Salat

Salate voller Vielfalt



Für 1 Text

Zutaten

  • Salat
  • REF

  • - Rubrik von Michäl Merz
  • - Meyer's 34/2000
  • - Sala Ruch
  • - Verm. von Rene Gagnaux
  • Salate sind in der japanischen Speisenfolge dazu da, Appetit und Lust aufs Essen zu machen.

    "Für meine Mutter begann jeder Tag bereits um fünf Uhr früh." Zwei Stunden, bevor der Rest von Sala Ruchs Familie aufstand, ging ihre Mutter jeweils in den Garten und holte frisches Gemüse und reife Früchte für das Frühstück. "Wenn ich das Wort höre, denke ich an sie", sagt Sala und erinnert sich auch, wie gross dieser Garten in ihren Augen war. "Einem Kind erscheint die Welt wahrscheinlich immer riesig." Um ihre Erinnerungen zu bestätigen, schreitet sie diesen Garten in Gedanken nochmals ab. Sie sieht die exakt ausgerichteten Beete vor sich, nennt die verschiedenen Obstbäume und erzählt, dass es sogar ein Reisfeld gab. Einige Angestellte waren bloss dazu da, diesen Riesengarten in Ordnung zu halten. "Er war das Paradies meiner Jugend, und meine Mutter war die unumschränkte Herrin über ihn. Alles, was ich über japanische Küche weiss, hat mit diesem Garten begonnen." Hier hat die kleine Sala vor allem den Wert wirklich frischer Gemüse erfahren. Frische ist auch das Stichwort, wenn sie von Salat spricht. "Er ist ein integraler Bestandteil jedes japanischen Essens. Entweder kommt er als Vorspeise oder vor dem Hauptgericht als eine Art Zwischengang auf den Tisch." So oder so hat er eine Funktion im Ablauf des Essens. Er soll "sappari" sein, dem Gast mit seiner frischen Säure und den appetitlichen Zutaten Appetit machen. Deshalb werden auch viel kleinere Portionen als in Europa aufgetragen. "Appetitlichkeit", sagt Sala, "hängt nicht von der Menge ab, wichtig ist, wie die Speise präsentiert wird, wie sie schmeckt und wie sie wirkt." In der japanischen Küche sind Nahrungsmittel und Kochtechniken eng mit der Geschichte des Landes und seiner Entwicklung verbunden. So kam Sojasauce im 7. Jahrhundert dank den Handelsbeziehungen mit China nach Japan. Sushi wurde von Fischern aus gesäuertem Fisch um das Jahr 1000 kreiert. Hundert Jahre später begannen Zen-Mönche zur Unterstützung ihrer Meditationen grünen Tee zu trinken. Ohne die Ankunft der Portugiesen im 17. Jahrhundert gäbe es kein in Teig ausgebackenes Tempura. Rindfleisch hingegen gelangte laut Aufzeichnungen erst im 19. Jahrhundert ins Land, weil die ansässigen und handeltreibenden Ausländer danach verlangten. Wann aber die Salate in Japans Esskultur zum erstenmal auftauchten, ist nicht klar. Doch es gab Reiswein, und wo Wein ist, ist auch Essig. Weshalb soll es da nicht auch Salate gegeben haben? Wie alle Kinder hatte auch Sala diese sauren Speisen nicht besonders gerne. Wie alle Eltern solcher Kinder versuchten auch Salas Eltern, ihre kleine Tochter mit Argumenten zu überzeugen. "Bei uns hiess es, der Genuss von Essig rege den Kreislauf an, lasse die Haut strahlen und mache den Körper elastisch." Zur Unterstützung ihrer Überredungskünste führten die Eltern ihr Kind in den Zirkus und erklärten ihm, die Artisten hätten so biegsame Körper, weil sie von klein auf Essig getrunken hätten. Fortan ass Sala Salat ohne Widerrede - und turnte unermüdlich und mit Lust.

    Was unterscheidet japanische Salate von europäischen? Am augenfälligsten ist, dass alles Mögliche in Salaten Verwendung findet: frisches oder leicht angegartes Gemüse, eingeweichter Seetang, Fleisch von Fischen, Geflügel, Schalen- und Krustentiere. Doch trotz der Vielfalt an Zutaten sind die Portionen stets bescheiden. Gewürzt wird mit Reisessig, der sehr viel milder ist als europäischer Weinessig. Würze und nicht Sämigkeit ist das Hauptmerkmal der Sauce. Deshalb wird Öl zu Würzzwecken eingesetzt, ebenso Wasabi, scharfer Wasserrettich. Er gibt der Sauce Pfiff, verleiht ihr aber auch eine leichte Cremigkeit. Dieselbe Wirkung haben zerdrückter Tofu oder zerstampfte Sesamkerne.

    Wer einen japanischen Salat probiert, merkt sofort, dass er anders schmeckt. japanische Salate sind von Saucen nur begleitet, sie dürfen ihren Geschmack nicht verfälschen. Europäische Salate sind die Summe ihrer Zutaten, die japanischen spielen mit den verschiedenen Geschmacksnoten und zusätzlich mit den unterschiedlichen Strukturen der Salatbeigaben. Auch Salate sind so komponiert, dass sie den zentralen Grundsatz der japanischen Küchen- und Esskultur und Salas Leitlinie bestätigen: "je verschiedenartiger ein Gericht in seiner Zusammensetzung ist, desto besser versorgt es den Körper."

    Stichworte

    Aufbau, Info, Japan, Salat

    Titel - Rubrik - Stichworte