Die Traubenlese ist fast schon abgeschlossen. Und das Mitte Oktober.
Es war ein ungewöhnliches Jahr. Drei bis vier Wochen Vorsprung hatte die Natur. Und das macht sich jetzt
bemerkbar. Nicht nur beim Lesetermin, sondern auch bei der Qualität der Trauben: Nie waren sie
so süss wie heute.... Die Sommersonne hat das ihre getan.
Normalerweise kommen Moste auf einen Zuckerwert von knapp 80 Grad Öchsle. In diesem Jahr liegt der
Schnitt nahe bei 100. Das ist Rekord! Nach dem Deutschen Weingesetz wird die Qualität eines Weines
nach dem Zuckergehalt eingestuft. Das heisst: Der 2003er kommt erst einmal als
Super-Jahrhundertjahrgang daher.
Die Winzer werden gar nicht genug "einfache" Weine haben und deshalb Spät- und Auslesen als schlichte
Alltagsweine verkaufen.
Der zweite Faktor, der für diesen Jahrgang spricht: die Trauben sind
sehr gesund. Das ist nicht selbstverständlich. Oft werden nämlich so hohe Zuckerwerte nur erreicht, wenn
die Edelfäule, der Schimmelpilz Botrytis Cynera, die Trauben befallen hat. Dann verlieren sie Wasser und
der Rest der Inhaltsstoffe wird verdichtet.
Die Edelfäule aber schmeckt man: bei edelsüssen Weinen ist das
durchaus erwünscht. Bei trocknen allerdings nicht. Deshalb sind gesunde, vollreife Beeren optimal. Vor
allem auch bei Rotwein, denn die Fäule frisst die Farbe auf.
Trotzdem ist es gefährlich, den Jahrgang so früh so hoch zu loben.
Erst nach der Gärung wird man ein wirklich gutes Bild haben. Und da zeichnen sich schon auch ein paar
Besonderheiten ab, die vielleicht nicht so ganz ins Bild passen:
Die extrem hohen Zuckerwerte führen zu sehr hohen Alkoholgehalten.
Weine mit 14 und mehr Prozent Alkohol werden keine Seltenheit sein.
Das lässt sich gar nicht vermeiden. Nicht jeder aber mag solche Bomben. Dazu kommt, dass die
Säuregehalte eher niedrig sind. So dass solche Weine leicht auch breit und brandig schmecken können.
Gerade noch rechtzeitig - aus Sicht der Winzer - kam die Erlaubnis aus
Brüssel, dass auch die Deutschen jetzt ihre Weine künstlich säuern dürfen.
Im Gegensatz zum deutschen Weingesetz, halten Kenner zudem den Zucker nicht für das Allein-
Seligmachende im Wein. Viel wichtiger sind die
Aromen, die man erst nach der Gärung beurteilen kann und schliesslich weiss niemand, wie sich die 2003
lagern werden. Da wird es wohl grosse Unterschiede geben.
In Weinbergen in denen das Wasser sehr knapp war, konnten die Reben nämlich keine Mineralien mehr
aufnehmen. Sie sind zwar süss aber ansonsten inhaltsarm. Vor allem wenn Stickstoff in den Trauben fehlt,
kann das zum so genannten "untypischen Alterungston" (UTA) führen.
Schon nach wenigen Monaten auf der Flasche werden die Weine dann dunkel und schmecken "uralt".
Viele Winzer nutzen sogenannte "UTA-Schnelltests" bei denen die Weine einer Turbo-Alterung
ausgesetzt werden. Damit kann man zumindest ahnen, ob es Probleme gibt oder nicht. Solche Weine
werden dann in der Regel schnell an Kellereien verkauft und möglichst nicht unter eigenem Etikett
angeboten.
Wo allerdings genug Wasser zur Verfügung stand, sollte auch die Haltbarkeit sehr gut sein.
Die Erträge sind eher unterdurchschnittlich. Das macht allerdings weder den Winzern Kopfzerbrechen,
noch braucht es die Verbraucher beunruhigen: es liegen nämlich noch genug Weine aus den
Vorjahrgängen in den Kellern, die bislang wegen der Vermarktungsbeschränkung nicht verkauft werden
durften. Die kommen jetzt auf den Markt und werden dafür sorgen, dass es genug Ware gibt
- und: dass die Preise kaum ansteigen werden.
Jedenfalls zeichnet sich derzeit - zum Leidwesen der Winzer - kein
wirklicher Anstieg ab. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass viele Weine "herabgestuft" werden,
dann ist der 2003er sogar ein Schnäppchen.
Europaweit übrigens melden die Winzer das Gleiche: sowohl bei den
Erträgen, als auch bei den Qualitäten.