Spitzenköche trafen sich in Pamplona zum Gemüse-Kongress. Ihre
Trends: feinste Erbsen, Spargel und Rote Bete.
Am Ende verschaukelt er alle. Ferrßn Adrià, einer der berühmtesten Köche der Welt, steht auf der Bühne
des Kulturzentrums von Pamplona und hält eine kleine, orange leuchtende Kugel zwischen den Fingern.
Der Molekular-Magier fragt: "Was ist das?" Das Publikum
rätselt. Wieder ein Kunststück aus seinem Labor? "Es ist eine Mandarine", erklärt Adrià. "Eine von vielen
tausend Sorten, die wir vergessen haben. Alles ganz natürlich!" Adrià ist der grosse Star beim
internationalen Kongress "Vive las verduras" - Hoch lebe das Gemüse, der vor kurzem im spanischen
Pamplona stattfand. 50 Spitzenköche aus aller Welt präsentierten neue Rezepte, und schnell standen die
Favoriten fest: Spargel, die
grüne Erbse und die Rote Bete. Mit diesen Gemüsen arbeitet auch Adrià. Aus konzentriertem Rote-Bete-
Saft und einem seiner
geheimnisvollen Pulver werden leuchtende Krapfen. Die Erbsen kommen "sphärisch" mit Minze und einem
durchsichtigen Schinkensaft auf den Teller. Doch wenn Adrià, der sich permanent mit der Entwicklung
neuer Küchentechniken auseinandersetzt, verrät, wie er Spargel am liebsten mag, sagt er: "Du musst ihn
nur schälen, kochen und
Olivenöl darüber giessen. Was willst du mehr?" Spargel hat international Charme. Joachim Wissler,
Dreisternekoch im Restaurant "Vendôme" in Bensberg, sagt: "Der deutsche Spargel ist
mit Abstand der beste der Welt." Man solle den kaufen, der in der Nähe wächst, nicht den aus vermeintlich
berühmten Anbaugebieten.
"Beim Spargel zählt vor allem Frische. Ist er zwei Tage unterwegs, schmeckt er nicht mehr", sagt Wissler
und rät, Spargel auch roh zu probieren. Er und die Kollegen zeigen, wie vielseitig das Gemüse ist. Die
Kongress-Besucher sehen etwa Salat aus gehacktem Spargel
mit Senf-Mayonnaise, Spargelchips und -schaum, eine klare Fischsuppe
mit rohem Spargel, Bouchot-Muscheln und Silberpulver oder
Spargel-Bonbons mit Vanilleöl.
_Nur drei Deutsche_ Wissler ist neben Christian Lohse und Jörg Sackmann einer von drei deutschen
Sterneköchen, die nach Spanien gekommen sind.
Deutschland, mit neun Drei-Sterne-Restaurants weltweit die Nummer
zwei hinter Frankreich, ist unterrepräsentiert. Der Tenor der Köche: Wir sind international nicht bekannt
genug, verkaufen uns
nicht so gut wie die Spanier mit ihren Avantgardisten, die Franzosen mit den international agierenden
Spitzengastronomen Alain Ducasse und Jöl Robuchon, die Briten mit Heston Blumenthal und Gordon
Ramsay. Wissler hat einige Paukenschläge parat, darunter eine Löwenzahnblueten-Gazpacho mit
Mozzarella-Eis sowie einen
Kalbshirn-Burger. Der ist ein Kunstwerk. Zuerst backt Wissler aus
zerbröseltem Schwarzbrot und Eischnee eine Makrone. Die untere Hälfte füllt er mit einer Trüffelcreme, die
obere überzieht er mit Schinkengelee. In die Mitte kommen Kalbshirn, Spargel und eine Trüffelscheibe, und
unten drunter Mandelpüree. Dazu Spargel, braune Butter und Süssdolde. Wissler bekommt viel Beifall.
Noch mehr kriegen nur die spanischen Stars Adrià und Martín Berasategui, Drei-Sterne-Koch aus San
Sebastißn. Er arbeitet am Herd mit grossen
Effekten, übergiesst hier beispielsweise eine rohe Rotbarbe mit heissem Olivenöl. Lautes Knistern, die
blitzfrittierten Schuppen stellen sich ruckartig auf. Ein surreal anmutendes Bild bietet sich, die knusprigen
Schuppen kann man nun mitessen. Aber Berasateguis Augen leuchten, wenn er über "lßgrimas" spricht.
Die winzigen Tränenerbsen sind zuckersüss. "Diese Sorte ist typisch für das Baskenland; es gibt sie nur
40 Tage im Jahr", erläutert er. Viele Köche hier benutzen sie. Der eine kombiniert eine Auster mit
italienischem Speck, Kaviar, Erbsensaft und -tatar. Ein anderer
Erbsen mit Algen und Granité aus Seeigelsaft. Hinter der Bühne sitzt Christian Lohse vom Zwei-Sterne-
Haus "Fischers Fritz" in
Berlin und ist zufrieden. Er hat drei Teller präsentiert, dreimal Rote Bete. Darunter ein Salat mit
vakuumgegarten Beten und sautierten Wildpilzen (siehe Rezept) sowie eine Taube mit Borschtsch-
Gemüsen, kalter Koriandersauce und gekochter Bete.
"Entscheidend bei Roter Bete ist der Zuckergehalt. Je später im Winter sie geerntet wird, desto süsser
wird sie", erklärt er.
Jörg Sackmann, vom gleichnamigen Restaurant in Baiersbronn befasst sich beim Erbsenschaum mit
leichter Geflügellebercreme (siehe Rezept) mit der Trend-Hülsenfrucht, sonst aber ausschliesslich mit
Kohl. Unter anderem bereitet er einen Zander auf Spitzkohl, geröstet in Eukalyptusblättern. Seine Gerichte
sind hochkomplex, originell und in vielerlei Hinsicht - deutsch.
Was wünschen sich die spanischen Stars am Ende der Messe von ihren deutschen Kollegen? Berasategui
fordert die deutschen Köche auf, nicht mehr nur in der Ich-Form zu denken. "Als Familie seid ihr
stärker." Und Ferrßn Adrià fügt hinzu: "Ihr seid im Aufbruch. Wenn
ihr international bekannter werden wollt, müsst ihr euch bewegen." Der Autor ist Chefmoderator beim
Privatsender n-tv.
Rezepte:
Rote-Bete-Salat mit Waldpilzen und Trüffel
Erbsenschaum mit Geflügellebercreme, gerösteten Haselnüssen und Granatapfelkernen
:Letzte Äend. am: 15.06.2008