Für
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Rezept
Mein Freund Remy, von quadratischer Statur, immer ein Lächeln auf den Lippen, besitzt eine Nase, die
begnadeter ist als die des Cyrano.
Er kommt aus dem Trentino und war wohl einer der ersten Italiener in Frankfurt. Zur Pilzzeit nimmt er
Urlaub. Dann streift er durch den Taunus, Spessart und Odenwald. Tief zieht er die Luft durch diese
göttliche Nase ein und erklärt: Hier gibt es Steinpilze. Riechst Du
es nicht? Er kriecht durchs Unterholz, zieht das Gras zur Seite -
und wirklich, kleine feste Pilze mit noch geschlossenen Kappen stehen da! Wenn er sie mit ins Restaurant
bringt, hat er sie schon geputzt und den Weidenkorb mit Eichen- und Buchenblättern ausgelegt.
Nun ist er hungrig. Die kleinen festen Exemplare sind ideal zum Rohessen. Mit Küchenpapier säubern.
Einen Teller mit Olivenöl bestreichen und mit dem Trüffelhobel die Pilze hauchdünn auf den Teller reiben.
Mit etwas Meersalz und grob zerstoßenem weißen Pfeffer bestreuen und mit Olivenöl begießen. Man kann,
wenn man will, noch mit Parmesan und Bröseln von hartgekochtem Eigelb würzen.
Danach serviere ich uns Porcini trifolati. Pilze in Scheiben schneiden, mit gehacktem Knoblauch und
Petersilie in Olivenöl braten und zum Schluß einen Löffel Butter unterheben. Ich esse die Pilze solo, Remy
ißt sie lieber mit frischen Bandnudeln. Ich passe, er nimmt noch ein "Kleines"! Nun der Risotto.
Schalotten und Pilzwürfel in Olivenöl andünsten, Carnarolireis unterrühren, bis er glasig ist, mit heißer
Hühnerbrühe auffüllen. Besonders aromatisch wird der Risotto, wenn man ein paar getrocknete Steinpilze
in Brühe einweicht und die Pilze und das Einweichwasser für den Risotto mitverwendet. Den Risotto mit
etwas Rotwein aromatisieren und, wenn er al dente ist, einen Löffel Parmesan unterziehen. Ich serviere ihn
mit ein paar gesondert gebratenen Steinpilzscheiben.
Remy signalisiert Sättigung, aber ich erzähle von einer neuen Vorspeise: Lauwarmer Salat von Steinpilzen
und Pfifferlingen mit
gebratenen Pfirsichen. Da muß er schon noch probieren. Pro Person vier dicke Steinpilzscheiben in Öl
anbraten und warmstellen, ebenso viel Pfirsichspalten. Die Randstücke der Steinpilze würfeln und mit einer
feingehackten Schalotte, zwei Löffeln geputzten Pfifferlingen und der gleichen Menge Pfirsichwürfeln braten.
Eine Prise Zucker zugeben, salzen, pfeffern und mit einem Löffel Pfirsichlikör und zwei Löffeln Kalbsglace
ablöschen. Pilz- und Pfirsichscheiben
abwechselnd auf den Teller setzen, das Ragout in die Mitte, alles mit dem Bratfond begießen und mit
gehackter glatter Petersilie bestreuen.
Remy genießt es und könnte zufriedener nicht sein. Es sei denn, erste Alba-Trüffeln wären schon da. Aber
das hätte diese Nase längst
erschnuppert.
Tips aus der hohlen Hand Sollten Sie größere Mengen makelloser Steinpilze gesammelt haben, dann
bereiten Sie ein Pilz-Confit. Die
kleinen Pilze ganz lassen, größere in dicke Scheiben schneiden und nur eine Minute in kochendem
Salzwasser blanchieren. Einen Liter Olivenöl oder entsprechend mehr mit 3 Lorbeerblättern, 2
Thymianzweigen, 5 bis 10 Knoblauchzehen erhitzen. Die Pilze für 3 bis 4 Minuten zugeben, vom Feuer
nehmen und abkühlen lassen. Die Steinpilze mit den Gewürzen und dem Öl in sterile Gläser füllen.
Alles soll ganz vom Öl bedeckt sein. Verschließen, kühl und dunkel lagern. Sie haben dann Steinpilze
auch nach der Saison und nebenbei ein hervorragendes Steinpilzöl zum Würzen von Salaten, Fisch- oder
Fleischgerichten.
Der Steinpilz, Boletus edulis, auch Herrenpilz genannt, ist wohl der begehrteste einheimische Pilz. Er
wächst in ganz Europa von August bis in den November hinein vor allem an Waldwegen und auf Lichtungen
im Laub- und Nadelwald. Laubwaldpilze haben dunklere Kappen,
semmelblond sind die jungen Pilze und die Exemplare aus Nadelgehölzen. Der Steinpilz gehört zu den
Röhrlingen. Die Unterseite der Kappe ist von Poren besetzt, einer Schaumstoffmasse nicht unähnlich. Sie
sollten diese Partie bei älteren Pilzen, wenn sie braun bis oliv wird, entfernen. Sie wird beim Zubereiten
schmierig. Steinpilze haben einen angenehmen Geruch und auch roh einen feinen, nußartigen
Geschmack. Leider gibt es auch andere Liebhaber, nicht nur Schnecken und Wild. Sie nähren ihre Maden
im Steinpilz. Den Wurmbefall erkennt man nicht unbedingt von außen, darum den Stiel aufschneiden! Zu
denen, die den Boletus über alles liebten, gehörte der römische Kaiser Claudius; seine Gattin Agrippina
soll ihn, wie Juvenal berichtet, mit einer vergifteten Portion ins Jenseits befördert haben, um ihren Sohn
Nero auf den Thron zu setzen.