Sauerampfer - Wie luftig gleitet in Frankreich 'oseilles' verbal mit
seiner erfrischend-prickelnden Säure über die Lippen, während
unser Sauerampfer einfach nur sauer und dumpf auf das Geschmacksempfinden drückt. Kann das
begründen, dass dieses Kraut bei uns nur hin und wieder in der Küche verwendet wird, es aber nie zu einer
Karriere wie Rucola, Petersilie oder Basilikum gebracht hat? Ein Blick rund 1000 Jahre zurück zeigt, dass
Kräuter wie der Sauerampfer zu den letzten Resten gehörte, die dem gemeinen Volk als Zutat für Suppen
übrigblieben, während sich die Herrschaft, wenn sie denn mächtig genug war, sich das Vergnügen des
exorbitanten Fleischkonsums leistete. Die Geistlichkeit wiederum zog einige Kräuter und Gemüse im
eigenen Garten und ass Fisch und Fleisch in etwas ausgewogenerem Verhältnis, nicht nur der zahlreichen
vorgeschriebenen Fasttage wegen. Beide höheren Stände schauten zwar auf die Bauern als Kraut-und-
Rüben-Esser herab, erkrankten aber ob
des Vitaminmangels oft an Skorbut und anderem, obwohl gerade die Geistlichkeit und die ersten
Bücherschreiber von der harntreibenden und leberstärkenden Wirkung einiger Ampferarten gewusst haben
dürften. Die Bauern hingegen schöpften die heilenden Säfte gewissermassen aus purer Not aus dem
gemeinsamen Suppentopf, in den sie jeweils warfen, was sie in ihrer näheren Umgebung finden oder selber
anpflanzen konnten.
Viele Namen - Wenig Ordnung
Erst im mittleren Mittelalter, nachdem sich die Wirren um die politische Macht etwas gelegt hatten und der
Handel wieder neue Fäden spinnen konnte, entstand so etwas wie eine neue Küche, die importierte
Gewürze und Kräuter aus fernen Ländern verwenden konnte. Weitverbreitet war zum Beispiel eine grüne
Sauce, die Sauerampfer enthielt, mit einer Art Panade angedickt und je nach Geldbeutel mit mehr oder
weniger Zutaten ge- oder verwürzt wurde.
Welcher Rumex, so der botanische Gattungsname des Ampfers, verwendet wurde, lässt sich nicht
schlüssig sagen. Schon in jüngeren Hinweisen herrscht beim Benennen das lautere Chaos, denn es soll
rund 200 Arten geben, die in den gemässigten Klimazonen wachsen. Acetosa nennen die modernen
Fachleute die verbreitetste Art. Die alten Spezialisten schreiben von Rumex patientia, dem Gartenampfer,
den sie auch Rumex oxalis in Anlehnung an den Sauerklee nennen, womit die Verbindung zum
französischen Wort oseille geschaffen ist. Der Gartenampfer, auch englischer Spinat genannt und wie
Spinat zubereitet, wäre für heutige verwöhnte Gaumen zu sauer. Der in der modernen Küche verwendete
Ampfertyp ist milder und wird meist als Sauce zu Fisch gereicht, würzt Salate und in Frankfurt die grüne
Sauce, die, wer weiss, vielleicht von jener grünen Sauce des Mittelalters abstammt. Am begehrtesten ist
der Rumex scutatus, der Römische Ampfer, mit den Pfeilspitzen ähnlichen kleinen Blättern, und am
verbreitetsten ist Rumex crispus, jener mit den langen schmalen Blättern, die meist sehr schlapp wirken.
Hans Surber .