Die eigenartige Bezeichnung "Schüttelbrot" stammt von der Zubereitungsart. Dieses dünne Fladenbrot aus
Südtirol wird aus einem weichen Roggenteig hergestellt. Sauerteig dient zur Lockerung und die Gewürze
verbessern den Geschmack. Nach 3/4 Gare werden die Teiglinge mittels eines runden Brettchens
"flachgeschüttelt" und anschliessend gebacken. Schüttelbrot besteht fast zur Gänze aus Kruste und wird
zu Speck, Wurst, Käse und Wein oder auch als Knabbergebäck serviert.
Monique Rijks:
Jeden Donnerstag schneit es in Laatsch im oberen Vinschgau. Zumindest in Peter Schusters Backstube
(*). Dann wird nämlich das Schüttelbrot
produziert. Jede Woche tausend Stück. Eine Stunde lang schütteln vier Bäcker jeweils das mit Mehl
bestäubte flache Holz-Brettchen so
oft in die Luft, bis das Stück Teig darauf flach und rund ist. Mit dem Schütteln wird vermieden, dass die Luft
aus dem Teig gepresst wird, erklärt Bäckermeister Schuster die Mühe. Diese Luft ist es, die dem
Fladenbrot seine Knusprigkeit verleiht. Den typischen Geschmack verdankt es dem Fenchel, dem Kümmel
und dem Brotklee - ein
Gewürz, das sonst vor altern im östlichen Mittelmeerraum und in Asien wächst. Es schmeckt würzig und
intensiv und gehörte schon zu den Lieblingskräutern von Tutanchanmun, wie die gefundeuen Überreste in
seinem Grab vermuten lassen. Im Südtirol wird es vor allem als prägende Ingredienz im Schüttelbrot
eingesetzt. Peter Schuster kultiviert diese 80 bis 100 cm hohe Pflanze auf dem eigenen Acker.
Liefern lässt er sich hingegen den Roggen, der zu drei Vierteln den Teig ausmacht. Im Tal werden jährlich
1200 bis 1500 Zentner von dem Getreide produziert, das vor bald 3000 Jahren seinen Weg als Unkraut
hierher fand. Davon teilen sich die regionalen Bäcker 400 Zentner und verarbeiten es zu einer anderen
Brot-Spezialität, dem Vinschger
Paarl. Dass viele Südtiroler Brote flach sind, hat allerdings weniger mit dem Roggen als mehr mit der
Tradition zu tun: Früher
wurden die Ofen nur selten eingefeuert, das Brot musste halten, und da tat es, je flacher, desto länger. Bis
heute ohne Konservierungsmittel.
Bevor Peter Schuster das Schüttelbrot für fünfzehn bis achtzehn Minuten in den Ofen schiebt, darf es bei
Zimmertemperatur auf den mit Leintüchern bespannten Holzdielen aufgehen und ruhen. Was einfach tönt,
ist aber nicht immer so. Das Brot ist wetterfühlig. Ein bisschen mehr Feuchtigkeit in der Luft, ein warmer
Wind, und schon entwickelt es sich anders. Schuster weiss, wie damit umzugehen ist.
Schliesslich ist ihm das Brotbacken in die Wiege gelegt worden - seit
vier Generationen ist die Bäckerei in Laatsch in den Händen der Familie. Schüttelbrot schmeckt immer, am
besten jedoch zu einer zünftigen Marende mit Wurst, Speck, Käse und einem feinen Glas Vernatsch.