Die Wiederentdeckung In den letzten Jahren ist die Nachfrage nach Dinkel wieder gestiegen.
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind in bezug auf ihr »tägliches Brot« qualitätsbewußter
geworden. Und die Qualität von Dinkel ist unbestritten sehr gut. Die Tatsache, daß Dinkelteig sich
maschinell nicht gut verarbeiten läßt, ist in diesem Zusammenhang weniger wichtig, denn der zähe Teig,
der die Bäcke-reimaschinen
verklebt, ist beim Kochen und Backen im Haushalt eher erwünscht. Im Hefe- oder Biskuitteig hält der
Dinkelkleber besonders viel Luft,
wodurch das Gebäck lockerer wird. Auch Bratlinge werden durch kein anderes Getreide so gut
zusammengehalten, was auf den hohen Klebergehalt des Dinkels und dessen beson-ders gute
Quellfähigkeit
zurückzuführen ist. Die meisten dieser neuen Verbraucherinnen und Verbraucher von Dinkel bevorzugen
Produkte aus biologlschem Anbau; sie interessieren sich dafür, wie das, was sie essen, produziert wird.
Dinkel eignet sich besonders für einen Anbau ohne chemische Hilfsmittel. Die robuste, anspruchslose
Pflanze gedeiht auch ohne die »Segnungen« der modernen Agrarchemie gut. Die fest verwachsenen
Spelzen schützen das Dinkelkorn zudem vor Umweltgiften aus Luft und Regen. Allerdings nimmt auch
Dinkel aus biologischem Anbau durch die Wurzel Gifte auf, die durch Luftverschmutzung und sauren Regen
in den Boden gelangen. Dagegen hilft nur die Verringerung der Schadstoffemissionen bzw. noch besser
deren Einstellung. Seit es immer mehr Menschen gibt, die bereit sind, für biologisch erzeugte, hochwertige
Lebensmittel einen entsprechenden Preis zu zahlen, lohnt es sich für die Bauern wieder, über Dinkelanbau
nachzudenken.
Problematischer wird es bei den Gerbmühlen. Manche Bauern haben sich schon zusammengeschlossen,
um für orts-ansässige Mühlenbetriebe
einen Gerbgang anzuschaffen. Andere transportieren ihre gesamte Ernte über weite Strecken ins
Stammland der Dinkelbauern, in die fränki-sche Region um Boxberg und Bad Mergentheim, um den Dinkel
dort gerben zu lassen. Trotz dieser Schwierigkeiten wird der Dinkelanbau für manche wieder zum lohnen-
den Geschäft, da der Dinkel
nicht nur im Endverbrauch neu entdeckt wird. Vielmehr bietet auch die alternative Lebensmittelindustrie
immer mehr Produkte aus Dinkel an. Besonders Fertigmischungen für Suppen und Bratlinge und
Brotaufstriche mit Dinkel werden immer beliebter. Auch Backwaren aus Dinkel haben sich inzwischen auf
dem Lebensmittelmarkt etabliert.
1990 bauten die Bauern der Vereinigung Fränkischer Grünkernerzeuger um Boxberg auf einer Fläche von
1450 ha Dinkel an. Neuere Zahlen für Baden-Württemberg lauten wie folgt: 1989 wurde auf insgesamt 3 561
ha Ackerfläche Dinkel angebaut, im Jahre 1995 war die Dinkelanbaufläche auf 7 538 ha gestiegen, und
1996 betrug die Anbaufläche 6 965 ha. Die Tendenz, die sich an diesen Zahlen ablesen läßt, kann man für
ganz Deutsch-land verallgemeinern. Durch die
große Nachfrage haben in den letzten Jahren sehr viele Landwirte auf die Produktion von Dinkel umgestellt.
Zusätzliche finanziel-le
Anreize gab es, als der Anbau von Dinkel im Rahmen von Extensivierungs-progrogrammen unterstützt
wurde. Allerdings hat sich
der Absatz der Produkte nicht im gleichen Maße steigern lassen wie die Anbauflächen. Deshalb ist seit
etwa 2 Jahren die Größe der Anbauflächen rückläufig, und auch manche Grünkern-darre ist nicht
mehr ausgelastet. Für den Verbraucher hat das natürlich den positiven Effekt einer viel besseren
Versorgung. 1990 war es noch nicht möglich, den Bedarf an biologisch erzeugtem Grünkern zu decken.
Es gab Naturkostläden, die mit konventioneller Ware die Lücken schlossen, was heute nicht mehr denkbar
ist. Der konventionell angebaute Grünkern stammt nach wie vor ausschließlich aus dem
badenwürttembergischen Bauland. Bei der biologischen Ware hat sich die Situa-tion etwas verschoben. Da
der Markt für biologisch
erzeugten Dinkel interessan-ter ist, gibt es über das Land verteilt
einzelne Höfe, die Dinkel produzieren. Hier und da wurde auch eine Grünkerndarre gebaut. Die Ernten
werden meist regio-nal vermarktet.
In Nordrhein-Westfalen hat sich unter dem Dach des Naturland-
Verbandes eine Vereinigung von Bauern mit mehreren Darren zusammengefunden. Vereinzelt gibt es auch
Dinkel- und Grünkernbauern
in den neuen Bundesländern. Dabei handelt es sich ausnahmslos um »Einwanderer« aus dem Westen, die
das Know-how mitbrachten.
Allerdings ist hier das Interesse der Verbraucher an die-sem
Getreide deutlich geringer. Momentan stellt sich der Verzehr und Anbau von Dinkel und Grünkern also als
eine typisch westdeutsche Erscheinung mit deutli-chem Schwerpunkt im Süden dar. Auch in den
angrenzenden Alpenländern wird auf manchen Biohöfen Dinkel produziert. Eine Grünkernerzeugung
außerhalb Deutschlands hat sich nie etabliert. Kleine Mengen an Dinkel werden aus Frankreichimportiert.