Essen wie Gott in Frankreich. Wer kennt ihn nicht, diesen Spruch? Und er hat seine Berechtigung:
Frankreich ist die Heimat von vielen
weltberühmten Küchenprodukten. So hat die Ente aus Challans den Massstab für alle Entenarten gesetzt.
Die Perigord-Trüffel
erreichen Höchstpreise - dank ihrer delikaten Aromastruktur und
ihrer dennoch durchdringenden Würzkraft. Die ausdrucksstarken Fleischstücke der Presale-Lämmer, die
auf den Salzmarschen der
Kanalküste heranwachsen, gehören zu Recht zu den weltbesten. Und das Masthuhn aus der Bresse, der
kleinen Provinz im Süden des Burgund, gilt als einzigartig.
Auch der Küchenmeister Werner Martin aus dem solothurnischen Weiler Flüh ist des Lobes voll über die
'Poularde de Bresse'. Er sagt aus tiefster Überzeugung: 'Sie ist das absolut beste Produkt, das es auf
dem Markt gibt.' Mit dieser Meinung befindet sich der Spitzenkoch in bester Gesellschaft. Selbst die
grössten Kulinariker der Feinschmeckergeschichte denken wie er. Alle bauen auf die unübertrefflichen
Qualitäten der Hühner aus dem Bresse-Gebiet - ob
Brillat-Savarin im 19. Jahrhundert oder Prosper Montagne im 20.
Jahrhundert, ob das umfassende Profiküchenwerk 'Ma Cuisine' von Auguste Escoffier oder das unerreichte
'Vademecum' von Madame de St-Ange für den Privathaushalt.
Die 'Poularde de Bresse' ist aber auch ein echter Prüfstein, sogar für gestandene Küchenprofis. 'Das wahre
Küchenkönnen beginnt nicht mit dem Drehen eines Schnitzels oder dem Grillieren des perfekten
Entrecotes', sagt Martin. 'Es beginnt beim Garen [...] eines ganzen Stücks'.
Die Bresse-Hühner, prächtige weiss gefiederte Tiere, zeichnen sich
optisch nicht nur durch ihre stattliche Grösse, den prächtigen roten Kamm und die breite fleischige Brust
aus. Sie besitzen vor allem kräftige, unübersehbar blaugrau schimmernde Beine. Diese sind
unverwechselbar und selbst beim Braten, Pochieren oder Schmoren des Geflügels noch zu erkennen. Die
Beine einer Poularde bestätigen dem Feinschmecker bei Tisch den Ursprung und die Qualität des
Geflügels.
Bereits die ganz kleinen Küken der so genannten 'Bressanes' ernähren sich von Maisbrei, der mit Milch
angesetzt wurde. Den Grossteil ihres Lebens verbringen sie danach als Junghennen in freiem Auslauf. Erst
einen Monat, bevor sie geschlachtet werden, erhalten sie erneut eine Spezialdiät: Sie bekommen
ausschliesslich Milchreis
und Buchweizenbrei zu picken. Das verleiht ihrem Fleisch die helle Farbe, schenkt ihm eine unerreichte
Süsse und damit den für diese Hühner typischen Geschmack. Anders als bei normalem Zuchtgeflügel,
entscheidet in der Bresse nicht ein abstrakter Zeitplan über den Schlachttag der Hühner: Die Bresse-
Hühner werden erst getötet,
wenn sich individuell das Erwachsenenalter und damit ein Zähwerden des Fleisches anzeigt.
So viel Einzigartigkeit und kulinarische Köstlichkeit hat natürlich ihren Preis - und einen Pferdefuss. 'Eine
perfekte kann nicht jeder Koch braten', sagt Werner Martin. Er muss es wissen. Seit sich der heutige
Spitzenkoch als junger Mann anschickte, sich und sein Metier in den besten Häusern der kulinarischen
Welt zu vervollkommnen, hat er dieses Edelprodukt zahllose Male bearbeitet.
Daran sei er als Koch gewachsen, sagt der Meister: 'Bereits beim
Anfassen einer Poularde kann ich mittlerweile deren Qualität beurteilen.' Satt und kompakt muss sich
dieses Fleisch anfühlen. Zur festen Struktur haben ihm der lange freie Auslauf des Huhns verholten. Genau
diese kompakte Struktur verlangt aber einen Kochkönner. ' Solches Fleisch erträgt kaum eine Garzeit, die
um zwei, drei Minuten zu lang ist', weiss Martin. Und: 'Verpasst der Koch den idealen Garpunkt,
wird das teure Stück zäh.' Das Hühnerfleisch werde durch zu langes Kochen so trocken, dass es kaum
noch zu geniessen sei. Es müsse deshalb nach dem anstrengenden Braten eine Weile entspannen dürfen.
Das lasse es so zart werden wie saftig bleiben. Martin: 'Stellen Sie
sich doch einfach mal vor, Sie müssten auf einen Hügel sprinten.
Oben angekommen, machen Sie bestimmt eine Pause, damit Sie sich von der Anstrengung erholen
können.'