_Die Lust auf deutschen Wein steigt wieder an_ Viele Jahre lang haben die deutschen Winzer darauf
gewartet, dass der Chardonnay-Boom endlich endet. Diese Sorte hat den Anbau weltweit
dominiert. Jetzt sieht es so aus, als hätten die Weintrinker weltweit wieder mehr Lust auf Vielfalt, auf
Weine aus unterschiedlichen, regionaltypischen Rebsorten - und damit eben auch auf den deutschen
Riesling. Ganz sanft hat sich das angedeutet, bis im vergangenen Herbst Robert Parker, der wohl
mächtigste Welt-Weinkritiker, einigen
deutschen Rieslingen Höchstnoten (bis zu 100 von 100 möglichen Parker-Punkten) gegeben hat. Und das,
nachdem er jahrelang nur
vernichtendes über deutschen Wein schrieb. Diese Einschätzungen sind besonders für den
amerikanischen Markt wichtig. Seitdem berichten deutsche Winzer, dass sie viel leichter und viel mehr
Riesling nach USA, aber auch in andere Teile der Welt verkaufen.
_Hochwertiger Riesling wird gut bezahlt_ Es gibt ein aktives Interesse der Kunden in Übersee an Weinen
dieser Sorte. Armin Göring, der Chef des deutschen Weininstituts hat jüngste Zahlen so bewertet:
"Deutscher Riesling ist in den USA
gefragt wie nie zuvor. Die Exporte sind innerhalb eines Jahres um 36 Prozent gestiegen, und das bei einem
durchschnittlichen Preis von 3,44 Euro pro Liter. Diese Zahlen belegen, dass wir in den USA vor allem
hochwertige Riesling Spätlesen und Auslesen absetzen." Die Amerikaner sind - nur wegen der Parker-
Bewertung bereit gewesen, das
6-7-fache des Preises ab Weingut zu bezahlen.
_Vielfältigkeit wird in Deutschland gross geschrieben_ Der Boom könnte durchaus anhalten, denn der
Riesling ist facettenreich wie kein zweiter Wein. Auf der ganzen Welt wird er kultiviert, aber ein Riesling
aus Australien lässt sich nicht mit einem Riesling aus dem Elsass oder aus Österreich vergleichen. Am
besten zeigt sich die Vielfalt der Rebsorte in Deutschland. Während ein Riesling von Mosel-Saar-Ruwer in
der Regel unter 11% Vol. Alkohol
liegt und durch Mineralität, Eleganz und eine lebendige Säure besticht, scheint ein Riesling aus der Pfalz
das krasse Gegenteil zu sein. Die Gewächse aus der Pfalz erreichen durch das warme Klima eine sehr
hohe Reife. Spätlesen haben gerne um die 13% Vol. Alkohol und eine sehr ausgereifte, aber prägnante
Säure.
_Lange Haltbarkeit_ Ein anderer Aspekt des Rieslings ist seine lange Lagerfähigkeit.
Durch seine lebendige Säure bleibt ein grosser Riesling durchaus 10 Jahre jung und spritzig. Edelsüsse
Spitzengewächse bringen ein Alterungspotential mit wie ein Sauternes oder ein grosser roter Bordeaux.
Auch das eine Voraussetzung für einen Kultstatus. In Deutschland wurde der Riesling seit Ende des
Mittelalters als hochwertige Rebsorte geschätzt. 1720 wurde der erste reinsortige Rebberg mit Riesling auf
Schloss Johannisberg gepflanzt. Üblich war zu dieser Zeit ein gemischter Satz mit Silvaner,
Gewürztraminer und teilweise Weissburgunder.
_Eine kleine Anekdote_ Eine Anekdote besagt, dass 1775 der erste edelsüsse Riesling geerntet wurde.
Schloss Johannisberg benötigte aus Fulda die Genehmigung des Fürstbischofs, mit der Lese beginnen zu
dürfen. Als der Reiter mit der Erlaubnis nicht rechtzeitig eintraf, schrumpften die Trauben und wurden dann
mit einer Edelfäule (Botritis cinera) überzogen. Die Ernte schien vernichtet, als der Ritter eintraf.
Glücklicherweise presste man die Trauben dennoch und es ergab einen wunderbaren Saft, an Nektar und
Honig erinnernd. Nach dieser Zeit baute man die deutschen Spitzenweine regelmässig süss aus. Seit
Ende des 19.
Jahrhunderts gehörten sie zu den besten und teuersten Weinen der Welt. Leider hatte man im Laufe der
Zeit auch minderwertige Qualitäten mit Süssreserven versehen und dadurch den exzellenten Ruf der Weine
in Misskredit gebracht.
_Was braucht man, um einen guten Wein zu erhalten?_ Damit der Riesling zu seiner wahren Grösse
gelangt, benötigt er ein kühles Klima und eine lange Reifezeit. Nur so kann er genügend Mineralien
aufnehmen und Extrakt bilden, um auch bei vergleichsweise niedrigen Alkoholgehalten noch rund und füllig
zu schmecken. Nur allzu oft haben Winzer versucht, spitze, grüne Säure mit pappigem Traubensaft
aufzumischen. Das ändert sich.
Der Boom hat also zwei Ursachen: objektiv bessere, d.h. gehaltvollere
und rundere Weine. Und die Laune eines Weinpapstes.