Eine alte Spezialität aus Dinkel, die vor einiger Zeit erst wieder neu entdeckt wurde, ist der Grünkern. Die
erste urkundliche Erwähnung von Grünkern stammt aus dem 17. Jahrhundert. Seine Herstellung war schon
immer ganz eng auf das Bauland, eine Landschaft im nordöstiichen Baden-Württemberg, beschränkt. Seit
etwa
hun-dert Jahren wird Grünkern vorwiegend für die Herstellung von
Fertigsuppen ver-wendet. Aufgrund des gestiegenen
ErnährrungsbewußtseinS sind die ganzen Körner inzwi-schen auch
wieder mehr als Endprodukt gefragt. Hier ist eine starke Nachfrage nach biologisch erzeugter Ware
festzustellen. Da sich der Grünkern von dem Ausgangsprodukt Dinkel wesentiich unterscheidet, soll hier
ein Blick auf seine Eigenartenund vor allem auf seine Herstellung geworfen werden.
Charakteristisches Grünkernkörner sind dunkler als die sattgelben Dinkelkörner. Sie haben eine
eigentümliche, grünbraune Farbe, die ihm auch zu seinem Namen verholfen hat. Das einzelne Korn ist
etwas kleiner als ein Dinkelkorn und macht beim näheren Hinsehen einen etwas vertrockneten Eindruck.
Grünkern ist viel härter als Dinkel, wird beim Kochen jedoch schneller gar. Er hat einen sehr würzigen
Geschmack, was ihn besonders beim »Einstieg« in die Körnerküche so beliebt macht. Auf den ersten
Blick könnte man annehmen, es handele sich um eine eigene Getreidesorte, die, wie Weizen oder
Roggen, auf dem Feld wächst.
Doch weit gefehlt! Grünkern wird aus unreif geerntetem Dinkel hergestellt, der auf einer Darre, einer
Vorrichtung zum Trocknen bzw.
Rösten von Getreide, über Holzrauch getrock-net wurde. Die
Grünkernernte ist noch heute ein Prozeß, zu dem sämtliche Familienmitglieder hinzugezogen werden.
Auf den Zeitpunkt kommt es an Der richtige Erntezeitpunkt ist die wichtigste Voraussetzung für die
Herstellung von gutem Grünkern. Der Dinkel wird in der sogenannten Milch- oder Teigreife geerntet. Das
bedeutet, daß die Körner zwar schon ihre endgültige Größe haben, aber noch weich sind. Ähren und
Halme sind noch grün, und die Körner enthalten eine weiße, breiige Masse, die sich leicht herausdrücken
läßt. Die Teigreife liegt etwa zwei bis drei Wochen vor der Vollreife der Dinkelkörner. Die Grünkernernte
beginnt, je nach Wetterlage, in der zweiten Julihälfte und dauert etwa zwei Wochen.
In dieser Zeitsind die Bauern rund um die Uhr beschäf-tigt. Der
Dinkel wird mit dem Mähdrescher geerntet. Dabei zerfallen die Ähren ebenso wie im reifen Zustand - in die
Vesen. Diese werden in Säcke
abgefüllt oder direkt auf Wagen verladen und zur Darre transportiert.
Wieviel Grünkern hergestellt werden kann, richtet sich allein nach der Kapazität dieser Darren, denn die
grün geernteten Vesen sind nicht lagerfähig; sie müssen sofort weiter-verarbeitet werden. Es
ist daher außerordentiich wichtig, die kurze Erntezeit so gut wie möglich auszunutzen. Es werden
regelrechte Terminpläne für die Gemein-schaftsdarren gemacht, und alle verfügbaren Wagen werden
untereinander ausgelie-hen. Günstig ist es, wenn ein Bauer
Dinkelfelder in verschiedenen Lagen hat, die nacheinander reifen.
Auch durch unterschiedliche Düngung und die Staffelung der Aussaattermine kann man den Reifezeitpunkt
beeinflussen und die Erntezeit da-durch etwas verlängern. Ideales Erntewetter für
Grünkern herrscht, wenn es etwas bedeckt ist, weil der Zustand der Teigreife dann besonders lange anhält.
Wenn die Körner ein bestimmtes Stadium überschritten haben und anfangen, hart zu werden, läßt sich
kein Grünkern mehr herstellen, da die Körner nach dem Darren gelb bleiben würden. Diese Felder läßt man
dann voll ausreifen.
:Letzte Änderung: Michael Staib