_Bleibt der Kunde der Dumme? _ Gammelfleischskandale, Pestizidfunde in Tomaten, Krebs erregende
Hautcremes - die Angst der Verbraucher vor unsichtbaren Giften ist
stets vorhanden. Seit 1. Mai 2008 ist das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft. Der damals zuständige
Verbraucherminister Horst Seehofer erklärte es als "Meilenstein des Verbraucherschutzes", denn seitdem
haben Verbraucher einen Rechtsanspruch auf Informationen der Behörden zum Beispiel über Lebensmittel
und Kosmetika. So können sie sich bei den zuständigen Ämtern über die Pestizidbelastung bestimmter
Gemüsesorten erkundigen. Auch Informationen über die Herkunft und Beschaffenheit der Waren sollten
zugänglich sein, ebenso wie zu Verstössen gegen das Lebensmittelrecht, zu Gefahren, die von
Lebensmitteln ausgehen können, und zu behördlichen Überwachungsmassnahmen. Die Behörden können
allerdings nach eigenem Ermessen entscheiden, ob sie die Auskunft erteilen. Sie kann beispielsweise
verweigert werden, wenn Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Unternehmen in
Gefahr sind.
Nach einigen Monaten der Test: Klappt es mit den Informationen? Wie
wird das Gesetz umgesetzt? _Test 1: Eier_
Verbraucherin Angret W. will mehr über die Eier wissen, die sie jede Woche in einem Supermarkt kauft.
Doch die erste Hürde besteht darin, herauszufinden, welche Behörde überhaupt zuständig ist.
Durch Zufall stösst sie im Telefonbuch auf das Veterinär- und
Lebensmittelüberwachungsamt. Doch dieses Amt ist nicht zuständig und verweist die Rentnerin direkt an
den Erzeugerbetrieb im mecklenburgischen Bützow. Dort schickt man sie weiter zum Landwirtschaftsamt.
Nach zwei Tagen findet sie dann heraus, dass das Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherung
und Fischerei in Rostock zuständig ist. Hier aber bekommt sie den zuständigen Mitarbeiter nicht ans
Telefon - einmal ist er zu Tisch, dann im
Aussendienst. Die Odyssee beendet Angret W. mit einer schriftlichen Anfrage an das Amt: Wo genau ist
der Geflügelbetrieb? Wurde der
Betrieb amtlich überprüft? Ist das Hühnerfutter frei von giftigen Dioxinen? Die Behörden müssen innerhalb
von vier Wochen antworten, so steht es im Gesetz. Und tatsächlich, Angret W. erhält bald Nachricht:
Das Amt nennt den Namen des Betriebes, die Kontrollen, die Auslauffläche der Hühner und erklärt, "da
auch Futtermittel der ständigen Kontrolle unterworfen sind, kann man davon ausgehen, dass diese
dioxinfrei sind." Alles kostenlos.
Der erste Test ist bestanden. Kritik: Das Einholen der Auskunft war
mit sehr viel Stress, Zeitaufwand und Mühe verbunden.
_Test 2: Speiseeis_
Im zweiten Test will Angret W. wissen, wie es beim Speiseeis aussieht. Sie hat konkrete Fragen zu
Eisdielen in Rostock: Ist das
Eis unbedenklich? Ist es auf Salmonellen untersucht worden? Wann wurde die Eisdiele zuletzt kontrolliert?
Und erneut beginnt die Suche nach der richtigen Behörde. Bei Eis ist eine ganz andere Amtsstelle
zuständig, und zwar das Lebensmittelüberwachungsamt der Stadt Rostock. Dieses Mal stellt Angret W.
ihre Fragen gleich schriftlich.
Nach zwei Wochen erhält sie Post vom Lebensmittelüberwachungsamt mit der Auskunft, dass ihr Antrag
nicht ausreichend begründet sei, dass Gebühren erhoben würden und dass ein Zwischenbescheid erstellt
werde. Danach herrscht allerdings Funkstille. Auf Nachfrage verweist die Behörde darauf, dass die
Zuständigkeit überhaupt noch nicht geklärt sei. Es liege noch kein Landesgesetz vor.
_Zuständigkeiten auf Landesebene ungeklärt_ Das zuständige Verbraucherministerium Mecklenburg-
Vorpommern teilt
mit, dass das Verbraucherinformationsgesetz "keine abschliessende Regelung über die für den Vollzug des
Gesetzes zuständigen Behörden" enthält. Eine Farce, findet Manfred Redelfs von Greenpeace. "Sieben
Jahre wurde das Gesetz diskutiert, vor einem Jahr verabschiedet. Es liegt offenbar nicht an der Zeit, da
fehlt offenbar der politische Wille." Das Land Mecklenburg-Vorpommern
beispielsweise hat angekündigt, die endgültige Zuständigkeit noch im Herbst dieses Jahres festzulegen.
_Hohe Gebühren zur Abschreckung?_ Unklar sind offenbar auch die Gebühren, die auf die Verbraucher
zukommen. Greenpeace hat Anfragen an verschiedene Städte und Länder gestellt. München schreibt: "Die
Kosten werden mit 7,50 bis
50 Euro je angefangene Viertelstunde Arbeitszeit angesetzt." Die Hansestadt Hamburg will für den
lapidaren Satz "Es sind keine Verstösse festgestellt worden" sage und schreibe 98 Euro Gebühren
berechnen. Manfred Redelfs: "Die Botschaft an die Antragsteller ist
ganz klar: Stellt bloss keine Fragen, denn es kann sehr teuer
werden." Auch die frühere Verbraucherministerin Renate Künast, die das Verbraucherinformationsgesetz
auf den Weg gebracht hat, ist unzufrieden: "Dieses Gesetz, das die Grosse Koalition dann endlich
umgesetzt hat, ist wie ein Schweizer Käse. Nur hat das Gesetz mehr Löcher als Käse. Von Meilenstein
kann keine Rede sein." In zwei Jahren soll das Verbraucherinformationsgesetz auf den Prüfstand.
_Links_
* http://www.vigwirkt.de/de
Seite zum Verbraucherinformationsgesetz Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
*
http://www.bmelv.de/SharedDocs/Gesetzestexte/V/Verbraucherinformatio
nsgebührenverordnung.html Auskünfte über die Gebühren Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz
*
http://www.greenpeace.de/themen/chemie/presseerklärungen/artikel/ne
üs_verbraucherinformationsgesetz_ist_reformbedürftig/ "Neues Verbraucherinformationsgesetz ist
reformbedürftig" Artikel auf der Seite von Greenpeace e.V.