Warum greifen wir in der Süssigkeitentüte immer nach dem roten Bonbon? Und schmieren lieber gelbliche
Butter auf das Brötchen, weil wir sie für gesünder und naturbelassener halten als weisse? Liegen diesem
Essverhalten rationale Entscheidungskriterien zugrunde? Fest steht: Der Mensch reagiert bei der
Lebensmittelauswahl positiv auf bestimmte Farben, vornehmlich auf Rot, Gelb und Grün. Unter anderem ist
diese Fixierung auf Farbe auch eine evolutionsbedingte Prägung - erklären Psychologen, denn
die natürlichen Farbstoffe sind selbst sehr gesund! _Assoziationen durch Farben_ Es ist meist eine
bewusste Entscheidung, zu welcher Farbe der Mensch greift, wenn er Nahrungsmittel auswählt. "Eindeutig
rot!", heisst meist die Antwort auf die Frage nach der Lieblingsfarbe bei Bonbons oder Gummibärchen. Den
fruchtigen Geschmack von Kirschen oder Erdbeeren meinen die Naschkatzen bei roten Süssigkeiten zu
schmecken, das zeigen verschiedene sensorische Tests. Und braune Eier werden weissen Eiern meistens
vorgezogen, weil der Verbraucher annimmt, dass braune Eier von frei laufenden Hühnern gelegt werden.
Dabei kommt es hierbei nicht auf die Haltungsform, sondern auf die Rasse der Hühner an.
_Der Gummibärchentest_ Die Psychologin Gisla Gniech aus Bremen hat sich lange damit beschäftigt,
welchen Einfluss die Psyche auf die Farbwahl beim Essen hat. Sie hat eigens einen Gummibärchentest
entwickelt - mit
interessanten Ergebnissen. In einem Blindtest hat Gisla Gniech passionierte Gummibärchenesser auf die
Probe gestellt. Alle gaben zunächst an, welche Gummibärchen sie am liebsten essen - meist die
roten. In einem Blindtest sollten die Probanden schliesslich die Farben der unterschiedlichen Bärchen
herausschmecken - mit wenig
Erfolg: "Unter 100 Leuten konnten nur drei hin und wieder die
Gummibärchen im Blindtest erschmecken", so Gisla Gniech. "Der Mensch hat verlernt, auf den
Geschmack zu achten!" So lautet das strenge Fazit der Psychologin.
_Farbe beeinflusst den Geschmack_ Das Versuchsergebnis zeigt: Die Farbe bestimmt den Geschmack
mit!
Die Geschmacksintensität eines Produktes wird meist von der Intensität der Färbung abhängig gemacht.
Beispiel: Je kräftiger
das Rot eines Saftes ist, desto stärker empfinden Menschen das Aroma von reifen Früchten, das zeigte ein
weiterer Versuch.
Wissenschaftler sprechen hier von Farbbewertungsmustern. Das Gehirn des modernen Konsumenten ist
visuell geprägt. Geschmackserwartungen hängen davon ab, welche Farbe man sieht.
Verhaltensentwicklungen, die von der Lebensmittelindustrie natürlich genutzt werden. "Und zwar bei ganz
simplen Nahrungsmitteln", so Gisla Gniech. "Butter wird eingefärbt. Butter, die weiss ist, signalisiert, dass
sie vielleicht nicht so gehaltvoll ist. Oder bei Eiern - die Hühner
werden mit solchem Futter gefüttert, dass das Dotter gelber ist.
Das signalisiert bessere Gesundheit." _Evolutionsbedingte Prägung_ Diese Fixierung des Menschen auf
die Farbe bei der Essenswahl ist wohl auch eine evolutionsbedingte Prägung. So lernte der Mensch
beispielsweise, dass blau-grau und auch violett oder
bläulich-türkis bei verschimmelter und somit giftiger Nahrung
vorkommt. Mit den Farben Rot, Gelb und Grün scheint der Mensch dagegen eher gute Erfahrungen
gesammelt zu haben.
_Gesunde Farbe_ Pflanzenfarbstoffe zählen zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. In der Natur
kommen viele verschiedene Farbstoffe vor, beispielsweise Anthocyane, Chlorophyll und Carotinoide. Diese
natürlichen Farbpigmente, die sich während des Wachstums in den Pflanzen bilden, haben einen
gesundheitlichen Nutzen, der allerdings noch nicht gänzlich erforscht ist. Warum die farbenfrohen Früchte
so gesund sind und welchen Anteil die Farbstoffe selbst daran haben, versuchen Lebensmittelchemiker
herauszufinden, beispielsweise auch an der Westfälischen Wilhelms-Universität zu Münster. Derzeit
wird unter anderem untersucht, warum Blaubeeren bei diversen Darmerkrankungen eine heilende Wirkung
haben. Dass es an dem enthaltenen Farbstoff liegen könnte, ist durchaus möglich, so die Einschätzung
der Forscher.
_Farbstoffe mit verschiedenen Funktionen_ Professor Dr. Hans-Ulrich Humpf vom Institut für
Lebensmittelchemie
in Münster erklärt, dass Stoffe wie rot und gelb färbende Carotinoide aus Tomaten oder Paprika oder gelbe
Flavonoide antioxidativ wirken, das heisst, sie fangen aggressive, reaktionsfreudige Moleküle ab,
sogenannte Freie Radikale. Allein zu den Gruppen der Carotinoide und Flavonoide gehören hunderte Stoffe,
einige davon schützen und stärken die Gefässe, andere wirken entzündungshemmend oder krampflösend.
Viele Gemüsesorten sind jedoch in reifem Zustand nicht rot oder gelb, sondern grün. Dafür sorgt der
Farbstoff Chlorophyll. Das Chlorophyll hat bei der Photosynthese eine Schlüsselrolle - es
absorbiert zum Beispiel das Licht. Allerdings wissen die Chemiker nicht immer so genau, welche Funktion
ein Farbstoff hat. Bei den roten und gelben Farbstoffen vermuten die Wissenschaftler, dass sie bei der
Pflanze ähnliche Wirkungen haben wie nach dem Verzehr im menschlichen Körper. Professor Hans-Ulrich
Humpf: "Die Carotinoide
einer Paprika oder Tomate sind von der Natur als Schutz gegen UV-Strahlen vorgesehen - als ein
Sonnenschutz, damit die Pflanze
nicht geschädigt wird. Dieselben Carotinoide sind auch beim Menschen als eine Art Sonnenschutz
notwendig." _Essen nach dem Ampelprinzip_ Die verschiedenen Obst- und Gemüsesorten enthalten nicht
immer die
gleichen Vitalstoffe. Grüne Pflanzen enthalten beispielsweise besonders viel Magnesium, Kalzium und
Folsäure. Daher ist es für eine ausgewogene Ernährung sehr wichtig, abwechslungsreich und bunt zu
essen. Ernährungsexperten empfehlen das Ampelprinzip: rote,
gelbe und grüne Sorten jeden Tag. Das gilt jedoch nur für frisches Gemüse und Obst. Denn industriell
hergestellte Nahrungsmittel werden oft künstlich eingefärbt - wohl auch, um eine Illusion von
gesunder, naturbelassener Nahrung zu schaffen. Rot und Gelb etwa gelten als appetitanregend, Blautöne
hingegen als abstossend. Das jedenfalls hat ein Versuch ergeben, bei dem ein Büfett mit den
verschiedensten Farben bestrahlt wurde. Eine rötlich-gelbe
Beleuchtung hatte zur Folge, dass die Probanden beherzt zulangten.
Psychologin Gisla Gniech: "Wenn das Büfett violett angestrahlt wird
und das in die schwarzen, ekligen, blau-grauen Nuancen geht, dann
hat das Büfett nur gestanden, keiner hat es angerührt, weil das Auge eben mitisst." _Farben beim Kochen
gezielt einsetzen_ Köche können die Farbwirkung natürlich nutzen. Wer seiner Familie etwa Appetit auf
Gesundes machen will, sollte sich gezielt auf Rot und Gelb stürzen und alles appetitlich anrichten. Eine
bunte Gemüsepfanne beispielsweise sieht lecker aus und enthält ein breites Repertoire an gesunden
Inhaltsstoffen. Beim Erhitzen bleiben die Farbstoffe weitestgehend erhalten. Doch viele Vitamine sind
weniger hitzebeständig, daher sollte man die Garzeiten kurz halten.
_Links_
*
http://www.ernährungsportal.nrw.de/Farben-machen-Appetit-2-31-3-150
.html Artikel "Farben machen Appetit" auf dem Ernährungsportal Nordrhein-Westfalen vom Ministerium für
Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz
* http://www.5amtag.de/index1.php
Homepage der 5-am-Tag-Kampagne mit vielen wichtigen Informationen
rund um eine gesunde Ernährung und über sekundäre Pflanzenstoffe
* http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=635
Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung rund um sekundäre Pflanzenstoffe
*
http://www.test.de/themen/essen-trinken/special/-/1132610/1132610/11
32631/ Liste mit sekundären Pflanzenstoffen und ihren Wirkungen auf der Seite von Stiftung Warentest
* http://www.aid.de/ernährung/sekundäre_pflanzenstoffe.php
Artikel "Schutz durch Gemüse und Obst" auf der Seite des aid Infodienstes
*
http://www.aid.de/downloads/übersicht_sekundäre_pflanzenstoffe.pdf
Liste mit sekundären Pflanzenstoffen, PDF-Datei (15 KB)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20050919/b_1.phtml
Geringeres Krebsrisiko durch Fisch und Gemüse (Servicezeit: Kostprobe vom 19. September 2005)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20040726/b_3.phtml
Lebensmittelfarben aus Obst- und Gemüseextrakten
(Servicezeit: Kostprobe vom 26. Juli 2004)
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20050905/b_5.phtml
Gemüse richtig garen (Servicezeit: Kostprobe vom 5. September 2005)
*
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20070907/b_1.phtml
Obst und Gemüse - meist nährstoffarm?
(Servicezeit: Essen & Trinken vom 7. September 2007)
_Buchtipps_
* Gisla Gniech, Michäl A. Stadler
Die Farbe Donat, 2000 ISBN 9783931737757 Preis: 15 Euro
* Gisla Gniech
Essen und Psyche Über Hunger und Sattheit, Genuss und Kultur Springer, 2007 ISBN 9783540582908
Preis: 17,95 Euro
* Ute Meyer
Farbstoffe aus der Natur Geschichte und Wiederentdeckung Die Werkstatt, 1997 ISBN 9783895331879
Preis: 12,30 Euro
* Hermann Herzmann
Pflanzenfarbstoffe Westarp Wissenschaften, 2004 ISBN 9783894327309 Preis: 17,45 Euro
* Bernhard Watzl, Claus Leitzmann
Bioaktive Substanzen in Lebensmitteln Hippokrates, 2005 ISBN 9783830453086 Preis: 34,95 Euro