Genau das Richtige für den Spätsommer: eine kalte, leichte
Kartoffel-Sellerie-Suppe. Für ihre einmalige Spritzigkeit sorgt ein
Schluck Mineralwasser # es muss nicht aus Vichy sein.
Stets im Spätsommer packt mich unweigerlich die Lust auf eine kalte Vichyssoise. Zur Freude meiner
Freunde: Weil es sich nämlich nicht
lohnt, Suppen für bloss vier oder sechs Personen zuzubereiten, lade ich jeweils zum grossen Mahl ein. So
kommt meine Vichyssoise in genügender Menge frisch auf den Tisch, und Reste gibt es auch nicht.
Das ist wichtig, denn so fabelhaft eine wirklich frische Vichyssoise schmeckt, so schlecht mundet sie 24
Stunden später.
An meine erste Vichyssoise erinnere ich mich sehr deutlich. Ich war damals wohl acht oder neun Jahre alt.
Meine Eltern hatten mich in ein so genanntes Grand Restaurant mitgenommen. Dort wurde mir die Suppe
in einer Mokkatasse serviert. Dass es nicht irgendeine Tasse war, sondern eine aus der berühmten
Porzellanmanufaktur Royal Copenhagen, mit blaüm Zwiebelmuster, gehörte zum Stil des Hauses. Ebenso
unvergesslich blieb mir jedoch der erste Löffel schaumig kühler Vichyssoise! Kalte Milch zum Löschen
Erst viele Jahre später begann ich selber, ernsthaft zu kochen.
Nicht von Berufs wegen, sondern aus Freude, Neugier und schliesslich aus Leidenschaft. Dass damit auch
meine Suche nach der perfekten Vichyssoise begann, versteht sich von selber. Es gibt nämlich viele Arten
von kalten Kartoffel-Sellerie-Suppen # aber lediglich eine
Vichyssoise.
Ihr Name verrät, dass sie aus Mittelfrankreich stammt. Tatsächlich kochen die dortigen Bauernfrauen noch
heute eine Lauch-Kartoffel-Suppe ähnlicher Art. Damit die Aromen frisch bleiben
und nicht klebrig-leimig verkochen, stoppen die ländlichen
Köchinnen den Garprozess auf dem Höhepunkt des Kochens mit einem grosszügigen Schuss kalter
Rohmilch. Zweifellos hat sich der aus einem kleinen Dorf bei Vichy stammende Louis Diat an genau dieses
Gericht erinnert, als er als Küchenchef des New Yorker Nobelhotels Ritz-Carlton die Vichyssoise auf die
Speisekarte setzte.
Abkühlung für erhitzte New Yorker Es war zu Beginn des letzten Jahrhunderts; New York kannte noch
keine Klimaanlagen. Um den Gästen den stickig schwülen Sommer etwas zu erleichtern, eröffnete das
'Ritz-Carlton' einen Dachgarten mit
Restaurant. Dort sorgte alsbald die Vichyssoise für eine zusätzliche kühle Brise. Louis Diat wird sich
gedacht haben: Was
französische Bauern erfrischen kann, tut auch hitzegeplagten New Yorkern gut! Natürlich verfeinerte
Monsieur Diat das rustikale Gericht: Im Gegensatz zur traditionellen Zubereitung, bei der der
ganze Lauch verwendet wird, landeten in Diats Vichyssoise bloss dessen weisse Teile.
Auch heute wird ein aromenbewusster Koch für eine Vichyssoise nie Knollensellerie brauchen, sondern
stets Stangensellerie. Denn Knollensellerie bindet die Suppe mit viel Stärke, das Gericht glänzt dann fast
fettig. Stangensellerie hingegen würzt vielschichtiger und delikater. Da die Vichyssoise nach dem
Diätkurort in Frankreich benannt ist, entsteht sie in der Originalzubereitung auch nicht mit Hühnerbrühe.
Die berühmten Carottes a la Vichy werden schliesslich ebenfalls nicht mit Brühe, sondern mit
Mineralwasser gekocht! Anders gesagt: Die echte Vichyssoise muss mit blossem Wasser angesetzt
werden. Meine Versuche haben zwar gezeigt, dass eine Vichyssoise mit Hühnerbrühe auch sehr gut
schmeckt, auf eine handfest-köstliche
Weise. Die mit purem Wasser gekochte Vichyssoise ist jedoch wolkengleich leicht und unverschämt
elegant.
Dass sie selbst von gestandenen Küchenchefs immer wieder mit Butter angesetzt wird, ist ein Jammer:
Anstatt samtweich wird die
Vichyssoise auf diese Weise nur allzu oft ziemlich krümelig. Denn da die Suppe ja kühl serviert wird,
verfestigt sich die Butter wieder # und aus ists mit der feinen Struktur# Gewürzt wird die Suppe so einfach
und geradlinig wie möglich.
Verwenden Sie Hühnerbrühe, schwingen deren Aromen auch in der Suppentasse mit. Setzen Sie die
Vichyssoise mit blossem Wasser an, erhält sie logischerweise mehr Salz, um so genügend Kraft zu
entwickeln. Bei beiden Zubereitungsarten rate ich ganz am Schluss zu einer Drehung mit der weissen
Pfeffermühle über der Tasse. Fertig gewürzt! Kein Paprika, kein Cayenne, kein Curry darf den klaren
Geschmack der Suppe stören.
Nicht zu viel Rahm verwenden Hüten Sie sich zudem vor einer allzu grosszügigen Rahmzugabe: Ein ts pro
Tasse genügt. Und vergessen Sie
keinesfalls den freigebigen Schuss Mineralwasser mit Kohlensäure.
Erst er verwandelt die kalte Suppe in jene bemerkenswerte Sommerkost, die ich in jungen Jahren als
Vichyssoise lieben gelernt hatte.