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Wie gesund ist scharf? (Info)



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  • von Georg Lembeck
  • MMMMM------------------------QUELLE-------------------------------
  • - Servicezeit: Essen &
  • - Trinken - Kostprobe,
  • - WDR 07.09.2007
  • - Erfasst von Christina Phil
  • Es gibt Menschen, die mögen das schmerzhafte Brennen, das scharfe Speisen im Mundraum verursachen, sie sind regelrecht süchtig danach. Anderen verursacht der blosse Gedanke an die Chili- scharfen Gerichte schon ein böses Magengrummeln. Schärfe treibt Tränen in die Augen und Schweiss auf die Stirn - doch ist sie tatsächlich ungesund, wie viele glauben? Ein Universitätsprofessor und ein ausgesprochener Chilifan behaupten das Gegenteil: Scharfe Lebensmittel sind gesund, und der Schärfestoff Capsaicin kann sogar therapeutisch eingesetzt werden. Ihr Tipp: Nach und nach kann man seinen Körper ganz einfach an Scharfes gewöhnen.

    _Deutschland wird scharf_ Der Trend in Richtung scharf ist auch in Deutschland eindeutig - so gibt es "Mexiko-Wochen" in einer Burgerkette, die extra-scharfe Version im Baguetteshop oder die Chilischokolade im Supermarktregal. Und sogar der Marktführer bei den Fertigbackmischungen hat mit Chili gewürzte Schokomuffins im Angebot.

    Für Harald Zoschke aus Kressbronn am Bodensee gehört scharfes Essen seit frühester Kindheit zur ganz normalen Ernährung. Es waren zwar nicht die ultrascharfen Habanero-Chilis - doch schon im Alter von sieben Jahren erste Erfahrungen mit scharfen Schoten zu machen, das sei etwas äusserst Aufregendes gewesen, so Harald Zoschke. Das Brennen auf der Zunge und im Gaumen - ob von Jalapeņos, Cayenne oder Thai-Chilis - ist bei ihm zur Gewohnheit geworden, auf die er kaum mehr verzichten will, trotz oder wegen der immer gleichen Wirkung. "Das trifft einen wie ein Blitz", beschreibt Harald Zoschke den Chilieffekt, "dann entwickelt sich die Schärfe, baut sich so langsam auf und bringt doch ein wärmendes Wohlgefühl. Ein guter Kick, davon brauch ich mehr." Immer mehr davon bekam er auf Reisen in den Süden der USA sowie in südamerikanische Länder, in denen die Schoten ihren Ursprung haben.

    _Chili-verrückt_

    Nachdem der ehemalige IT-Unternehmer sein Geschäft in Deutschland verkauft hatte, beschloss er, in Chili zu investieren. In Florida eröffnete Harald Zoschke zusammen mit seiner Frau Renate einen eigenen Chilishop, kreierte dort selbst superscharfe Sossen, 200-mal schärfer als Tabasco, Schärfegrad "10 plus".

    Sogar offizielle Urkunden hat der Deutsche im Chili-verrückten Südwesten der USA für seine Rezepte eingeheimst. Dort, wo Chili fast schon Kult ist, ist er seinem Laster endgültig verfallen, überzeugt davon, dass die scharfen, meist roten Schoten, selbst wenn sie süchtig machen sollten, keine negativen Folgen haben. Wenn, dann sei es nur eine milde Abhängigkeit, die ihn befallen habe, sagt er lachend, während er seine Utensiliensammlung betrachtet: Christbaumschmuck in Chiliform, Extrem-Hot-Sauces, von Rockstars angerührt, Spielzeug, Dekorationsgegenstände - er sammelt alles, was die Form der roten Schoten hat. Während er eine Sonnenbrille im Chililook aufzieht, versichert er: "Es ist keine ungesunde Abhängigkeit - es macht einen höchstens ein bisschen verrückt." _Feuriges Geschäft_ Ganz ernsthaft verfolgt Harald Zoschke seine Passion, seitdem er wieder in Deutschland wohnt. Mit seiner Frau Renate hat er seine Leidenschaft zur Mission und gar zum Beruf gemacht. So ziehen sie auf ihrem Grundstück im milden Bodenseeklima eigene Chilipflanzen. Es sind Probepflanzungen, um Originalsamen aus Lateinamerika oder aus Asien zu testen. Denn das Saatgut, aber eben auch sämtliche andere Produkte rund um Chili, vertreiben sie inzwischen über das Internet. Und sie haben so ziemlich alles im Angebot, was scharf, extrem scharf oder auch gnadenlos scharf ist. Darunter unzählige Sossen, die man nur tropfenweise verwenden sollte, Chiligummibärchen, feinste Schokoladen mit kandierten Habanerostückchen.

    Auch im Sortiment: die schärfste Chili der Welt, die Jolokia-Schote aus Indien. Auf der Schärfeskala nach Scoville hat die Jolokia-Schote über 1.000.000 Scoville Heat Units (SHU). Zum Vergleich: Tabasco hat circa 5.000 SHU, die Habanero-Schote circa 500.000 SHU. Bei dem Scoville-Test handelt es sich um eine Methode zur Bestimmung des Schärfegrades von Pflanzen. Die Werte ermittelt man im Labor, indem der Gehalt des Schärfestoffs Capsaicin gemessen wird.

    _Gesunde Würze_ Die beiden Chilifans stört nicht, dass derartige Schärfegrade den mitteleuropäischen Gaumen und Magen zum Teil massiv überfordern. Scharf essen, das könne man üben, schliesslich enthielten Chili & Co. jede Menge Vitamine und seien überhaupt alles andere als ungesund, da ist sich Harald Zoschke sicher. Denn, so schreibt er auch in seinem gerade veröffentlichten Chili-Pepper-Buch, "der Schärfestoff Capsaicin regt den Kreislauf an und fördert den Stoffwechsel um bis zu 25 Prozent, das heisst, man verbrennt seine aufgenommene Nahrung schneller. Chili wirken appetitanregend - ganz allgemein bringen sie Pep ins Essen, dass es einfach schmeckt - und man ist gut drauf." Renate und Harald Zoschke haben sich längst an die extreme Schärfe gewöhnt. "Wir geben uns zwar nicht immer die Kante", sprich: Auch die beiden Chili-Freaks haben noch eine Schmerzgrenze - und würden auch ihre schärfste Sosse nicht für jedes Gericht empfehlen. Doch ohne Nachschärfen kommt bei ihnen kaum ein Essen auf den Tisch, "weil es einfach gut tut".

    _Scharf gibt und nimmt Schmerz_ Capsaicin, dieser Wirkstoff wird auch in der Wissenschaft als positiv eingeschätzt, wenn auch nicht mit einer Allheilwirkung, wie sie Harald Zoschke beschreibt. Dennoch sind für Wissenschaftler der Universität Erlangen die Potenziale von Capsaicin gar nicht hoch genug zu bewerten. Denn der Schärfestoff könne beinahe Revolutionäres in der Schmerztherapie leisten.

    Der Physiologe Professor Peter Reeh etwa forscht mit reinem Capsaicin. Unter dem Mikroskop lässt er isolierte Nervenzellen von Mäusen mit der durchsichtigen Flüssigkeit beträufeln und misst in einer Art Spektroskop den Ausschlag. Das Ergebnis: Ausschliesslich die Schmerzrezeptoren reagieren auf Capsaicin, alle anderen Nerven reagieren nicht. Denn, so Professor Reeh: "Capsaicin ist wie ein Januskopf. Es erregt die Nervenendungen, aber es desensibilisiert sie auch. Auch für viele andere Reize, wie Hitze etwa." Das bedeutet, dass sich die Schmerzrezeptoren an Capsaicin gewöhnen, dass sie abstumpfen. "Man muss es nur lang und intensiv genug einwirken lassen. Dann gehen die Nervenendigungen zugrunde, ziehen sich zurück, brauchen Wochen, um wieder auszusprossen." Egal, wo solche Schmerzrezeptoren im Körper vorhanden sind, ob im Gaumen oder im Darm - nach einiger Zeit reagieren sie eben kaum mehr auf die Reizung, die durch den Chiliwirkstoff ausgelöst werde.

    _Die Capsaicin-Therapie_

    Das Einsatzgebiet für die Therapie mit dem Schärfestoff Capsaicin sind akute Schmerzherde, etwa bei Krebserkrankungen. Professor Peter Reeh berichtet von einem Versuch mit einem Hund, der wegen eines bösartigen Tumors nur auf drei Beinen laufen konnte. Bei dem Hund wurde der Krebsherd geöffnet und es wurden die schmerzenden Stellen mit Capsaicin eingestrichen. Die Folge: Die Schmerzrezeptoren wurden komplett ausgeschaltet. Nachdem die Wunde wieder zugenäht war, konnte der Hund sofort auf allen Vieren herumlaufen.

    Da Capsaicin auf keine anderen Nerven Einfluss nehme, sei der Chiliwirkstoff nebenwirkungsfrei - eben auch, wenn er beim Menschen über scharfe Nahrung aufgenommen werde. Sobald die Schmerzrezeptoren im Mund und in den Verdauungsorganen genügend abgestumpft seien, sei extrem scharfes Essen ohne negative Folgen. Nur, so Professor Peter Reeh, der ebenfalls beim Essen auf die richtig hohen Schärfegrade achtet, eine ganz bestimmte Nebenwirkung gebe es dann doch: "Scharf gewürztes Essen ist zweifellos anregend. Wer sich daran gewöhnt hat, der kann buchstäblich abhängig davon werden." _Vorsicht bei Magen-Darm- Erkrankungen_

    Unsere Experten beziehen sich bei ihren Aussagen auf Menschen mit einem gesunden Magen-Darm-Trakt. Bei Patienten mit zum Beispiel Magenschleimhautentzündungen kann der Genuss von scharfem Essen jedoch zu vermehrten Beschwerden führen, denn durch scharfe Speisen wird die Speichel- und Magensaftsekretion gesteigert.

    _Gewöhnung schon von klein auf_ Chili kann selbst bei empfindlichen Kinderzungen keine Schäden anrichten. Professor Peter Reeh hat das in Pakistan, wo extrem scharf gegessen wird, mit eigenen Augen gesehen. Kinder, die dort aufwachsen, "werden frühkindlich daran gewöhnt", so der Wissenschaftler, "das geschieht hier in kleinen Schritten. In Pakistan sind sogar einige Süssspeisen scharf, und damit kann man Kinder immer ködern. Auch bei uns taucht ja jetzt die Chilischokolade auf." _Wie wirkt das Capsaicin?_ Bei der Wirkung des Schärfestoffes Capsaicin handelt es sich auch um eine sogenannte Pseudoreaktion. Auf den Stoff reagiert nämlich derselbe Rezeptor, der auch durch grosse Hitze aktiviert wird. Das heisst: Capsaicin erregt die gleichen Nerven wie Hitzereize. Die Schärfe wird daraufhin vom Gehirn als grosse Hitze wahrgenommen, woraufhin sich die Gefässe erweitern und man zu schwitzen beginnt - zum Zweck der Wärmeabfuhr. Bei Menschen jedoch, die an scharfes Essen gewöhnt sind, steigt dabei die Körpertemperatur nicht an. Der Körper erhitzt also nur scheinbar, daher spricht man von einer "Pseudoreaktion". Das vermehrte Schwitzen trägt hingegen dazu bei, dass der Körper an Wärme verliert - ein erwünschter Effekt in heissen Ländern.

    Bei Menschen, die nicht an scharfes Essen gewöhnt sind und beim Verzehr einen starken Schmerz empfinden, wird der Stoffwechsel durch den Stress derart angekurbelt, dass sich die Körpertemperatur durchaus etwas erhöhen kann.

    Übrigens bedeutet der englische Begriff "hot" auch "heiss" und "scharf".

    Weitere positive Effekt der Schärfe: * Capsaicin wirkt antibakteriell - mit ein Grund dafür, dass in Ländern mit weniger weit entwickelten Hygienestandards besonders scharf gegessen wird. * Das Gehirn reagiert auf die Schmerzen durch das Brennen im Mund und lässt zur vermeintlichen Linderung körpereigene Rauschstoffe (Endorphine) ausschütten. Stoffe, die uns zufrieden und euphorisch machen.

    Tipps: * Die meisten Schärfestoffe sitzen in den meist weissen Scheidewänden und nicht in den Kernen oder im Fruchtfleisch der Schote! * Wer intensiv mit Chilis hantiert, sollte auf keinen Fall mit den Fingern die Augen berühren. * Ein gutes Mittel gegen das Brennen im Mund ist Eiweiss. Milchprodukte aller Art helfen also meist sehr schnell. Wasser, Säfte oder Bier können Chilis nicht entschärfen.

    _Links_ * http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20070831/b_1.phtml Chilis - eine scharfe Sache (Rezepte von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer) (Servicezeit: Essen & Trinken vom 31. August 2007)

    * http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20040726/b_2.phtml Gesund: Chili und Peperoni (Servicezeit: Kostprobe vom 26. Juli 2004)

    * http://www.chilipepper.de/ Privates Portal zweier Chilifans, die viele Informationen über die scharfen Schoten zusammengetragen haben.

    * http://idw-online.de/pages/en/news67252 Infos zur Capsaicin-Forschung an der Universität Erlangen-Nürnberg

    _Buchtipps_ * Harald Zoschke Das Chili Pepper Buch 2.0 Suncoast Peppers, 2007 ISBN 9783937862026 Preis: 24,95 Euro

    * Eva Schumann Chili, Paprika & Co. Sorten und Anbau, Fitness und Gesundheit, Feine Rezepte Ulmer, 2005 ISBN 9783800146321 Preis: 9,90 Euro

    * Luzia Ellert, Oliver Hoffinger, Ingo Swoboda Chili Heyne, 2007 ISBN 9783899103335 Preis: 39,90 Euro

    http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20070907/b_2.phtml

    :Letzte Äend. am: 21.09.2007

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