Was man im Supermarkt einkauft, geht eigentlich keinen etwas an - so
denken die meisten Verbraucher. Doch moderne Technologie macht es möglich: Lebensmittel senden
Daten, denn sie tragen einen
Computerchip mit Produktinformationen, die von Lesegeräten per Funk erfasst werden können. Mit der
Radiofrequenzidentifikation, kurz:
RFID, will der Handel bei der Logistik viel Zeit und Geld sparen.
Sogenannte RFID-Etiketten sollen in Supermärkten eines Tages den
Barcode ersetzen.
Der Handel schwärmt zudem vom besseren Kundenservice: Zusätzliche
Produktinformationen, wie Nährwertangaben und Rezeptideen, erhält der Käufer dank RFID direkt am
Regal. Verbraucherschützer kritisieren, dass die persönlichen Einkaufsgewohnheiten erfasst und gezielt für
Werbung missbraucht werden können.
Was die wenigsten wissen: Wir tragen heute wahrscheinlich schon
durchschnittlich drei RFID-Chips am Körper. Sie sind in
Autoschlüsseln, Reisepässen und versuchsweise sogar in Lebensmitteln angebracht, denn sie können so
klein wie ein Reiskorn sein.
_Verräterische Informationen?_ RFID-Chips sind zwar nicht personenbezogen, können aber
möglicherweise auf Personen bezogen werden. Denn jeder RFID-Chip
hat eine eigene Identifikationsnummer, die weltweit einmalig ist, und kann Radiostrahlen aussenden,
sobald ein Lesegerät ihn mit Energie versorgt. Der RFID-Chip überträgt die Daten berührungslos
und automatisch. Vom Lesegerät gehen die Daten in weitere EDV-Systeme und Datenbanken ein. Doch
gerade weil sie per Funk
berührungslos senden und sich mit Scoringverfahren sowie intelligenten Analysetools leicht verknüpfen
lassen, warnen Datenschützer vor dieser Technik. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar,
sagt hierzu: "Schon heute gibt es eine
zunehmende Anzahl an Produkten, in denen sich RFID-Chips befinden,
sowohl in Gebrauchsgegenständen als auch in Verpackungen. Und diese RFID-Chips können dann
gegebenenfalls unbemerkt von uns auch
ausgelesen werden. Das ist das zentrale Problem." _Demonstration der Funktionsweise_ Die
Wissenschaftler vom Gelsenkirchener Institut für Internet-Sicherheit kennen sich mit der RFID-Technik gut
aus und
machen für uns zwei Experimente:
In Test 1 steckt ein Wissenschaftler RFID-Chips in die Jacke seines
Kollegen. Dieser geht damit durch das Institut. Als er die Treppe herunterkommt, passiert er das Lesegerät
seines Kollegen. Im Augenblick der Datenübertragung macht das Lesegerät ein piepsendes Geräusch. Das
können die Wissenschaftler jedoch auch ausschalten, ohne die Funktion zu beeinträchtigen. Nun
erscheinen die Identifikationsnummern der Chips im Lesegerät und werden darin gespeichert. Ohne
Probleme konnten die Chips ausgelesen werden.
In Test 2 probieren die Wissenschaftler aus, auf welche Entfernung sich die RFID-Chips auslesen lassen.
Das erste Lesegerät kann es
bis auf 1,50 Meter Entfernung, ein weiteres schafft 2 Meter. Beide getesteten Lesegeräte sind
batteriebetrieben. Es gibt aber auch solche, die an ein Stromnetz angeschlossen werden und Reichweiten
bis zu 100 Meter erreichen. Das bedeutet, dass unterschiedliche Lesegeräte auch unterschiedliche
Reichweiten haben.
Das Fazit der Wissenschaftler: Mit RFID-Chips gekennzeichnete Waren
lassen sich elektronisch aufspüren. Sind erst einmal alle Produkte damit gekennzeichnet, haben
Geschäftsinhaber und Händler grosse Kontrollmöglichkeiten, so Christian Dietrich vom Institut für Internet-
Sicherheit: "Wenn das so sein sollte, dann könnte man
Kunden kategorisieren, zum Beispiel in hochpreisige Kunden und niedrigpreisige Kunden, und damit
vielleicht auch eine gewisse Präferenz in der Bedienung von Kunden sich vorstellen." _Was steckt in der
Einkaufstasche?_ Sollten eines Tages tatsächlich alle Lebensmittel RFID-Chips
tragen, könnte im Vorbeigehen registriert werden, was man in der Einkaufstasche mit sich trägt, warnt der
Bundesdatenschutzbeauftragte, Peter Schaar: "Es sind die
Alltagsgegenstände, die miteinander vernetzt sind, die möglicherweise miteinander kommunizieren, deren
Aufenthaltsort, aber auch deren Gebrauch registriert werden kann, vielleicht auch, ohne dass ich das
weiss. Das ist der Albtraum." _Bequem: der intelligente Kühlschrank_
Im sogenannten "Future Store" des Metro-Konzerns in Neuss, auch
"Supermarkt der Zukunft" genannt, erprobt man Zukunftstechnologien.
Hier können beispielsweise die Produktpreise an der Kasse durch die RFID-Technik kontaktlos ausgelesen
werden. Auch ein intelligenter
Kühlschrank befindet sich in der Erprobung. Er ist ebenfalls mit RFID ausgestattet und soll für die Besitzer
einen grossen Vorteil und Bequemlichkeit bringen. Dazu Antonia Vörste, Metro Group: "Das
funktioniert so, dass in jedem Regalboden des Kühlschranks ein RFID-Lesegerät also mit einer Antenne
angebracht ist, und wenn ich
die Produkte, die ich dann im Supermarkt der Zukunft eingekauft habe, die alle diesen RFID-Chip tragen,
dann in den Kühlschrank
einlege und wieder schliesse, dann lesen diese Geräte, was sich im Kühlschrank befindet, und ich kann
dann an meinem PC oder an einem Monitor abfragen, was noch in meinem Kühlschrank ist." Diesen
"intelligenten Kühlschrank" kann man heute noch nicht kaufen. Er funktioniert erst dann, wenn alle
Lebensmittel mit RFID versehen sind. Damit er funktionieren würde, dürfte der Kunde die Chips am
Ausgang nicht deaktivieren - sonst könnte der Kühlschrank
die Lebensmittel nicht mehr lesen. Einen sogenannten Deaktivator zum Löschen der gespeicherten
Produktinformationen stellt die Metro Group in ihrem Future Store jedoch am Ausgang bereit. Jeder Kunde,
der sich mit RFID-Chips unwohl fühlt, könnte diese vor dem
Verlassen des Supermarktes also deaktivieren - Artikel für Artikel.
Testläufe haben aber gezeigt, dass Kunden das kaum in Anspruch nehmen. Werden die funkenden Chips
nicht gelöscht, sind sie -
zusammen mit uns - auf der Strasse unterwegs.
_Nanochips zum Verzehr_ Es geht sogar noch weiter: Wissenschaftler versuchen, kleinste, für
das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbare Teilchen mit RFID-Funktionen zu entwickeln. Diese
könnte man in Lebensmittel und
Medikamente einarbeiten, und der Verbraucher würde sie mit hinunterschlucken - ohne es zu merken.
Dazu der
Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar: "Man spricht hier
von Nanopartikeln, die diese RFID-Funktionalität aufweisen. Die
Konsequenz wäre, dass man nachvollziehen kann: den Verbrauch dieser
Nahrungsmittel, bis sie den Stoffwechsel verlassen haben. Das ist die Idee." _Buchtipps_
* Peter Schaar
(Datenschutzbeauftragter des Bundes) Das Ende der Privatsphäre Bertelsmann, 2007 ISBN
9783570009932 Preis: 14,95 Euro
* Wolfgang Sofsky
Verteidigung des Privaten Beck, 2007 ISBN 9783406562983 Preis: 14,90 Euro
Autorin: Caterina Priesner
_Links_
*
http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.wdr.de/the
men/wirtschaft/1/rfid/index.jhtml Big Brother im Supermarkt? Umstrittener Einsatz der RFID-Technik
beim Metro-Konzern
(wdr.de Wirtschaft vom 27. Februar 2004)
*
http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.internet-s
icherheit.de/service/tipps-zur-sicherheit/gläserner-mensch/rfid/
Das Institut für Internet-Sicherheit an der Fachhochschule
Gelsenkirchen informiert zum Thema RFID und gibt Tipps zur Sicherheit.
*
http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.vzbv.de/go
/presse/852/index.html Der Bundesverband der Verbraucherzentrale fordert klare Richtlinien zum Umgang
mit RFID: "RFID-Technologie: Ohne das Vertrauen der
Verbraucher zum Scheitern verurteilt -vzbv: Erst Datenschutz und
Verbraucherschutz sicherstellen, dann neue Technologien einführen".
*
http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.br-online.
de/wissen-bildung/thema/rfid/gefahren.xml
Artikel beim Bayrischen Rundfunk: "König Kunde durchsichtig bis auf
die Knochen"
*
http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.zeit.de/20
03/39/T-Supermarkt?page=all
DIE ZEIT: "Schaltkreis in der Milchtüte"