In der Adventszeit läuft die Weihnachtsbäckerei auf Hochtouren.
Rosinen sind dabei eine beliebte Zutat. Um den Zuschauern eine Orientierungshilfe zu geben, wollte die
Servicezeit: Essen & Trinken
testen lassen, ob Rosinen viele Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthalten. Denn Rosinen sind
getrocknete Tafeltrauben, und diese, so zeigen viele Untersuchungen, sind häufig mit Pestizidrückständen
belastet. Gilt das auch für die getrockneten Früchte? _Amtliche Rosinenuntersuchung_ Bei der Suche
nach einem geeigneten Labor stiessen wir im Internet auf eine Seite des Chemischen und
Veterinäruntersuchungsamtes Stuttgart (CVUA). Dort wurde eine gross angelegte Untersuchung von
Rosinen durchgeführt: Insgesamt 68 Proben wurden hier von Oktober
2006 bis Mai 2007 auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln hin geprüft. 50 der Proben stammten aus
konventionellem, 18 aus ökologischem Anbau - alles Produkte, die der Verbraucher im
Supermarkt kaufen kann.
_Bedenkliche Rückstandsituation bei Rosinen_ Nahezu alle Proben aus dem konventionellen Anbau
wiesen Pestizidrückstände auf. Bei 16 Prozent wurden sogar gesetzliche Höchstmengen überschritten: ein
klarer Rechtsverstoss! Besonders
kritisch war die hohe Anzahl an unterschiedlichen Pestiziden pro Probe. Manche Proben enthielten
Rückstände von bis zu 48 Wirkstoffen. Höchstwahrscheinlich kommt diese hohe Anzahl an verschiedenen
Stoffen zustande, weil unterschiedlich behandelte Erntepartien in den Tüten stecken. Nach Meinung der
Experten sind die auffälligen Proben aber nicht gesundheitsgefährdend.
Nur 2 Prozent der konventionellen Rosinenproben waren frei von Belastungen. Die Rosinen aus
ökologischem Anbau wiesen lediglich Spuren von Rückständen auf.
Den genauen Untersuchungsbericht finden Sie unter:
http://cvuas.untersuchungsämter-bw.de/pdf/druck_pest_rosinen2007.pd
f Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA):
"Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Rosinen", PDF-Datei (304
KB) _Namen werden nicht genannt_ Im Testbericht sind statt Marken oder Herstellernamen nur anonyme
Nummern angegeben. Somit sind die veröffentlichten Informationen wenig hilfreich für den Verbraucher, da
sie für den Kauf von Rosinen kaum Orientierung bieten. Die Namen der Produkte, die hoch belastet waren,
konnten auch wir im Untersuchungsamt nicht erfahren.
Wir wollten trotzdem wissen, was unternommen wurde, wenn Höchstgrenzen überschritten worden sind.
Dr. Eberhard Schüle vom Untersuchungsamt Stuttgart: "Wir erstellen ein entsprechendes
Gutachten zu den Proben. Das geht an die Lebensmittelüberwachungsbehörden, und die erlassen
geeignete Massnahmen wie die Ware vom Markt zu nehmen, den Hersteller auf seine Sorgfaltspflicht
hinzuweisen oder ein entsprechendes Verfahren anzustrengen." _Nachfrage beim Ministerium_ Das
Untersuchungsamt ist dem baden-württembergischen Ministerium
für Ernährung unterstellt. Dort wollten wir in Erfahrung bringen, weshalb die Namen der Hersteller nicht
genannt werden. Der zuständige Landesminister Peter Hauk ist auch gleichzeitig erster Vorsitzender der
Verbraucherschutzministerkonferenz und will mehr Transparenz auf Bundesebene schaffen. Ist diese im
eigenen Land auch möglich? Peter Hauk: "In Baden-Württemberg gilt nach wie vor noch
das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch des Bundes. Das heisst,
wir nennen Hersteller dann, wenn Gesundheitsgefährdungen vorliegen.
Wir informieren natürlich über Ergebnisse. Die Ergebnisse sind für alle einsehbar im Internet. Aber
Herstellernamen werden nur dann genannt, wenn eine Gefahr für die Bevölkerung vorliegt." _Neues Gesetz
soll mehr Klarheit bringen_ Wir fragten uns dabei: Wenn die Namen nicht genannt werden - was
bringt die Veröffentlichung der anonymen Ergebnisse dann überhaupt? Der Verbraucher weiss, dass
Rosinen belastet sind, er weiss aber nicht welche! Landesminister Peter Hauk: "Im Einzelfall
ist wieder einzuschätzen, das machen nicht die Politiker, sondern die Toxikologen, ob Menschen dadurch
gesundheitlich gefährdet werden können. Wenn dieses vorliegt, dann wird veröffentlicht, wenn dieses nicht
vorliegt, wird derzeit nicht veröffentlicht.
Anders sieht es aus in 2008, wenn das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft getreten ist. Dann kann
jeder Namen der Hersteller erfahren." _Das Verbraucherinformationsgesetz_ Wir erfuhren im Ministerium
also nichts und wurden auf das künftige Verbraucherinformationsgesetz vertröstet. Mit dem neuen Gesetz,
das am 1. Mai 2008 bundesweit in Kraft tritt, sollen Verbraucher Anspruch auf alle Informationen über
Lebensmittel, die den Behörden vorliegen, erhalten. Die Behörden sind grundsätzlich verpflichtet, die
Öffentlichkeit bei hinreichendem Verdacht auf Gesundheitsgefährdung oder auf einen Rechtsverstoss
gezielt zu informieren.
Zu Namensnennung der Hersteller kann es kommen:
* wenn von Lebensmittelverpackungen Gesundheitsgefahren ausgehen,
* wenn Lebensmittel falsch gekennzeichnet sind,
* wenn Pestizidhöchstmengen überschritten wurden,
* wenn sich "Gammelfleisch" auf dem Markt befindet,
* wenn es sich um eine schwerwiegende Verbrauchertäuschung handelt
oder
* wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es Gesundheitsgefahren
gibt.
Die betroffenen Unternehmen sind vorher anzuhören und müssen auch vor Namensnennung die Möglichkeit
haben, selbst zuerst an die Öffentlichkeit zu gehen.
_Betriebsgeheimnisse wichtiger als Informationsrecht_ Ob das neue Verbraucherinformationsgesetz
wirklich Transparenz schafft, bezweifeln beispielsweise Verbraucherschützer. Für sie ist das Gesetz eine
Mogelpackung, es gäbe unklare Rechtsauslegungen und zu viele Ausnahmen. Es sei ein Gesetz, das eher
die Unternehmen schütze als die Bürger. Dr. Eckhard Benner, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale
Baden-Württemberg: "Wir kritisieren an dem
Gesetz, dass es zu viele Ausnahmen gibt, die einfach im Ermessensspielraum der Behörden liegen, wann
sie tatsächlich Auskünfte geben oder nicht. Zu befürchten ist es auch, dass trotz des neuen Gesetzes die
Verbraucher nicht mehr erfahren werden, weil Unternehmen weiterhin mit Betriebsgeheimnissen
argumentieren können, um eine Veröffentlichung ihres Namens zu verhindern." _Gute Beispiele für mehr
Transparenz_ Von amtlichen Untersuchungen, die mit Steuergeldern finanziert wurden, erfahren
Verbraucher in der Regel keine wichtigen Einzelheiten. Dass Behörden aber auch können, wenn sie nur
wollen, sieht man in Nordrhein-Westfalen. Im Internet präsentiert das Land
aktuelle Daten der Lebensmittelüberwachungsbehörden rund um Pestizide in Obst und Gemüse. Ross und
Reiter zu nennen, hat für die Verbraucher sowie für gewissenhafte Hersteller grosse Vorteile.
Denn werden Hersteller von problematischen Produkten nicht genannt, kann eine ganze Branche in Verruf
geraten.
Seit Jahren schon testen auch die Servicezeit: Essen & Trinken und
weitere unabhängige Organisationen wie die Stiftung Warentest, Greenpeace oder foodwatch immer wieder
Lebensmittel. Die Ergebnisse werden auch hier veröffentlicht - mit Nennung der einzelnen
Produkte und Hersteller.
Wie die Behörden bundesweit künftig verfahren, bleibt abzuwarten.
Bis dahin unser Tipp für die Weihnachtsbäckerei: Wer hohe
Pestizidrückstände in seinen Rosinen vermeiden will, sollte zu Bioware greifen. Die amtlichen Tests
zeigen, dass diese nicht belastet sind.
_Weitere Informationen_
*
http://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=700&Pdf=Fa
lse&Aktuell=Trü Chemisches und Veterninäruntersuchungsamt Stuttgart (CUVA):
"Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Rosinen -
Untersuchungszeitraum Oktober 2006 bis Mai 2007", Zusammenfassung
*
http://www.bmelv.de/cln_045/nn_751678/SharedDocs/downloads/GesetzeVe
rordnungen/Verbraucherinformationsgesetz-Entwurf,templateId=raw,prop
erty=publicationFile.pdf/Verbraucherinformationsgesetz-Entwurf.pdf
Das neue Verbraucherinformationsgesetz, PDF-Datei (27 KB)
*
http://www.bmelv.de/cln_045/nn_751678/DE/02-Verbraucherschutz/VIG/VI
G__neu.html Hintergründe und Erläuterungen zum Verbraucherinformationsgesetz
* http://www.ilm.nrw.de/pestrep/pestshow1.html
Pestizidreport NRW mit aktuellen Untersuchungsergebnissen
* http://de.einkaufsnetz.org/gift/lebensmittel/20647.html
Hier kann man den kostenlosen Ratgeber "Essen ohne Pestizide" von Greenpeace in der aktualisierten
Version von 2007 herunterladen oder per E-Mail bestellen. Er vergleicht Supermärkte, informiert aber
auch darüber, welche Obst- und Gemüsesorten kaum belastet sind und
welche Herkunftsländer empfehlenswert sind.
_Links_
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20070907/b_5.phtml#
2 Pestizidreport im Internet (Servicezeit: Essen & Trinken vom 7. September 2007)
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20070601/b_5.phtml#
2 Supermärkte wollen Pestizide in Obst und Gemüse begrenzen (Servicezeit: Essen & Trinken vom 1. Juni
2007)
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20051216/b_4.phtml
Pestizide in Obst und Gemüse (Servicezeit: Essen & Trinken vom 16. Dezember 2005)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20041122/b_1.phtml
Trockenfrüchte im Test (Servicezeit: Kostprobe vom 22. November 2004)
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20061208/b_1.phtml
Gemahlene Mandeln und Haselnüsse im Test (Servicezeit: Essen & Trinken vom 8. Dezember 2006)