Die Weine, die unsere Vorfahren und Vor-Vorfahren getrunken haben, die
waren ganz sicher völlig anders als unsere heute. Die Griechen waren an den Geschmack des Harzes im
Wein gewöhnt, weil sie die Lager-Amphoren damit abdichteten, die Römer z.B. haben ihre Weine
gesalzen oder mit Meerwasser versetzt um sie vor dem Verderben zu schützen und ihnen mehr Struktur zu
geben. Sie haben den Wein auch gerne mit Gewürzen und Kräutern versetzt - ein Verfahren, das bis
in die Neuzeit hinein üblich war und das heute noch beim Glühwein weiter seine Bedeutung hat. Oder sie
haben den Wein mit eingekochtem Traubensirup oder Honig "aufgemöbelt". Das Ergebnis dürften dann
etwa einem heutigen Madeira entsprochen haben. Sehr häufig wurde der Most eingedampft, damit der
Wein daraus schwerer und damit haltbarer wurde.
Die meisten Tropfen waren wohl dennoch sehr kurzlebig, weil das Schwefeln zwar schon seit dem 8.
Jahrhundert vor Christus bekannt war, aber sicher nicht regelmässig geschwefelt wurde. Ohne Schwefel
aber sind Weine unstabil und oxidieren schnell. Die schweren südländischen Weine kamen sicherlich
besser ohne diesen Konservierungsstoff zurecht als die leichten mitteleuropäischen.
Deshalb war es sehr wichtig, die Fässer und Gefässe immer bis zum Rand zu füllen, "spundvoll" zu
machen, damit der Wein nicht zu sehr mit der Luft in Berührung kam. Dennoch waren die meisten Weine
nur wenige Monate haltbar. Schon im Sommer nach der Ernte wurden sie schlierig und trübe.
Nur wenn es die Natur ganz besonders gut meinte, dann entstanden Moste, die so viel natürlichen Zucker
enthielten, dass die Weine durch hohen Alkohol und verbleibenden Zucker stabilisiert wurden.
Solche Weine muss man sich etwa wie Sherry vorstellen. Die Elite, die Weinspezialisten der Klöster, die
Kellermeister der Fürsten, die wussten sehr viel über eine optimale Weinherstellung. Sie wussten oft nicht
warum etwas funktioniert, aber sie wussten, dass es funktioniert. Die Behandlung des Weins mit Tonerden
gegen Eiweissstoffe, mit Eiweiss gegen Gerbstoffe, die Kalkung gegen die Säure, das war schon den
Römern alles bekann. Filtern, Abstechen, wie man mit dem fertigen Wein umgeht, auch das sind keine
Erfindungen der Neuzeit gewesen. Aber im Alltag - dem Gros der Weine - fanden
solche Finessen keine Anwendung. Sie wurden - rote wie weisse Trauben
~ relativ grün geerntet, heftig ausgepresst und der Most sich weitgehend selbst überlassen.
Es gibt eine Reihe von Versuchen, Weine alter Art nachzuahmen. Etwa an der Römerkelter bei Ungstein in
der Pfalz. Dort haben mehrfach "römische" Kelterfeste stattgefunden, bei denen der Wein mit den Füssen
getreten wurden. Allerdings hat man ihn dann ganz modern ausgebaut. Auch in der römischen Baumkelter
in Piesport an der Mosel werden Trauben gepresst. Daraus wurden versuchsweise auch schon römischer
Rauchwein hergestellt (die Römer leiteten Rauch in den Most, um ihn schneller altern zu lassen und ihm
einen charakteristischen Geschmack zu geben) und Harzwein, dem Retsina vergleichbar.
Der Vinum Caroli Magni entsteht in Ingelheim/Rheinhessen. Der Spätburgunder wird nach den Regeln
ausgebaut, die zur Zeit Karls des Grossen in dem Capitulare de Villis (Verordnung über die Krongüter und
Reichshöfe) um 800 n. Chr. festgelegt wurden. Die Trauben wurden mit den Stielen ohne Zusätze (Hefen
und Enzyme) vergoren. Der biologische Abbau der Säure setzte von selbst ein. Der Wein wurde ohne
Schwefel ausgebaut! Dennoch hat er freien Schwefel, der kommt aus den Trauben. Einzige Schönung, also
Weinbehandlung, die Karl der Grosse erlaubte: Hühnereiweiss. Das wäscht sozusagen "hart"
schmeckende Gerbstoffe aus.
Autor und Experte im Studio: Werner Eckert
http://www.swr.de/kaffee-oder-tee/tipps-tricks/wein/2006/09/07/index
.html
:Letzte Änder. : 11.09.2006