Wie muss man mit dem Meerestier Polpo umgehen, damit es kulinarisch meisterhaft gelingt? Eero Meili
zeigts vor - mit seinem 'Polpo
marinato'.
An der 'Festa dell'unita', dem alljährlichen Fest der kommunistischen Partei Italiens, begegnete Eero Meili
in Livorno zum ersten Mal einem Gericht mit Polpo oder Octopus, wie man dieses Meerestier auch nennt,
an das er sich noch heute erinnert. Der Schweizer Koch war zwar kein Mitglied der Arbeiter- und
Bauernpartei, aber: 'Ich war jung, und an
diesem Fest konnten sich junge Leute glänzend amüsieren.' Logisch, dass sich der junge Meili wie alle
anderen Anwesenden ein Stück vom Polpo schnappte. 'Es war die einzige Speise, die hier angeboten
wurde', sagt er. Man habe den 'Polpo lesso', den gesottenen Polpo, einfach mit frischem Zitronensaft
überträufelt, und bereits nach dem ersten Bissen geschmeckt: 'Das ist etwas richtig Feines.'
Kurze Zeit nach diesem Erlebnis trat Meili, der Italien-Fan, einen
Job als Koch in der 'Barcaccina' bei San Vincenzo an und vertiefte seine Bekanntschaft mit dem Polpo. Die
Probleme hatte er rasch im Griff: 'Die ersten Schwierigkeiten vergehen, wenn man den Polpo
frisch angeliefert bekommt und ihn dann auch gleich selber putzen muss.' Durch die Tatsache, dass die
'Barcaccina' jedes Jahr auf den Saisonbeginn hin zu einem grossen Strandfest lud, war für den Schweizer
der ideale Rahmen gegeben, selbst mal Polpo anzubieten.
'Als Ende Juni die ersten Touristen in San Vincenzo eintrafen, luden wir sie mit Freunden und den
Stammgästen der Gegend zur Beachparty.' Das einzige Essen neben vielen Getränken war 'Polpo lesso'.
Meili erinnert sich: 'Es werden wohl an die 30 Kilo Octopus gewesen sein,
die ich zu putzen hatte.' Der Rest verlief wie beim Fest der Kommunisten, denn: 'Ein perfektes
Produkt genügt sich meist selbst. Etwas frischer Zitronensaft und ein paar Tropfen bestes Olivenöl machen
aus dem Ganzen einen echten Genuss.' Seit der Koch im 'Turicer' kocht und wirtet, steht immer ein
Polpogericht auf der kleinen Karte des Hauses. Es gebe zwar nur wenige wirklich gute Gerichte mit
Octopus, sagt der Koch. So habe man in San Vincenzo jeweils die ligurische Fischsuppe, die 'Cacciucco',
neu interpretiert und sie fast nur mit Polpo gekocht. Diesen suppigen substanziellen Eintopf liebe die lokale
Bevölkerung sehr. Eine andere regionale Spezialität: Der ganze Octopus wird mit Kartoffeln
und Tomaten stundenlang im Backofen geschmort.
Beide Gerichte sind im 'Turicer' jedoch nicht zu haben. Sie sind zu speziell, als dass sie in Zuerich einem
breiteren Publikum schmecken könnten. 'Manchmal, wenn ich -Tomaten finde', sagt Meili,
'biete ich an.' Was das ist? Der Koch setzt den ganzen rohen Polpo mit den
passierten Tomaten in einer leeren Pfanne an, gibt etwas Chilischote, Salz, Pfeffer und Weisswein dazu
und kocht das Ganze stundenlang weich. Danach wird der Octopus klein geschnitten und kommt mit dem
Sugo zu den abgeschütteten Spaghetti direkt in die Pfanne. Meili giesst dabei etwas Pastasud hinzu und
mischt erst dann die ganze Herrlichkeit.
Am liebsten verkocht der Schweizer den Polpo jedoch zu seinem 'Polpo marinato'. Er begründet: 'Das ist
ein Gericht, bei dem man die
Frische und die Leichtigkeit dieses Fleisches spürt.' Kein Wunder, nennt Meili als weitere Qualität dieses
Gerichts: 'Es symbolisiert
einerseits den Frühling, anderseits die Ankunft der warmen Tage.' Inzwischen kennt und beherrscht der
Koch den Umgang mit dem schwierigen Fleisch des Weichtieres aus dem Meer schon fast aus dem Effeff.
Zwar gibt es Polpo in der Schweiz nie frisch zu kaufen, sondern bloss tiefgekühlt. Das hat aber auch seine
Vorteile: Der
Koch muss das Tier nicht blanchieren, bevor er es verkochen kann.
Tiefgekühlte Polpi sind nämlich bereits sauber geputzt und können direkt verwendet werden.
Ab diesem Moment sind allerdings die Tricks und Kniffe gefragt, die sich der Schweizer im Laufe der
Italien-Jahre angeeignet hat. Ein
Beispiel: Meili versetzt das Kochwasser stets mit grobem Meersalz,
weil dieses die Kraft des Meerwassers in das Weichtier zurückbringt.
Und bei ihm kommt immer auch ein winziger Schuss Weissweinessig in den Sud. 'Ich weiss nicht, ob ich
damit ein Küchengeheimnis preisgebe', sagt Meili. Tatsache sei, dass seine Gäste immer wieder sagten:'
Eero, bei dir schmeckt Polpo am besten.'