Was haben früher Fleischer in d. Fastenzeit gemacht? (In
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Von Martin Stankowski
Die Daten sind immer noch klar, seit mehr als 1000 Jahren.
Aschermittwoch punkt Mitternacht beginnt die Fastenzeit und endet nach 46 Tagen am Ostersamstag um
18 Uhr. Und auch die Spielregeln sind klar: in dieser Zeit gibt#s für die Christen nur eine volle
Mahlzeit am Tag und vielleicht noch zwei kleine Stärkungen. In der gesteigerten Form können die Frommen
auch abstinent leben ohne Alkohol und Fleisch und der Superlativ ist der Verzicht auf Sex. Bei manchem
vielleicht auch umgekehrt.
Das sind alte Regeln seit der frühen Kirche, hinzu kam aber bald die Praxis, das ganze Jahr über an den
Freitagen kein Fleisch zu essen, denn der galt als der Todestag Jesu und ausserdem war er bei den
Römern ein Feier- und Liebestag. Diese alte und heidnische Tradition
hat das neue Christentum bekämpft und die schönen Feiertage entsprechend umfunktioniert. Also freitags
hatte man traurig zu sein und dazu passte kein Fleisch, Fleisch das war Lust und Vergnügen.
So weit die Theorie, denn praktisch sah das ein wenig anders aus, da früher nicht annähernd so viel
Fleisch gegessen wurde wie heute -
dank industrieller Massentierhaltung und Konservierung. Fleisch war eigentlich in den mittelalterlichen
Gesellschaften die Ausnahme auf dem Speiseplan, jedenfalls beim gemeinen Publikum. Anders in der
Oberschicht, im reichen Stadtbürgertum oder in den Klöstern. Da wurde überhaupt gut gespeist. Von
französischen Mönchen gibt es eine Statistik, nach der sie sich täglich etwa sechs- bis
siebentausend Kalorien einverleibt haben und da war hin und wieder eine Diät schon rein körperlich
angesagt. Dem diente dann die Fastenzeit, in der die Gottesmänner weniger, aber durchaus nicht
schlechter speisten.
Die Klöster entwickelten spezielle Fastenspeisen, ein frommes Kochbuch kennt allein 62 diverse
Fastensuppen. Oder auch das Starkbier, das heute ja noch in dieser Zeit gebraut wird, ist als spezielles
Fastenbier in den Ordenshäusern entstanden.
Ein anderes Beispiel raffinierter Delikatessen und speziell für die Fastenzeit, sind die Maultaschen, die das
Fleisch ja vor dem strafenden Blick des Herrn verstecken. Bisweilen packte man auch die Fleischsülze in
Fischbehälter, oder buk einen Fisch, der nach Kalbfleisch schmeckte, wie überhaupt die delikatesten
Fischrezepte auf den Tisch kamen - die Mönche avancierten zu Experten der
Fischzucht. Wenn es schnell gehen musste, wurde auch schon mal ein Ferkel vorm Grillen im
Karpfenteich ertränkt, um es als Wassertier auszugeben, genau so wie Otter oder Wildenten natürlich
nicht als Fleisch sondern als Fisch galten. Am kreativsten waren Bamberger Mönche, die als spezielle
Fastenspeise trächtige Kaninchen schlachteten und die jungen als "Fische" verspeisten, sie hatten ja
schliesslich im Fruchtwasser geschwommen.
Wir man sieht, schlemmen und Fasten, das ist durchaus zusammenzubringen und zwar gleichzeitig und
nicht hintereinander und da war natürlich auch für die Fleischer das eine oder andere zu tun, denn wer so
kreativ mit der Definition von Fleisch umgeht, der will auch die entsprechenden Delikatessen auf der Theke
sehen oder wie der Rheinländer sagte "Wer schon fasten muss, soll wenigstens gut essen." Und das
bestätigt eine kleine Umfrage unter Kölner Fleischern noch heute, dass der Absatz zwischen
Aschermittwoch und Ostern nicht schwächelt, sondern läuft wie immer: reichlich
fleischlich.
O-Titel: Was haben früher Fleischer in der Fastenzeit gemacht? (Info)