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Spanische Paprika jetzt weniger belastet? (Info)



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  • - Servicezeit Essen &
  • - Trinken - Kostprobe,
  • - WDR 22.02.2008
  • - Erfasst von Christina Phil
  • Ein Meer aus Plastik, so weit das Auge reicht - die Region Almería im südlichen Spanien ist das grösste Treibhaus-Gemüseanbaugebiet der Welt. Doch dieser "Wintergarten" ist in Verruf geraten. Tomaten, Paprika & Co. aus dieser Region waren häufig mit chemischen Pflanzenschutzmittelrückständen belastet. Teils sogar mit in Europa verbotenen, hochgiftigen Substanzen. Der deutsche Handel übte im vergangenen Jahr auf die Produzenten Druck aus. Hat sich die Situation nun gebessert? Servicezeit: Essen & Trinken machte sich auf die Reise nach Spanien und schaute hinter die Kulissen der Gemüseindustrie.

    _Gemüseproduktion in Wüstenlandschaft_ In der Region Almería befindet sich die mit über 25.000 Quadratkilometern weltweit grösste Anbaufläche unter Treibhausfolie. Pro Jahr werden hier etwa 2,6 Millionen Tonnen Tomaten, Paprika, Gurken, Zucchini und Auberginen im Treibhaus für den Export nach ganz Europa produziert. In der Wintersaison verlassen täglich rund 1.000 Lkws diese agrarindustrielle Region.

    Almería ist eigentlich eine karge Landschaft mit unfruchtbarem Boden, zwischen der Wüste Sierra Nevada und dem Mittelmeer gelegen. Bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es das Armenhaus Spaniens. Viele Bürger wanderten aus und zogen in die Industriezentren Nordeuropas. Mit dem in den 60er-Jahren einsetzenden Gemüseanbau in Treibhäusern begann der Aufstieg zu einer der reichsten Regionen Spaniens. Heute gibt es hier rund 16.000 Obst- und Gemüsebauern, vor allem Kleinbauern, die eine Fläche von etwa 1,6 Hektar bewirtschaften.

    _Einsatz von Pestiziden und Dünger_ Die Gemüsebauern profitieren von circa 3.000 Sonnenstunden pro Jahr und den unterirdischen Flüssen mit jahrtausendealtem Grundwasser. Um die Produktion zu steigern, setzen sie diesem Kunstdünger und künstliche Mineralien in erheblichem Masse zu. Ein Teil des Gemüses wächst in Säcken oder Töpfen mit Steinwolle oder Vulkansteinen. Ihre Nahrung ziehen die Pflanzen ausschliesslich aus der künstlichen Nährlösung. Daneben werden Tonnen von Pestiziden für die Bekämpfung von Pilzen und Schädlingen eingesetzt. Pro Jahr geben die Bauern der Region rund 100 Millionen Euro für die Schädlingsbekämpfung und 50 Millionen Euro für Düngemittel aus.

    _Folgen der industriellen Agrarproduktion_ Nach Information der Umweltschutzgruppe Ecologistas en Acción Almería sind rund 400 Hektar Gewächshäuser in Naturschutzgebieten illegal errichtet worden. Auch heute wird dort noch weiter ohne Genehmigung produziert. Zudem sind Brunnen mit Dünger und Pestiziden in der Region Almería verseucht, und durch übermässigen Wassergebrauch sackt der Grundwasserspiegel erheblich ab. In Meeresnähe dringt dadurch Salzwasser in die Brunnen ein.

    _Pestizidrückstände in spanischem Gemüse_ Die Pestizidrückstände im Treibhausgemüse von Almería waren in den vergangenen Jahren immer relativ hoch. Der Einkaufsführer von Greenpeace aus dem Jahr 2007 vergibt bei Paprika, Gurken, Zucchini und Auberginen aus Spanien (Almería) das Urteil "nicht empfehlenswert", und bei Tomaten sei "Vorsicht geboten". Bei Treibhausgemüse haben zum Beispiel konventionelle holländische Produkte immer vergleichsweise weniger Pestizidrückstände.

    _Illegale Pflanzenschutzmittel_ Besonders hohe Pestizidrückstände enthielten regelmässig spanische Paprika. Ende 2006 fanden Stuttgarter Lebensmittelüberwacher in ihnen zudem das verbotene Insektizid Isofenphosmethyl aus China. Händler aus Deutschland und anderen EU-Ländern stoppten daraufhin die Importe, der Preis für spanische Paprika brach ein und löste eine Krise bei den Produzenten in Almería aus.

    Um Schädlinge, wie die Weisse Fliege, zu bekämpfen, wurde und wird mit chemischen Pestiziden gespritzt. Doch selbst mit den offiziell zugelassenen chemischen Giften haben spanische Bauern oft keinen Erfolg. Die Schädlinge wurden und werden gegen eingesetzte Gifte resistent. Dies ist vor allem in der Paprikaproduktion ein Problem. In ihrer Verzweiflung spritzten die Bauern in der Vergangenheit noch mehr Gifte, und häufig wurden auch nicht zugelassene Pestizide eingesetzt. Eine der Servicezeit: Essen & Trinken vorliegende Auswertung von Untersuchungsergebnissen spanischer Paprikaproben der Erntesaison 2006/2007 zeigt, dass in 3.064 Paprikaproben insgesamt 1.183-mal nicht zugelassene Pflanzenschutzmittel nachgewiesen wurden. Im Durchschnitt fanden die Analytiker in jeder dritten Paprika ein nicht dafür zugelassenes Pestizid.

    _Trendwende beim Pestizideinsatz_ Wegen der "Paprikakrise" wurde vielen Bauern und auch der Regierung in Südspanien klar, dass es mit der chemischen Schädlingsbekämpfung so nicht weitergeht. Einige konventionelle Bauern in Almería hatten bereits eine natürliche Alternative gefunden - mit ersten Erfolgen. Dabei übernehmen nützliche Insekten die Bekämpfung von Schädlingen. Dies hat in der Biolandwirtschaft eine lange Tradition. Seit Jahren wird diese umweltfreundliche Methode bereits in der agrarindustriellen Produktion holländischer Treibhäuser eingesetzt. Mittlerweile subventioniert die spanische Regierung die Umstellung auf die natürliche Schädlingsbekämpfung. In diesem Jahr gibt sie dafür 300 Millionen Euro aus.

    _Erfolgskonzept_ Ein Jahr nach der Krise atmen Bauern und Händler erleichtert auf. Mit der natürlichen Schädlingsbekämpfung arbeiten inzwischen fast 90 Prozent aller spanischen Paprikaproduzenten. Als die Krise ausbrach, waren es in der Region Almería gerade einmal 8 Prozent. Die meisten von ihnen sind mit dieser Methode erfolgreich und zufrieden. Bei Laboranalysen wird der geringere Pestizideinsatz nachweisbar. Die baden-württembergische Lebensmittelüberwachung stellte eine deutliche Verbesserung der Rückstandssituation bei spanischen Paprika fest. "Der durchschnittliche Gehalt an Pestiziden hat sich von 0,3 Milligramm pro Kilogramm auf 0,05 Milligramm pro Kilogramm auf ein Sechstel reduziert. Insgesamt wurden dreimal weniger Stoffe pro Probe gefunden", heisst es in einer Pressemitteilung vom 21. Februar 2008 des baden-württembergischen Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum. Das Niveau der Rückstände bei spanischen Paprika wurde somit fast auf das Niveau der niederländischen Paprika reduziert.

    Und auch der Einsatz von nicht zugelassenen Pestiziden nahm drastisch ab. Nach einer der Servicezeit: Essen & Trinken vorliegenden Auswertung von spanischen Paprikaproben liegt der Einsatz von nicht zugelassenen Mitteln in dieser Erntesaison (2007/2008) bei unter 1 Prozent.

    _Spanien - Vorbild für andere Länder_

    Im Vergleich zu anderen Mittelmeerländern haben die spanischen Treibhausproduzenten mit dem Einsatz von Nützlingen bei der Paprikaproduktion eine Vorreiterrolle eingenommen. Dies belegt die aktuelle Auswertung der baden-württembergischen Lebensmittelüberwachung von Rückständen im internationalen Vergleich. Die Prüfer fanden in fast jeder dritten Paprika aus der Türkei unzulässig hohe Mengen an Pestiziden. "Die türkischen Paprikaproduzenten müssen schleunigst von Spanien lernen", erklärte dazu der baden-württembergische Minister für Ernährung Peter Hauk.

    _Weitere Probleme bei anderen Sorten_ Doch diese positive Entwicklung gilt derzeit nur für Paprika. Verbesserungsbedarf sehen Experten, Händler und Verbraucherschützer vor allem noch bei spanischen Tomaten, Zucchini, Gurken und Auberginen. Mit der natürlichen Schädlingsbekämpfung arbeiten hier bisher nur 15 Prozent der Bauern. Spanische Exporteure drängen auch für diese Sorten auf eine rasche Umstellung. Im internationalen Vergleich schneidet die Konkurrenz aus Holland weiter besser ab. Der Einsatz von Nützlingen wird in niederländischen Treibhäusern schon seit gut einem Jahrzehnt praktiziert, was auch die verminderten Pestizidrückstände erklärt.

    _Integrierter Anbau - Chemie ist erlaubt_

    Der Einsatz von Nützlingen für die Schädlingsbekämpfung bei der Gemüse- und Obstproduktion wird als "integrierter Anbau" bezeichnet. Zwar übernehmen zum grossen Teil nützliche Insekten die Arbeit chemischer Gifte, aber dennoch ist der Einsatz von Pestiziden erlaubt. Ebenso werden beim "integrierten Anbau" chemische Mineralien und Kunstdünger verwendet.

    _Ökolandbau - nur natürliche Hilfsmittel_

    Demgegenüber sind bei der Biolandwirtschaft chemische Pestizide und Dünger verboten. Die eingesetzten Produkte müssen natürlichen Ursprungs und für den Bioanbau zertifiziert sein. Darüber hinaus unterliegt die ökologische Landwirtschaft strengen Kontrollen. "Schwarze Schafe" werden schneller entdeckt. Als langfristige Perspektive verfolgen sogar konventionelle spanische Exporteure die Umorientierung zu einer reinen biologischen Produktion.

    _Lebensmittel ohne Pestizide_ Wer Lebensmittel ganz ohne Pestizide kaufen will, ist mit Bioprodukten auf der sichersten Seite. Dies belegt auch eine vergleichende Auswertung von Pestizidrückstandsdaten aus ökologischer und konventioneller Obst- und Gemüseproduktion im Auftrag von Greenpeace und dem Bundesverband "Naturkost Naturwaren Herstellung und Handel e.V." (siehe unter "Weitere Informationen").

    _Exkurs: Illegale Arbeitskräfte_

    Rund 80.000 Arbeitkräfte braucht die Agrarindustrie in der Region Almería. Die Saisonarbeiter kommen aus Marokko, Rumänien, Bulgarien, Schwarzafrika und Lateinamerika. Viele haben keine Aufenthaltsgenehmigung und arbeiten dort illegal. An den Strassen, die zu den Gewächshäusern führen, warten die Arbeitskräfte auf Bauern, die sie brauchen und mitnehmen. Für viele Illegale ist es die erste Arbeitsmöglichkeit in der EU und zudem eine Möglichkeit, nach drei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen. Nach Informationen der Landarbeitergewerkschaft SOC-Almería, die die Interessen der Immigranten vertritt, werden die Mindestlöhne von 5,39 Euro pro Stunde in der Regel nicht bezahlt. Auch werden nach Angaben der Gewerkschaft vertragliche Regelungen nicht eingehalten und Mindeststandards verletzt. Mangels Einkommen, aber auch um Geld für die Familien daheim zu sparen, leben viele Immigranten in äusserst beengten und miserablen Verhältnissen, einige auch nur unter Plastikplanen bei den Gewächshäusern.

    Autor: Gero Rüter

    _Weitere Informationen_ * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.cvuas.de/p ub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=734 Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CUVAS). Pressemitteilung vom 21. Februar 2008: "Untersuchungsprogramme zeigen Wirkung: Deutlich weniger Rückstände in spanischen Paprika!", aktuelle Auswertung der Rückstandssituation bei spanischer Paprika der baden- württembergischen Lebensmittelüberwachung. Auf dieser Seite findet sich zudem die Möglichkeit zum Download des Berichts.

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.ilm.nrw.de /pestrep/pestshow1.html Pestizidreport Nordrhein-Westfalen. Hier gibt es Pestizidbefunde zu allen Obst- und Gemüsesorten nach Ländern und Supermärkten unterschieden. Bezüglich spanischer Paprika ist allerdings die Aussagekraft für das Jahr 2007 irreführend, weil die Analysen des Jahres 2007 zusammengefasst sind und in der Auswertung nicht zwischen der starken Belastung mit Pestiziden Anfang 2007 und der schwachen Pestizidbelastung ab Mitte 2007 unterschieden wird.

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://de.einkaufsnet z.org/download/17870.pdf?PHPSESSID=3521aä2a12c23d43a6a9509e6c50ad4 Einkaufsführer "Essen ohne Pestizide" als PDF-Datei (424 KB). Greenpeace beschäftigt sich seit Jahren mit legalen und illegalen Pestiziden in Lebensmitteln und bietet nicht nur mit seinem Einkaufsführer "Essen ohne Pestizide" viele wichtige Informationen und eine wichtige Orientierungshilfe. Allerdings sind in der Ausgabe von 2007 noch nicht die positiven Entwicklungen bei spanischen Paprika von Ende 2007 berücksichtigt.

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.greenpeace .de/themen/chemie/presseerklärungen/artikel/greenpeace_wird_mit_emp reis_von_almeriäm_ausgezeichnet/ Greenpeace-Pressemitteilung vom 8. Februar 2008. "Greenpeace wird mit Preis von Almería ausgezeichnet. Die Provinzregierung würdigt Einsatz für Pestizidreduktion und nachhaltige Landwirtschaft" * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.n-bnn.de/c ms/website.php?id=/de/bnn_monitoring.html&sid=daaac708215add482b0a68 564bb153f4 Infos zum "BNN-Monitoring". Seit 2003 werden Bioobst und Biogemüse aus dem Naturkosthandel systematisch auf Verunreinigungen mit Pestiziden untersucht. 29 Importeure und Exporteure und Grosshandelsunternehmen der Naturkostbranche beteiligen sich am "BNN-Monitoring", tauschen ihre Ergebnisse aus und haben sich auf eine gemeinsame Vorgehensweise im Rückstandsfall geeinigt.

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.cvuas.de/p ub/beitrag.asp?ID=681&subid=1&Thema_ID=10 Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CUVAS). "Bericht über das Öko-Monitoring-Programm Baden-Württemberg 2006"

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.hiltrud-br eyer.eu/hbreyer/media/doc/1192110684234.pdf www.hiltrud-breyer.eu. Eine Auflistung und kurze Zusammenfassung von 20 wichtigen internationalen Studien über gesundheitliche Schäden durch Pestizide auf der Seite der EU- Abgeordneten Hiltrud Breyer, PDF-Datei (74 KB)

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.pan-german y.org Pestizid Aktions-Netzwerk. Infos, Studien und Links über Pestizide. Das Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der Eliminierung gefährlicher Pestizide in Nahrung und Umwelt.

    * http://www.wdr.de/tv/fsstd-technik/redir.jsp?t=http://www.clisol.com Seite der Gemüseproduzentin Lola Gómez. Wer einen persönlichen Einblick in die industrielle Landwirtschaft bekommen will und in der Region Almería Urlaub macht, kann die Gemüseproduzentin Lola Gómez besuchen. Sie bietet regelmässig Gewächshausführungen für Touristen und interessierte Gruppen an.

    http://www.wdr.de/tv/servicezeit/essen_trinken/sendungsbeiträge/200 8/0222/01_paprika.jsp :Letzte Äend. am: 2.03.2008

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