Etikettenschwindel - so sagt der Volksmund wenn er die Vorspiegelung
falscher Tatsachen meint. Und das Wort kommt nicht von ungefähr aus dem Wein-Bereich. Alte Weine
sind wertvoll - und damit automatisch
auch ein Anreiz für Kriminelle. So wie Geld und Schmuck werden auch rare Weine gerne gefälscht.
Aktuelles Beispiel: eine grössere Menge
100 Jahre alter Bordeaux-Weine der Chateaux Margaux und
Lafite-Rothschild waren deutlich jünger als angegeben. Ob sie
überhaupt von den Schlössern stammten, ist unklar. Das melden die World-Wine-News im Internet. Die
Kuckuckseier brachten immerhin EUR
3000 die Flasche.
Etikettenschwindel ist aber nicht nur eine Sache der Upperclass: das
Gros der Fälschungen betrifft Alltagstropfen. Da geht es dann nicht um viel Geld pro Flasche, sondern um
ein paar Cent - aber bei vielen
Flaschen! Falsche Angaben auf dem Etikett sind leider nicht unüblich. Sobald ein klingender Name einen
mehr oder minder hohen Aufpreis verspricht, wird er missbraucht. Gerichtsnotorisch wurden als
Fälschungsziele immer wieder in Deutschland z.B. die "Zeller Schwarze Katz" oder der "Piesporter
Michelsberg". Bei den Importen zeigt sich immer wieder, dass Chianti-Classico und Chablis gerne
nachgeahmt werden.
Wie wird gefälscht? Wein fälschen ist wesentlich einfacher als Banknoten nachdrucken, sagt Weinautor
Jens Priewe: Etiketten lassen
sich leicht kopieren. Flaschen sind in jeder gewünschten Form und Grösse lieferbar. Und Kapselhersteller
werden offenbar auch dann noch nicht misstrauisch, wenn sie Namen wie Roman#e-Conti, P#trus
oder Grange auf die Kapseln drucken sollen. Etiketten lassen sich notfalls mit dem Farbkopierer
nachmachen (wie bei 17.000 Flaschen falschen "Sassicaia", die vor einem Jahr in der Toskana
beschlagnahmt wurden).
Das Problem für die Fälscher sind meist die Korken. Die sind sehr speziell bedruckt und altern sichtbar.
Das lässt sich kaum imitieren. Da kommt ihnen allerdings die Praxis vieler grosser Handelshäuser
entgegen, alte Weine etwa alle 30 Jahre neu zu verkorken, um sie zu schützen. Ist der Originalkork erst
einmal "offiziell" ausgetauscht, dann haben's die Fälscher leichter. Bei sehr wertvollen alten Jahrgängen
wird versucht die Kapsel abzunehmen, ohne sie zu erreissen, den Korken mit einem Spezialinstrument zu
entfernen, ohne ihn anzubohren. Dann kann der Wein "ausgetauscht" werden, ohne dass das von aussen
auffällt.
«Ich fürchte, dass die Dunkelziffer gefälschter Weine erschreckend hoch ist», sagt Serena Sutcliffe,
Vorsteherin der Weinabteilung im Londoner Auktionshaus Sotheby's. Dass so wenige Fälschungen
auffliegen, hat auch damit zu tun, dass Kartons oder Holzkisten mit wertvollen Weinen oft erst nach Jahren
geöffnet werden, wenn der Wein trinkreif ist. Für eine Reklamation ist es dann zu spät.
Wie fliegen Fälschungen auf? Manchmal schlicht wegen ihres günstigen Preises. So sind immer wieder
Weinkontrolleure auf Billig-Chablis
unter EUR 5 aufmerksam geworden - mit guten Trefferquoten. Mal hatte
ein schwäbischer "Weinmacher" einen wilden Euro-Verschnitt mit dem
schönen Namen geschmückt, mal ein Moselwinzer ein eigenes Produkt.
Auch Plagiate von Champagnern sind so immer wieder aufgefallen.
Schnäppchen sind selten - wenn begehrte Namen unter Preis
auftauchen, dann ist oft was faul. Bei wertvollen Flaschen verraten sich Fälscher oft durch allzu billigen
Ersatzstoff. Ein grosser Bordeaux, der allzu offensichtlich nach einem einfachen californischen Rotspon
schmeckt, ist leicht zu enttarnen. Aber für den Geschädigten ist es dann meistens zu spät. Rechtzeitig auf
kleine Details achten, heisst die Devise. Eine Fälschung des australischen EUR-300-Weins "Grange" ist
aufgeflogen, weil der
Strichcode für den Handel im Jahrgang 1990 rot und nicht schwarz war. Das war den Fälschern entgangen.
Was tun die Weinmacher gegen Fälschungen? Die spanische Weissweinregion Rias Baixas in Galicien -
bekannt für gute, aber
relativ teure Weine (Albarinios), hat jetzt ein fälschungssicheres Rückenetikett entwickeln lassen - und
zwar von der gleichen
Experten-Gruppe, die auch die Sicherheitsausrüstung der Euro-Scheine
entwickelt hat. Das Sauternes-Spitzengut Chateau d'Yquem bringt
Etiketten mit Wasserzeichen auf. Die australische BRL Hardy-Kellerei
gibt ihren Spitzenweinen einen genetischen Sicherheitscode mit.
Grenzfall: legale Nähe: Nicht strafbar, aber aus Verbrauchersicht
ärgerlich, sind die Fälle, in denen billige Weine ganz bewusst so ähnlich wie teure aufgemacht werden.
Dass ein Chateau La Tour etwas anderes als ein Latour ist, das muss allerdings schon der Verbraucher
selbst wissen.