Zum Festtag ein Griff in die hinterste Ecke des häuslichen Kartoffelkellers: Da kommt noch eine Flasche
71er Bahndamm Nordhang
zum Vorschein - ein echte Überraschung für die Gäste! Ein so
feiner, alter Tropfen... Es wird ein Grausen werden. Die Haltbarkeit von Wein wird im allgemeinen furchtbar
überschätzt. Die meisten halbwegs erschwinglichen Weine sind dazu da, sofort getrunken zu werden! Vier
Fünftel aller Weine sind - von Natur aus und vom
Kellermeister - so gemacht worden, dass sie jung am besten schmecken.
Die Legende von den feinen alten Weinen stammt aus Zeiten, in denen junge Weine in unseren Breiten
schlicht zu sauer waren zum Trinken.
Erst nach Jahren war die Säure überhaupt geniessbar.
Solche Weine schmeckten auch völlig anders als heute. Leichte Firne, also schon deutliche Überreife, galt
als wohlschmeckend. Die Engländer haben da ihren Geschmack durchgesetzt. Beim Champagner ist der
"Gout anglais" sprichwörtlich. Für Franzosen und Deutsche sind solche Tropfen schlicht zu alt.
Nur Top-Weine aus guten Jahren, guten Regionen und guten Betrieben
werden durch Lagern besser. Sie brauchen dazu ein Alterungspotential, das aus Alkohol und/oder Säure,
Zucker und Gerbstoffen bestehen kann. Auch die Edelfäule, der Botrytis-Pilz, hilft beim Überleben
in der Flasche.
_Lagerfähigkeit_ Weissweine: Alltagsweine unter 5 Euro Einkaufspreis sollte man frisch
trinken, spätestens nach 2 Jahren! Trockene Spät- und Auslesen: 5 Jahre, in grossen Ausnahmen 10.
Internationale trockene Spitzen-Weissweine auch länger.
Edelsüsse Weine lohnen das Einlagern viel eher: hochkarätige
(Riesling-)Auslesen und Beerenauslesen 10 Jahre,
Trockenbeerenauslesen, Eisweine, Sauternes durchaus viele Jahrzehnte.
Roséeweine immer frisch trinken Rotweine: Alltagsweine unter 5 Euro binnen drei Jahren trinken.
Spät- und Auslesen, Mittlere Bourgogne-Qualitäten, Spanische
Crianzas: 5-10 Jahre.
Internationale Cabernet-Sauvignons der mittleren Klasse, Spanische
Reservas und Gran Reservas: 10-15 Jahre
Nur Spitzen-Bordeaux und -Piemonteser, Top-Neue-Welt-Weine kann man
auch länger lagern. Die wenigsten werden auch davon nach 10 Jahren noch besser! Im Zweifel gilt die
Regel: trinken! Die Plädoyes für alte Weine
beziehen sich wirklich ausschliesslich auf absolute Spitzenweine.
Dass der 1928 Latour ein halbes Jahrhundert brauchte, um reif zu werden, das ist kein Grund einen "Grand
vin de Bordeaux" aus dem Supermarkt länger als drei Jahre oder einen schon ziemlich teuren "Cru
Bourgeois" länger als 10 Jahre in den Keller zu legen! _Die richtige Lagerung_ Wird die Haltbarkeit schon
überschätzt, kommt der richtigen Lagerung eine noch grössere Bedeutung zu. Schlecht gelagerte Weine
altern schneller:
* Licht: möglichst wenig * Temperatur: vor allem konstant! Der Keller
braucht gar nicht so kühl zu sein (weniger als 18 Grad wären aber schon gut) wichtig ist, dass die
Schwankungen zwischen Tag und Nacht und Sommer und Winter nicht zu gross sind. Sommer- und
Wintertemperatur sollten nicht mehr als 6 Grad auseinanderliegen. *
Luftfeuchtigkeit: möglichst hoch! 60 Prozent sind die untere Grenze,
der Korken schrumpft sonst und der Wein hat zuviel Kontakt mit dem Luftsauerstoff. * Sonstiges: Wein
nimmt leicht Gerüche an, deshalb
kein Obst/Gemüse, aber auch keine Farben/ Kleber im Weinkeller unterbringen. Auch Vibrationen tun dem
Wein nicht gut. Waschmaschine oder Heizung z.B. sollten deshalb nicht beim Wein stehen.