Wie frisch abgepacktes Fleisch tatsächlich ist, kann man meist schwer mit dem blossen Auge erkennen.
Ein neues Etikett soll Abhilfe schaffen. Eine spezieller Farbstoff verändert sich je nach Lagertemperatur und
-zeit und zeigt so die Frische des Produktes an.
Ein guter Hinweis für die Verbraucher, doch der Lebensmittelhandel hält sich mit der Einführung noch stark
zurück.
_Misstrauen ist gross_ Zahlreich waren in den vergangenen Jahren die Nachrichten, die die Verbraucher
bezüglich der Frische ihrer Lebensmittel verunsichert haben. Die Gammelfleisch-Skandale haben vielen
gründlich den
Appetit verdorben. Welchen Angaben auf Etiketten von Fleischwaren soll man noch vertrauen, wenn sie
manipuliert sein können? Ob das abgepackte Fleisch wirklich noch frisch ist, lässt sich auf den ersten
Blick nicht erkennen. Und die Angaben zur Haltbarkeit beziehen sich - auch bei korrekt etikettierter Ware -
auf eine
ununterbrochene Lagerung bei Temperaturen um die 2 bis 4 Grad. Wird die sogenannte Kühlkette irgendwo
auf dem Weg vom Hersteller zum Verbraucher unterbrochen, ist das Haltbarkeitsdatum bereits hinfällig. Der
Kunde kann also nur hoffen, dass der Kühltransporter unterwegs keine Panne hatte.
_Unbestechlicher "Frische"-Anzeiger_
Wie schön wäre es, wenn man den korrekten Lagerzustand eines Lebensmittels an einem unbestechlichen
Anzeiger ablesen könnte! Das ist keine Zukunftsmusik mehr.
Kleine blaü Herzchen auf neuartigen Etiketten mit dem Namen "OnVu" schaffen Klarheit - für den Händler
ebenso wie für den
Verbraucher. Die intelligenten Etiketten geben mit ihrer Färbung exakt Auskunft über die Frische der Ware.
Durch eine chemische Reaktion wird der Indikator in dem Masse heller, in dem das Produkt an Frische
verliert. Dunkelblau kommt das Herz beim Hersteller auf das frisch abgepackte Lebensmittel. Hat das Herz
schliesslich eine hellgraue Färbung angenommen, bedeutet das "entsorgen". Nur Lagerzeit und -
temperatur verändern die Farbe. Eine Folie schützt
das Etikett vor anderen Einflüssen wie zum Beispiel Sonnenlicht.
_Jahrelange Forschung_ Dem Erscheinen dieser Neuheit im Frühjahr dieses Jahres gingen aufwendige
Forschungsarbeiten voraus: Die Veränderungen von Fleisch
während der Lagerung hat Lebensmitteltechnologin Judith Kreyenschmidt im Institut für Präventives
Gesundheitsmanagement der Universität Bonn viele Monate lang genau untersucht. Judith Kreyenschmidt:
"Um einen Frischeindikator einsetzen zu können, ist
es zunächst einmal wichtig, dass man den Frischeverlust des Lebensmittels charakterisiert, das heisst,
man muss sich genau anschauen, wie verdirbt das Lebensmittel überhaupt? Dazu ist es erst einmal
wichtig, dass man die Frischeparameter auswählt, die für den Verderb des Lebensmittels verantwortlich
sind, und anschliessend muss man diese über verschiedene Temperatur- und
Zeitintervalle untersuchen." Schliesslich wurden von ihr auch die Daten für andere Produkte je nach Art und
Haltbarkeit ermittelt. Denn die Etiketten sollen ausser für Fleisch auch für andere verpackte Frischwaren
verwendet werden
- zum Beispiel für Fisch, Milchprodukte oder Obstsäfte. Nach den
Vorgaben von Judith Kreyenschmidt wurden die Etiketten von Wissenschaftlern der Experimentalphysik in
Bayreuth gemeinsam mit der Universität Haifa entwickelt.
_Handel zögert mit der Einführung_ Seit März 2008 werden die intelligenten Etiketten in Bochum von der
Firma Bizerba in Serie produziert, auf einer ganz normalen Druckmaschine. Die schlaü blaü Farbe wird in
einem einzigen Druckvorgang mitten ins Herz gedruckt, das macht das Etikett preiswert - etwa 3 Cent soll
es den Kunden kosten. Trotzdem zögern
die grossen Handelsketten bisher mit der Einführung. Der Hersteller ist aber dennoch davon überzeugt,
dass sich das Etikett durchsetzen wird - ganz im Sinne des Verbraucherschutzes.
Die Firma Bizerba hat auch ein Prüfgerät entwickelt, mit dem der Nahrungsmittelproduzent kontrollieren
kann, ob das Etikett genau auf die Haltbarkeit des jeweiligen Produkts eingestellt ist. Michäl Feuerstack,
Produktionsdirektor bei Bizerba, zum Einsatz und zur Sicherheit der Etiketten: "Die Etiketten sind, wenn
wir sie eben
entsprechend auf Vollautomaten ausgerüstet haben, absolut sicher vor Manipulation, das heisst sie werden
geschützt durch ein Barriereetikett, was eben eine erneute Aufladung verhindert. Es ist so, dass im Grunde
genommen alle grossen Handelsketten Interesse haben, dass wir mit allen diesen Ketten entsprechende
Versuche vereinbart haben und im Gespräch sind. Es ist noch nicht so, dass jemand es direkt schon
einsetzt." _Etikett besteht den Praxistest_ Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein: Für den Einsatz
benötigt man eine Station in der Verpackungsabteilung, die das Herz gezielt auflädt und versiegelt - eine
Investition zwischen 10.000
und 30.000 Euro. Die lohnt sich aber nach einer aktuellen Studie.
Dr. André Fuchs von dem Unternehmen Ciba Chemicals, das die Druckfarbe entwickelt hat und jetzt auch
herstellt, hat diese Studie durchgeführt: "Die Praxistauglichkeit des OnVu-Etiketts wurde vom
Deutschen Einzelhandel unter realistischen Bedingungen getestet.
Dabei wurde festgestellt, dass das Etikett funktioniert und die Kühlkette zuverlässig abbildet. In Frankreich
werden solche Etiketten schon seit einigen Jahren angewendet, und das könnte daran liegen, dass das
Thema Essen und Trinken bekanntermassen in Frankreich einen hohen Stellenwert hat und die
Bereitschaft, solche Etiketten zu verwenden, auch deswegen wahrscheinlich etwas grösser ist." Die
Untersu# chung zeigte auch, dass die deutschen Kunden ebenfalls an dem Frische-Etikett interessiert
sind.
_Nachlässigkeit der Verbraucher_ Allerdings decken die intelligenten Etiketten auch jede Nachlässigkeit
des Verbrauchers auf - und dort liegt nicht selten
ebenfalls ein Problem: Ist das Fleisch zwar frisch gekauft, muss es
noch lange nicht frisch zu Hause ankommen. Viele transportieren es achtlos auch bei warmem Wetter in
einer Plastiktüte statt in einer Kühlbox. Oft ist der Einkauf noch längere Zeit unterwegs - sei es
im Auto, in der Bahn oder auf dem Fahrrad. Auch so entsteht Gammelfleisch! Da hilft es dann auch nicht
mehr, wenn man das Fleisch zu Hause gleich in den Kühlschrank legt. Zumal die meisten Kühlschränke
die geforderten 2 bis 4 Grad Lagertemperatur für beispielsweise Hackfleisch oder Fisch gar nicht zustande
bringen.
Die intelligenten Etiketten werden in Zukunft also jedes Fehlverhalten gnadenlos dokumentieren und so
hoffentlich Hersteller und Verbraucher gleichermassen "disziplinieren".
_Weiterer Einsatzbereich für Frische-Labels_
Nach dem Öffnen einer Lebensmittelverpackung, zum Beispiel eines Saftkartons, weiss man oft gar nicht,
wie lange der Saft ab diesem Zeitpunkt noch frisch bleibt. Problem: In vielen Fällen kann man
weder sofort sehen noch am Geruch erkennen, ob der Verderb des Lebensmittels bereits begonnen hat.
Aber auch hier ist eine Lösung in Sicht. Ein sogenannter Farb-Zeit-Indikator soll mit dem
erstmaligen Öffnen der Packung aktiviert werden. Der Hersteller kann ihn variabel zwischen drei Tagen und
zwei Monaten einstellen und damit der Haltbarkeit des jeweiligen Produktes anpassen.
_Tipps zum Umgang mit Frischfleisch_
* Das Fleisch kühl und schnell nach Hause transportieren - am
besten in einer Kühl- oder Gefriertasche.
* Ist der Kühlschrank nicht kalt genug, müssen Geflügel- und
Hackfleisch oder frische Würste am besten noch am Einkaufstag verarbeitet werden.
* In der Regel kann man verdorbenes Fleisch am Geruch erkennen. Bei
auffälligem Geruch das Fleisch auf keinen Fall verarbeiten, sondern entsorgen.
* Beim Verarbeiten auf eine gute Küchenhygiene achten und
Schneidebretter, Messer und Hände im Anschluss gut mit Seife reinigen.
* Geflügel- und Schweinefleisch immer sehr gut durchgaren.
_Links_
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200
6/1110/01_test_etiketten.jsp Test: Etiketten von Fleisch aus Kühltheken
(Servicezeit: Essen & Trinken vom 10. November 2006)
* http://www.onvu.com
OnVu Ausführliche Informationen zum "OnVu"-Etikett
* http://www.freshpoint-tti.com
Freshpoint Weitere Informationen zur Entwicklung und zum Vertrieb des Zeit-Temperatur-Indikators
(englische Seite)
* http://www.freshcontroller.de
Fresh Controller Informationen zum "Fresh Controller", dem weltweit ersten Frischecontroller für
verderbliche Produkte _Broschüre_
* http://www.aid.de/shop/shop_detail.php?cat=1&id=4088
aid infodienst für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft e.V.
Infos zur Broschüre "Verpackungen für Lebensmittel"
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200
8/0509/03_etiketten.jsp
:Letzte Äend. am: 29.06.2008