungen ungarischer Qualitätsweine
gibt es bislang nur in sehr wenigen Geschäften. Ein weiteres kommt hinzu: Das neue
Weingesetz mit seinen Deklarierungsvorschriften ist dem Kennenlernen ausländischer Weine nicht sehr
förderlich. Seit 1971 dürfen importierte Weine nur noch mit dem im Erzeugerland verwendeten
Originaletikett bei uns verkauft werden. Die einzige Ausnahme machen Weine älterer Jahrgänge, sie dürfen
wie vor 1971 auf ihrem Etikett auch deutschsprachige Erklärungen haben, wie z.B. die hier vorgeführten
1969er Rot-Weine. Die Etikette der jüngeren Ungarweine
sind ausschliesslich ungarisch beschriftet. Kein Wunder, dass hierzulande kaum jemand damit etwas
anfangen kann und deshalb auch gar nicht erst den Versuch macht, die so reichhaltige Skala dieser Weine
kennenzulernen. Die repräsentative Weinprobe im Sonderangebot dieses Monats soll Sie deshalb mit
einigen der vortrefflichsten, hier noch nicht bekannten Rot- und Weissweine aus den wichtigsten
ungarischen Anbaugebieten bekannt machen.
Um ein allgemeines Urteil vorwegzunehmen: Viele dieser Weine sind
ausgesprochene Tischweine. Sie brauchen ein kräftig gewürztes, aromatisches - eben ein ungarisches -
Essen, um sich in ihrer
prächtigen Fülle und oft auch ihrem ganzen Feuer entfalten zu können. Es sind verführerische Weine, oft
wunderbar weich und harmonisch. Besonders die 73er Weissweine vom Nordufer des Plattensees
(Balaton) besitzen eine bestechende Eleganz und Reintönigkeit, die hier vorgestellten Roten zeichnen sich
durch ihre vollendete Reife und ihren Fruchtgeschmack aus.
1969er VilI nyi Burgnudi. Den Auftakt der ungarischen Weinprobe bilden zwei Rote, der erste stammt aus
dem südungarischen Vill ny-Gebiet, das internationalen Ruf für seine exquisiten
Rotweine geniesst. Es ist ein Tropfen aus der Sorte Spätburgunder mit lebhafter, dunkler Tönung,
ausgeprägtem Bukett und einem samtigen, abgerundeten Geschmack, der seinen besonderen Charakter
vor allem dem Mittelmeerklima verdankt. Dieser trockene, körperreiche Tropfen (5,4 g/l Gesamtsäure, 12
Grad Alkohol) ist ein hervorragender Begleiter zu dunklem, kräftig gewürztem Fleisch, Wild und Geflügel.
1969er Soproni K#kfrankos. Der zweite Rotwein wurde aus der Rebsorte Blaufränkischer gekeltert, einer
Rebsorte, die rassige, "männliche" Weine von angenehmer Herbe ergibt. Der Wein stammt aus dem
Anbaugebiet um Sopron (Ödenburg) an den östlichen Ausläufern der Alpen, wo man schon seit dem
Mittelalter Reben anpflanzt. Er besitzt praktisch keine Restsüsse, seine Gesamtsäure beträgt 5,75 g/l, der
Alkoholgehalt liegt bei 12 Grad. Schon jetzt ist er ein hervorragend abgelagerter Tropfen, er wird aber auch
die nächsten Jahre in bester Verfassung überstehen.
1973er Badacsonyi K#knyelü. Die Spitzenweine vom Plattensee, und hier vor allem vom Vulkankegel
Badacsony, zählen zu dem Edelsten, was das Weinland Ungarn zu bieten hat. Zu den ältesten und
wertvollsten der hier angebauten Rebsorten zählt der K#knyelü, der Blaustängler, der seinen Namen wegen
der bläulichen Färbung der Blattstiele erhalten hat. Seine Trauben sind zwar mengenmässig nicht
besonders ergiebig, erbringen aber besonders edle Weine. Der hier vorgestellte Weisse ist ein völlig
durchgegorener "Trockener" mit einer eleganten Säure (6,4 g/l) und einem hohen Extrakt- und
Alkoholgehalt (12,79 Grad). Er passt gut zu kräftigen, fetten Speisen, ist aber auch "Solo" ein Genuss.
1973er Debröi H rslevelü. In Ungarns nördlichstem Weinbaugebiet Eger werden neben dem "Erlaür
Stierblut" zwei besondere Weisse erzeugt, einer aus der Rebsorte Erlaür Mädchentraube und der andere
aus der Rebsorte Lindenblättriger; er soll hier vorgestellt werden.
Er wächst im Bezirk Debrö an den Hängen des M tra-Gebirges. Es ist
ein halbsüsser, aber würziger Wein (22,8 g/l Restsüsse), bei dem Süsse, Säure (6,4 g/l) und Alkoholgehalt
(12,5 Grad) eine vollendete Harmonie bilden. Er schmeckt bei Tisch zu fast allen Speisen, zu Fleisch,
Käse, aber auch zu süssen Desserts.
l973er AkaIi Muskotaly. Zu Süssspeisen, aber auch als festliches Getränk für eine Dämmerstunde passt
dieser bukettreiche Muskat-Ottonel, der aus dem Plattenseegebiet stammt. Mit seinem
natürlichen Zuckergehalt von 20 g/l und seiner Gesamtsäure von 6 g/l gehört er zu den vollmundigen,
hochfeinen Spezialitäten Ungarns. Allerdings aufgepasst: Er hat einen recht beachtlichen
Alkoholgehalt von immerhin 13 Grad.
1973 Badacsonyi Szuerkebar t. Dieser Wein aus der Rebsorte Graumönch ist zweifellos der Höhepunkt
dieser ungarischen Weinprobe. Auch er ist am Plattensee gewachsen, auf dessen Basaltböden er
geradezu die idealen Wachstumsbedingungen vorfindet. Neben dem Tokayer darf man ihn wohl als den
ungarischen Wein par excellence bezeichnen. Unter den feurigen, schweren Weinen nimmt er mit seinen
13 Grad Alkohol eine Spitzenstellung ein, seine Süsse (22 g/l) bleibt unaufdringlich, sie überdeckt nicht
sein unnachahmliches Aroma, das ihn zu einem wahren Genuss für Kenner macht. Heinz-Gert Woschek