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Kl.Geschichte: Pernod + Pastis



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  • - Pernod + Pastis
  • Der König des Pastis' liebte das Wasser. Am Golf von Bandol verlebte er auf der Insel Embiez die letzten Jahre seines Lebens im wohlverdienten Reichtum und Luxus. Jeden Dienstag brach er auf von hier, um seine Besitztümer und Unternehmen zu inspizieren: Weinberge, den von ihm finanzierten Flugplatz und die Formel-1-Rennstrecke bei Castelet, die Stierkampfarenen von Mejanes in der Camargü sowie Hotels, Kongress-Zentren, Theater, Galerien und Chäteaux in den schönsten Regionen Frankreichs. Gleichzeitig trat er beispielhaft mit viel Geld für den Schutz der Natur ein. Schlichtweg "Maitre Paul" nannten ihn seine Angestellten und rühmen noch heute die Grosszügigkeit jenes Mannes, der als Anisette-Napoleon im vergangenen Jahr im Alter von 88 Jahren starb. Paul Ricard ist noch heute einer der zehn bekanntesten Franzosen. Die von ihm gegründeten und finanzierten Sport-, Kunst und Entertainment-Zentren tragen alle seinen Namen. Viel Ehre für den Sohn eines Weinhändlers aus Marseille, der eigentlich Maler werden wollte und dann, weil der Vater ihm den Besuch der Kunsthochschule verbot, jenes Getränk erfand, das als Ricard -oder auch als Pernod- heute der bekannteste Kräuterschnaps ist: der klassische Aperitif eben, den man mit eiskaltem Wasser in ein milchig schimmerndes Getränk verwandelt, das so erfrischend nach Anis schmeckt. Anis oder Pernod wird heute von über 500 Firmen in ganz Frankreich produziert. Der mit dem Namen Ricard jedoch steht in der Beliebtheitsskala auf Platz eins. Ihn trinkt der Franzosen überall dort, wo er sich wohl- fühlt: im Cafe de Flore am Boulevard St-Germain in Paris ebenso wie in den Kneipen am alten Hafen in Marseille oder an der Bar des Restaurant des Beaux-Arts in Saint-Remy de Provence. Ein Ricard - das ist französische Lebensart pur. Und deshalb ist französischer Anisschnaps heute, dank Paul Ricard, neben Wein die meist ausgeführte Spirituose. Dabei sahen die Anfänge trübe aus, nachdem die Franzosen mit dem Vorgänger des Anis, dem Absinth, schlechte Erfahrungen gemacht hatten. Zuviel Unheil hatte die "grüne Fee" mit 72 Prozent Alkoholgehalt (und manchmal sogar mehr) angerichtet in den Köpfen seiner Konsumenten. Und das waren nicht wenige Anfang dieses Jahrhunderts. Drei Liter hatte jeder Franzose damals jährlich konsumiert, um ganz hoch zu fliegen oder ganz tief zu fallen. 1779 von einem gewissen Henri-Louis Pernod aus den ätherischen Ölen der Wermut-Pflanze mit Anis, Fenchel, Koriander, Ysop und Melisse-Destillat gebrannt und offiziell als Allheilmittel gegen Zahnschmerzen und Magenpfeifen in den Handel gebracht, wurde er schnell zum Hit in den Pinten und Destillen. Der Effekt: Statt gemütlicher Weintrinker bevölkerten plötzlich gewalttäg-agressive und zum Teil kriminelle Alkohliker die Szene. Statt lärmender Beschwingtheit waberte dumpf-stierische Trunksucht. Nur die Poeten und Maler profitierten von dem Höllenrausch: Für sie - Baudelaire und Rimbaud, Musset und Jarry, Toulouse-Lautrec und von Gogh - war der Likör eine Eintrittkarte ins künstliche Paradies, in dem "die toten Wörter aufstehen und Wesen aus Stein und Bein sind...." Kurz und gut: Wie in unserer Zeit Ecstasy, war in jenen Tagen "Abs" die Droge der Zeit. Aber 1915 kam das Ende für die grüne Fee: Die Gesundheitsbehörden zogen sie aus dem Verkehr, nachdem ein Vater im Rausch die Ehefrau und seine zwei Kinder erschossen hatte. Und erst 1932 kam der Ersatz auf den Markt. Dank Paul Ricard, der den Alkoholgehalt seines Zaubertranks auf 45 Prozent herabsetzte und die Wirkung wesentlich entschärfte. "Alcooliquement correcte" also auch im Sinne der Mediziner, die in dem goldbraunen Schnaps von nun an keine Gefahren mehr für die Volksgesundheit witterten. Zumal er auch noch mit Wasser verdünnt werden musste, weil er pur genossen wahrhaftig kein Genuss ist. Verantwortlich für die dadurch entstehende milde Trübung ist die Anethol-Essenz aus dem Samen des Sternanis. Diese achteckige Frucht des chinesischen Badianenbaumes steuert jenes markante Anisaroma bei und lässt im Zusammenspiel mit dem Wasser den Aperitif auf der Stelle erbleichen. Magenschonend und appetitanregend soll die Wirkung sein, und so ist es nur logisch, diesem Getränk im auf lukullische Genüsse stark fixierten mediterranen Raum eine tragende Rolle zu geben. Alle alkoholischen Getränke, die nach Anis schmecken, werden den Anisees zugeordnet, egal, nach welcher Methode sie erzeugt werden. Der türkische Raki gehört zu dieser Gattung ebenso wie der griechische Ouzo oder der italienische Sambuca, der unter dem Markennamen Molinari als verdauungsfördernder Holunder-Likör weltweit bekannt ist. Kein Produkt dieser Digestif-Familie jedoch übertrifft den Bekanntheitsgrad des französischen Ricard und seiner Konkurrenten Pastis 51 und Pernod. Sie stehen für heiteres Lebensgefühl, erwecken Sehnsüchte nach den Pariser Boulevards und Mittelmeerhäfen mit Bistros im Sonnenuntergang. Happy hour comme il faut. Erzeugen sie mit dem beigefügtem Wasser auch alle die gleiche Färbung, so unterscheiden sie sich jedoch in der Herstellung. Ricard und Pastis sind "Aufgesetzte". Die aromagebenden Bestandteile wie Anisöl, Süssholz und Provencekräuter werden in Alkohol ausgelaugt, bevor man diesen brennt. Jeder so erzeugte Anisee ist ein Pastis. Für Pernod dagegen werden alle aromatischen Zutaten (darunter Minze, Koriander, Fenchel, Süssholz, Nelken) zuerst ebenso wie das aus China importierte Sternanis destilliert. Experten erkennen diesen feinen Unterschied und werden einen Pernod niemals als Pastis bezeichnen. Am Ende jedoch ereilt alle das gleiche Schicksal. Mit Wasser vermischt (eins zu fünf) werden sie alle zu süffigen Aperitifs. A la sante.

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    Alkohol, Aufbau, Drink, Getränk

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