Die Grillsaison hat begonnen. Dabei landet neben den Klassikern Würstchen und Kotelett auch häufig
Hähnchenfleisch auf dem Rost.
Doch Geflügelfleisch ist leicht verderblich, und besonders die Salmonellenbelastung stellt oft ein Problem
dar. Servicezeit: Essen
& Trinken liess Hähnchenkeulen aus Supermärkten und Metzgereien im Labor untersuchen. Wie frisch und
appetitlich ist die angebotene Ware? Erhält der Verbraucher hochwertiges Fleisch für sein Geld oder eher
Fett und Haut? _Geflügelfleisch - beliebt wie nie zuvor_
Bei den Herstellern von Geflügelfleisch läuft die Produktion auf vollen Touren. Das magere Fleisch ist bei
den Deutschen sehr beliebt. Die Nachfrage nach Grillartikeln mit Hähnchenfleisch ist sprunghaft gestiegen.
Der deutsche Geflügelmarkt hat die Auswirkungen der Vogelgrippe 2006 überwunden. Der Verbrauch und
die Produktion von Geflügelfleisch sind 2007 deutlich gestiegen und verfehlten knapp das Rekordniveau des
Jahres 2001 - während der
BSE-Krise (Bovine spongiforme Enzephalopathie - "schwammartige
Gehirnkrankheit der Rinder", umgangssprachlich "Rinderwahn").
Geflügelfleisch ist aber hierzulande meist industrielle Massenware.
_Wichtig: Hohe Hygienestandards und ununterbrochene Kühlkette_
Geflügelfleisch ist sehr empfindlich, es kann sehr schnell verderben. Auch die natürlicherweise im Fleisch
enthaltenen Keime können sich sehr schnell bedenklich vermehren. Daher müssen bei der Verarbeitung in
allen Bereichen höchste Hygieneansprüche gelten. Alle Erzeuger müssen sich an strenge Auflagen halten.
Dazu zählt die lückenlose Einhaltung der Kühlkette vom Schlachthof bis zum Supermarkt. Das Fleisch darf
auf keinen Fall warm werden. Auch während des Transports muss der Fahrer ständig einen Blick auf das
Thermostat werfen, um die Temperatur im Laderaum zu kontrollieren.
Im Supermarkt muss das Fleisch dann schnell in das Kühlregal. Auch hier muss die Kühlanlage
regelmässig überprüft werden. Läuft es so reibungslos, haben unerwünschte Keime keine Chance, sich zu
vermehren.
_Zwölf Produkte im Test_ Doch so ausgefeilt dieses System auch scheinen mag - es läuft nicht
immer so glatt wie im oben skizzierten Beispiel. Bei der Vermarktung von Frischgeflügel gibt es enorme
Schwachstellen. Das zeigte der Stichprobentest der Servicezeit: Essen & Trinken: Hähnchenkeulen
zwölf verschiedener Anbieter haben wir im Labor untersuchen lassen.
Sechs Packungen stammten aus dem Kühlregal in Supermärkten und Discountern. Sechs weitere Proben
haben wir an Bedientheken, beispielsweise in Metzgereien, gekauft.
Um die Haltbarkeit der Supermarktware zu verlängern, wird das Fleisch gut verpackt angeboten:
vakuumiert, unter Schutzatmosphäre
abgepackt oder einfach in einer Schale mit Folie umwickelt. Häufig ist hier eine lange Haltbarkeitsspanne
von bis zu acht Tagen angegeben! Ist das Geflügel dann überhaupt noch einwandfrei? _Erschreckende
Hygienemängel_ Beim mikrobiologischen Test suchten die Experten nach unerwünschten Keimen und
Krankheitserregern - und wurden fündig. Eine starke
Belastung zweier Proben mit Hefen zeigte, dass sie längst nicht mehr frisch waren. Und damit nicht genug.
Auch erhöhte Mengen an Darmbakterien, darunter die gefährlichen Escherichia coli, wurden gefunden.
Dasselbe gilt für möglicherweise infektionsauslösende Staphylokokken - alles Keime, die in derart hohen
Mengen nichts im
Hähnchenfleisch zu suchen haben. Das zeigt: In vielen Betrieben
wurde offenbar nicht hygienisch einwandfrei gearbeitet.
_Belastung mit Salmonellen und Campylobacter_ Ein besonderes Problem bei der Geflügelzucht stellt die
Belastung der Tiere mit Salmonellen und Campylobacter dar. Diese Erreger kommen insbesondere im
Magen-Darm-Trakt von Tieren vor und können
während des Schlachtprozesses auf Haut und Fleisch gelangen. Somit deutet der Nachweis auf
mangelnde Schlachthygiene hin. Diese Keime können beim Menschen zu schweren
Lebensmittelinfektionen mit Durchfall und Erbrechen führen.
Wie unser Labortest zeigt, haben die getesteten Hersteller die Salmonellenproblematik im Griff - es wurden
keine Salmonellen
nachgewiesen.
Anders bei den Campylobacter: Sie steckten in gut der Hälfte der
Proben. Der alleinige Nachweis dieser Keime führte allerdings nicht zur Beanstandung eines Produkts.
Noch vor Jahren wären diese Werte wohl noch viel höher ausgefallen. Das Ergebnis ist ein Hinweis darauf,
dass die inzwischen getroffenen Massnahmen zur Hygiene in der Geflügelzucht langsam greifen.
_Teils ekelerregend: Aussehen und Geruch_
Die hohe Keimbelastung war das Eine, der zum Teil ekelerregende sensorische Test machte den Experten
dann aber wirklich zu schaffen.
Viele Proben waren am Ende des Verbrauchsdatums unappetitlich.
Geruch und Aussehen sind bei Lebensmitteln ein entscheidendes Qualitätsmerkmal. Mikrobiologisch
einwandfreie Proben können daher bei einer fehlerhaften Sensorik im Gesamturteil höchstens mittelmässig
abschneiden. Teilweise hingen an den Keulen grosse Federn, Blutbahnen waren sichtbar, oder
überschüssige Haut und Fett waren vorhanden.
_Keine einwandfreie Probe_ Unser trauriges Testergebnis: Kein Produkt bekam die Gesamtnote
"sehr gut" oder "gut". Mit der mittelmässigen Note "zufriedenstellend" schnitten acht Proben ab. Entweder
enthielten sie Campylobacter, oder sie waren in Sachen Aussehen und Geruch nicht sehr appetitlich. Vier
Proben waren sehr stark mit Keimen belastet. Zwei davon hätten gar nicht in den Verkehr gebracht werden
dürfen.
Die genauen Testergebnisse finden Sie unter:
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200
8/0523/pdf/hähnchenkeulen.pdf Die Tabelle als PDF-Datei zum Downloaden und Ausdrucken
(76 KB) _Keine mikrobiologischen Grenzwerte_ Angesichts des schlechten Testergebnisses ist es
eigentlich ein Skandal, dass es nicht für alle Keimgehalte spezifische, gesetzliche Grenzwerte für
Frischgeflügel gibt. Sowohl für die amtliche Lebensmittelüberwachung als auch für Hersteller und Handel
wären solche einheitlichen Hygienevorschriften jedoch wichtig, um die Qualität der Produkte künftig
sicherzustellen.
Bislang kann eine Beanstandung belasteter Proben anhand der allgemeinen Verkehrsauffassung und
anhand von Erfahrungswerten erfolgen. Laut Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz kann das
Geflügelfleisch ausserdem als genussuntauglich eingestuft werden, wenn Aussehen, Geruch oder
Geschmack ekelerregend sind beziehungsweise nicht den üblichen Qualitätsanforderungen entsprechen.
_Verbrauchsspanne zu lang bemessen_ Nach den Ergebnissen unseres Tests scheinen die Hersteller die
Verbrauchsspanne der Geflügelprodukte oft zu grosszügig zu bemessen. Die Resultate der Stichproben
sind sehr unappetitlich, lassen sich jedoch nicht verallgemeinern. Einzelne Produzenten an den Pranger zu
stellen, wäre deshalb unangemessen. Denn - auch das
ergab unser Test - die Waren eines Herstellers waren im einen Fall
völlig in Ordnung, im anderen belastet. Das hängt wohl mit Lücken in der Kühlkette zusammen.
Im Sinne des Verbraucherschutzes sind strengere Kontrollen, klare Grenzwerte für Keime und kürzere
Verbrauchsspannen zu fordern.
_Küchentipps_ Dennoch - es gibt keinen Grund zur Panik, wenn man als Verbraucher
in der Küche einige Dinge beherzigt: Geflügelfleisch sollte man
immer sehr kühl, getrennt von anderen Lebensmitteln und maximal einen Tag aufbewahren. Die Hände,
aber auch Brettchen und Messer müssen nach der Verarbeitung von Hähnchenfleisch gründlich mit Seife
und heissem Wasser abgewaschen werden. Besonders wichtig ist es, das Fleisch ganz durchzugaren. Nur
dann ist sichergestellt, dass Krankheitserreger auch wirklich abgetötet sind. Achtung: Nach
Ablauf des Verbrauchsdatums ist Geflügelfleisch als verdorben anzusehen und sollte nicht mehr verzehrt
werden! _Ergebnisse der Internetumfrage_ Unsere zweiwöchige Internetumfrage "Sind Sie an
Lebensmitteltests der Servicezeit: Essen & Trinken interessiert?" ergab folgendes
Ergebnis:
* ja, immer: 1.133 Stimmen
* kommt auf das Produkt an: 270 Stimmen
* nein, gar nicht: 35 Stimmen
_Weitere Informationen_
*
http://www.bfr.bund.de/cm/208/campylobacter_bei_geflügel_überblick
_über_angewandte_nachweismethoden_und_die_derzeitige_datenlage.pdf Protokoll des Bundesinstituts für
Risikobewertung vom 12. Dezember 2006: "Campylobacter bei Geflügel: Überblick über angewandte
Nachweismethoden und die derzeitige Datenlage" PDF-Datei (151 KB)
*
http://www.rki.de/cln_049/nn_466816/sid_91BBC5A3B2A9A82F3F2FDE28FD2C
8550/nsc_trü/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2007/36__07.html Das Robert Koch-Institut bietet aktuelle
Informationen zum Thema:
"Campylobacter-Erkrankungen: Zum vermehrten Auftreten im Jahr 2007"
Möglichkeit zum Download des "Epidemiologischen Bulletins 36" als PDF-Datei
*
http://www.bvl.bund.de/cln_027/nn_493978/DE/01__Lebensmittel/01__Sic
herheit__Kontrollen/04__NRKP/01__berichte__nrkp/nrkp__bericht__2006.
html#doc1159238bodyText7 Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit:
"Jahresbericht 2006 zum Nationalen Rückstandskontrollplan" Ausführungen zum Thema "Geflügel"
* http://www.bfr.bund.de/cm/208/campylobacter_spp_in_entenbrust.pdf
Stellungnahme Nummer 002/2008 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) vom 20. Dezember 2007:
"Campylobacter spp. in
Entenbrust" PDF-Datei (60 KB)
*
http://www.bfr.bund.de/cm/276/ausgewählte_fragen_und_antworten_zur_
lebensmittelhygiene_in_zeiten_der_vogelgrippe.pdf Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): "Ausgewählte
Fragen und
Antworten zur Lebensmittelhygiene in Zeiten der Vogelgrippe - Wie
kann der Verbraucher sich und seine Familie schützen?" PDF-Datei (104 KB)
_Links_
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200
8/0509/03_etiketten.jsp Etiketten: Frischeanzeige auf Lebensmitteln
(Servicezeit: Essen & Trinken vom 9. Mai 2008)
*
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/extras/tests/index.js
p Tests aus den Sendungen (Servicezeit: Essen & Trinken)