Als Hemikryptophyt zieht der Spitzwegerich sich im Herbst zurück, bleibt aber am Leben und überdauert
die ungünstige Zeit. Er wird deshalb zu den Stauden gerechnet. Er bevorzugt frische oder wechselfrische,
nährstoffreiche, meist tiefgründige, sandige oder lehmige Böden. Vor allem sind Fettwiesen und -weiden,
Parkrasen, vor
allem auch magere Ausbildungsformen wie Trocken- und
Halbtrockenrasen, Wegränder und sogar Äcker von der Ebene bis ins Gebirge seine Standorte. Da er
formenreich auftritt , werden in Mitteleuropa zwei deutlich unterscheidbare Unterarten beschrieben.
Während die eine Unterart (ssp. lanceolata) nur wenig Behaarung aufweist und in Wiesen vorkommt, ist die
andere (ssp. sphaerostachya) vor allem mit stark wollig behaartem Blattgrund ausgestattet und Bewohner
trockener, lückiger Rasen.
Die Inhaltsstoffe machen den Spitzwegerich zu einer wichtigen Arzneipflanze. Deshalb wird er auch in
europäischen Pharmakopöen (DAB 9, ÖAB 9, Helv. VI u.a.) angetroffen. Die Kommission E des früheren
Bundesgesundheitsamtes hat bereits am 11.11.1985 für Plantaginis lanceolatä herba eine positive
Monographie erstellt. In der Droge finden wir vor allem Schleimstoffe, das Glykosid Aucubin (Rhinanthin),
Gerbstoffe und Kieselsäure. Die Schleimstoffe dürften für die Reizlinderung verantwortlich sein. Sie
überziehen die angegriffenen Schleimhäute des Atemtraktes mit einer Schutzschicht, lassen
Entzündungen abheilen, bewahren sie vor neuen Angriffen von aussen und verhindern dadurch den
reflektorisch ausgelösten Hustenreiz. Aucubin wirkt erst als Aucubigenin, das enzymatisch durch
Hydrolyse bei der Aufbereitung der Droge entsteht. Sein Gehalt kann beim Spitzwegerich bis zu 1,6 %
betragen. Dies ist die grösste Menge, die bisher bei Wegericharten analysiert wurde. Hier liegt der Effekt
bei der Wachstumshemmung oder sogar Abtötung humanpathogener grampositiver und gramnegativer
Bakterien. Auch die Gerbstoffe wirken sich günstig auf die Schleimhäute aus. Auf Grund ihrer
adstringierenden Eigenschaft helfen sie, die gesteigerte Sekretion herabzusetzen, die Entzündung
einzudämmen, das Terrain von krankheitserregenden Bakterien zu befreien und einen leicht
lokalanästhetischen Effekt zu erreichen. Schliesslich trägt auch die Kieselsäure zur Gesundung der
Atemwege bei, indem sie das Bindegewebe kräftigt, evtl. vorhandene tuberkulöse Herde in der Lunge
abkapselt und durch Anregung der Leukozytose sowie Stimulierung der Interferon-Produktion für die
Steigerung der Abwehr sorgt. Der
Spitzwegerich verfügt also über eine so günstige qualitative und quantitative Wirkstoffkombination, so dass
wir mit ihm über eines der besten Hustenmittel verfügen. Neben Efeu und Thymian erhielt nur noch er im
Rahmen einer vor drei Jahren durchgeführten Marktanalyse eine positive Monographie als Expektorans und
Ein-Pflanzen-Präparat.
Die Aufbereitung der Spitzwegerich-Blätter und anderer Teile für
medizinische Zwecke erfolgt unterschiedlich, wenn man die Literatur studiert. Zum einen ist die
Verwendung der frischen Pflanzenteile in der Volksheilkunde üblich. Das Aufträufeln ausgepressten Saftes
ebenso wie das Auflegen gequetschter Blätter auf Wespen- und
Bienenstiche, Wunden, nässende Hautentzündungen und wirken abschwellend und abheilend. Interessant
ist, dass der Saft nicht so schnell schimmelt und unbrauchbar wird. Vermutlich ist dies dem antibiotisch
wirksamen Aucubin zu verdanken. Junge, zarte, im Frühjahr gesammelte Blätter können als Salat
gegessen werden. Sie haben einen verdauungsfördernden und stuhlregulierenden Effekt.
Ähnlich wirken angeblich die schleimproduzierenden Samen. Zur Bluetezeit geerntete Pflanzen
einschliesslich Wurzel lassen sich mit anderen Kräutern zu Suppe verarbeiten. Die gut gesäuberte Wurzel,
gekocht und gekaut, soll bei Zahnschmerzen helfen.
Am bekanntesten ist die Zubereitung eines Tees aus der Droge. Das Material zu deren Herstellung wird
während der Bluetezeit gesammelt.
Hauptlieferländer der im Handel befindlichen Droge sind das ehemalige Jugoslawien, Ungarn, Bulgarien,
Rumänien, Tschechien, Polen und Russland. Die Ware ist Wildbeständen entnommen. Der Anbau ist
unbedeutend. Er findet auf kleinen Flächen in Deutschland, Tschechien, Frankreich und Belgien statt.
Wichtig ist, dass Droge und Tees (Species, z.B. Mischung mit Lungenkraut Pulmonaria officinalis)
sachgerecht aufbewahrt und für die innerliche und äusserliche Verwendung richtig aufbereitet werden.
Sonst besteht die Gefahr des Verlustes an Wirkstoffen. Bei minderwertiger oder nicht richtiger Bearbeitung
sowie bei Erhitzung, wie dies bei der Herstellung eines Aufgusses oder gar einer Abkochung geschieht,
geht die Wirksamkeit des Spitzwegerichs zumindest teilweise verloren. Es findet dann eine Zerstörung des
Enzyms Beta-Glukosidase statt, wodurch die Hydrolyse
des Aucubins verhindert wird. Das bedeutet, dass dann ein solches Getränk keine antibiotische Wirkung
mehr hat. Geeignetere Aufbereitungen der Droge stellen heutzutage wässrige Kaltauszüge oder
Fluidextrakte dar. Kaltauszüge, für die 15 - 30g pro halbem
Liter genommen werden, können aber nie eine gleichbleibende Qualität besitzen. Besser ist der
Fluidextrakt. Er kommt beispielsweise in dem Monopräparat Broncho-Sern vor, das von der
pharmazeutischen Firma Sertürner in Gütersloh auf den Markt gebracht wird. Es handelt sich hierbei um
einen zuckerfreien Sirup, von dem 100 g 20 g Spitzwegerich-Fluidexkrakt (1 ; 1) enthält.
Beachtenswert ist nicht nur der niedrige Alkoholgehalt (6 %) sondern auch der in ihm enthaltene
Zuckeraustauschstoff Malitol. So besitzt dieses angenehm schmeckende und lange haltbare Hustenmittel
hervorragende Eigenschaften. Es leistet Dienste bei der Behandlung von durch Bakterien hervorgerufenen
Katarrhen der oberen Luftwege und der entzündlichen Erkrankungen von Mund- und Rachenschleimhaut,
die
durch fremdstoffbelastete und klimaveränderte Atemluft verursacht werden. Es lindert den Hustenreiz, wirkt
entzündungshemmend und erleichtert das Abhusten. Broncho-Sern fördert keine Zahnkaries und
belastet nicht unnötig den Stoffwechsel des Diabetikers.
Kontraindikationen, Neben- und Wechselwirkungen sind unbekannt. Als
Dosierungsvorschlag werden täglich 3 x 1 Esslöffel für Erwachsene und 3 x 1 Teelöffel für Kinder
angegeben. Eine Flasche enthält 150 ml Sirup.