Im ersten Halbjahr dieses Jahres überprüften Veterinäre der Europäischen Kommission in sechs Staaten,
ob und wieweit sich die Herkunft von Rindfleisch tatsächlich zurückzuverfolgen lässt. Auch in Deutschland
wurden unangemeldete Kontrollen durchgeführt.
Mit wenig erfreulichen Ergebnissen: Schon bei der Registrierung der
Tiere beginnen die Probleme. Zwar hat jedes Tier den vorgeschriebenen Pass und ist in der zentralen
Datenbank erfasst. Aber - so das
Ergebnis der Überprüfung - die Tier-Lebensläufe in Pass und
Datenbank stimmen nicht immer überein. Im Verbraucherschutzministerium kennt man das Problem. Es
sei auf mangelnde Kommunikation zwischen den tierärztlichen Behörden und den landwirtschaftlichen
Behörden zurückzuführen.
_Tierärzte greifen selten ein_ Doch laut Bericht der Untersuchungskommission ist es mehr als nur ein
Kommunikationsproblem. Der EU-Bericht bemängelt: "Die Tierärzte in
den Schlachthäusern greifen nicht ein, wenn in den Pässen Angaben fehlen oder falsch sind." Eigentlich
müssten die Tierärzte den Landwirt auffordern, fehlende Angaben innerhalb von zwei Tagen nachzuliefern.
Macht er das nicht, wird das Tier getötet und entsorgt. Viel zusätzlicher Aufwand für alle Beteiligten - da ist
es einfacher, ein Auge zuzudrücken.
_Test: Rückverfolgbarkeit funktioniert fast nie_
Viele Verbraucher wollen wissen, von welchem Tier das Fleisch stammt, das sie kaufen. Die
Rückverfolgbarkeit ist deshalb das A + O der Herkunftssicherung. Doch sie funktioniert hierzulande nur in
einem Bruchteil der Fälle. Dr. Hermann Josef Schlöder, Ministerialrat im Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) schildert die Situation: "Wir haben insgesamt
zwölf Proben genommen und drei konnten noch nicht einmal bis zum Wareneingang des
Lebensmitteleinzelhandels zurückverfolgt werden.
Bei sechs Proben gab es Schwierigkeiten. Nur drei Proben waren grösstenteils zufrieden stellend."
_Kompetenzprobleme und kriminelle Energien_ Der Grund für das schlechte Ergebnis der Untersuchung:
Im Einzel- und
Grosshandel sowie in den Zerlegungsbetrieben fehlten die notwendigen Papiere oder waren unvollständig.
Viel zu befürchten haben die Betroffenen nicht, denn die Lebensmittelüberwachung in Deutschland ist sehr
zersplittert. Deshalb sei die Kontrolle in einigen Fällen unzureichend - so der EU-Bericht.
Was die Untersuchung ebenfalls zu Tage brachte: Verpackungskartons
werden manipuliert. So kann Fleisch problemlos umgepackt werden, ohne die amtlichen Siegel zu
beschädigen. Der Empfänger glaubt, das zu bekommen, was draufsteht. In Wirklichkeit kann Billig-Fleisch
drin
sein. Kein Einzelfall - behaupten Insider.
_Mehr Kontrollen und Appell an Verbraucher_ Verstärkte Kontrollen sollen die Betriebe nun in die Pflicht
nehmen, technische Probleme schon bald behoben werden. Ausserdem appelliert das Ministerium an die
Kunden: "Je mehr der Verbraucher sich an der
Ladentheke für die Herkunft des Fleisches interessiert, umso aufmerksamer und umso detaillierter werden
die Marktbeteiligten die Vorschriften erfüllen." _Skandalöse Ergebnisse in allen Ländern_ Nicht nur
Deutschland schnitt bei der Überprüfung schlecht ab. In anderen EU-Staaten ergab sich kein besseres
Bild. Bei Etikettierung
und Überwachung gibt es überall Probleme. Und Belgien hat bislang noch nicht einmal eine zentrale
Behörde für die Herkunftssicherung eingerichtet. Besonders bizarr: Obwohl die Herkunftssicherung nicht
funktioniert, unterstützte die Europäische Kommission eine europaweite "Informationskampagne
Rindfleisch". Die Centrale Marketingorganisation der Agrarwirtschaft (CMA) erhielt dafür allein dieses Jahr
1,9 Millionen Euro. Rausgeschmissenes Geld - denn so
lässt sich Verbrauchervertrauen nicht zurückgewinnen.