(*) Markus Kuriger, Casa Fausta Capaul, Brigels (Graubünden)
Der Bündner Küchenkünstler Markus Kuriger hat zwei Lehrabschlüsse in der Tasche. Er ist ausgebildeter
Koch und ausgebildeter Bäcker-Konditor. Wohl deshalb gehört seine "Casa Fausta Capaul" zu
den Restaurants, in denen nicht nur die Vor- und Hauptspeisen
interessant sind, sondern auch die Desserts.
Am 9. September beginnt Die Bündner Jagd. "Aber schon Wochen vorher spürt sie hier jeder", sagt
Markus Kuriger. Der Spitzenkoch lebt und arbeitet seit neun Jahren in Brigels, führt gemeinsam mit seiner
Frau Rosmarie die "Casa Fausta Capaul".
In diesen neun Jahren hat Kuriger das legendäre Bündner Jagdfieber hautnah erlebt. Saison für Saison.
Aber gepackt hat es ihn nicht -
bis heute. Den Meister am Herd lässts kalt, wenn die Jäger schon Wochen vor dem Halali mit ihren
Feldstechern durch die Wälder pirschen. Ihn kümmert nicht, dass sie sich schon 24 Stunden vor
Jagdbeginn. auf ihren Hochsitzen einrichten. Kuriger: "Ich koche das
Wildfleisch lieber, als dass ich es schiesse." Und noch etwas unterscheidet den Koch von den Jägern: Er
mag
Rehfleisch. Die Jäger dagegen "behaupten, es schmecke wie Leber", sagt Kuriger. "Sie verlangen nach
einem würzigen Fleisch mit kräftiger Struktur." Als solches betrachten sie das Fleisch von Hirschen und
Gämsen.
Die Abneigung der Jäger gegen Rehfleisch ist Kurigers grosses Glück. Und auch, dass diese mittlerweile
viel lieber jagen als die Beute danach zerlegen. Sie bringen das erlegte Wild deshalb zum einzigen
Metzger der Gegend, zum Brigelser Dorfmetzger Schmed. Dieser nimmt den Jägern die mühsame Arbeit
ab.
Ist Kuriger also auf der Suche nach bestem Rehfleisch, packt er seinen Henkelkorb und geht die wenigen
Schritte zu Metzger Schmed. Dort sucht er sich die schönsten Stücke aus. "Das Fleisch muss richtig
dunkelrot sein und einen appetitlichen feuchten Schimmer haben", sagt er. Und rät: "Ist das Fleisch
angetrocknet oder gar schmierig,
lassen Sie besser die Finger davon. Verzichten Sie auch auf blutig zerschossenes, unsauber pariertes
Fleisch - und auf tiefgekühltes.
Das ergibt nur drittklassige Kochresultate." Kuriger, der Wildspezialist, hat viele Jahre in grossen Küchen
gearbeitet und erkannt: " Die meisten Wildgerichte, die in
Restaurants serviert werden, sind aus tiefgekühltem Fleisch gemacht." Gerichte aus Rehfleisch schätzt
der Spitzenkoch erst seit wenigen Jahren - obwohl schon seine Eltern Rehpfeffer mochten: "Mir aber hat
er lange Zeit nicht geschmeckt. Mir erschien er zu gewürzlastig." Inzwischen ist Kuriger kuriert. "Heute
weiss ich, dass sorgfältig gekochter Rehpfeffer so gut schmeckt wie jedes andere sorgfältig gekochte
Gericht", sagt er.
Beim Rehrücken, den er während seiner Kochlehre kennen gelernt hatte, hielt sich seine Begeisterung
besonders in Grenzen: Er war aus
tiefgekühltem Fleisch gekocht. "Wild aus tiefgekühltem Fleisch lässt sich kaum noch auf den perfekten
Garpunkt bringen", sagt Kurigen "Der Geschmack hat wenig Charakter und die saftige Zartheit ist schlicht
unerreichbar." Und mit einem Schmunzeln fügt er an: "In
diesem Fall benimmt sich der Koch besser ein bisschen wild und kocht frisches Fleisch vom Schwein."
Was erwartet der Gast eigentlich von Wildgerichten? Für Kuriger ist klar: "Zartheit". Die steht an erster
Stelle. Wichtig sei aber auch,
dass der nussige Wildgeschmack eine leicht süss-bittere Note
besitze. Was nie sein dürfe: "Dass das Fleisch betont nach 'Wild'
schmeckt. Ein zu intensiver Eigengeschmack bei einem Gericht erschreckt den Durchschnittsgast mehr,
als er ihn zu begeistern vermag." Bei Beilagen wünscht es der Gast "wie immer". Liegen weder glacierte
Marroni noch Spätzli oder süss verkochtes Rotkraut beim Reh, nimmt sein Interesse schlagartig ab. Sind
zusätzlich Pilze dabei, nimmt sein Interesse zu.
Die Art der Sauce spielt bei der Menüankündigung kaum eine Rolle.
Kuriger: "Erst wenn sie besser schmeckt als anderswo, merkens die
Gäste." Sein Saucengeheimnis sind Liebe und Sorgfalt - beides
Voraussetzungen, die für sein gesamtes Menüangebot gelten.
Bei Kuriger sind alle Fonds frisch. Seine Wildsauce kommt mit wenigen, aber prononcierten Zutaten aus:
Gut geröstete Knochen,
etwas Tomatenmark, viel Rotwein und viel Schalotte. Alles muss frisch sein und kaum gewürzt, fast "Reh
pur". So entsteht ein Rehgericht, das geschmacklich nicht überlagert ist, sondern kulinarisch abgerundet.
Nur so ergibt es eine unverwechselbare Köstlichkeit.