Bei den einen löst sie Abneigung aus, die anderen bewundern ihre Weine: die Scheurebe polarisiert! Und
das ist auch kein Wunder. Auf
der einen Seite ist sie zwar in der Lage hervorragende Tropfen hervorzubringen, aber es gibt auch wirklich
Exemplare zum Abgewöhnen.
Die Scheurebe ist eine sogenannte Neuzüchtung. Georg Scheu hat sie in Alzey in Rheinhessen im Jahr
1916 gezüchtet. Aus Riesling und Silvaner, wie er glaubte. Doch das schien schon immer ein wenig
verwegen, denn die Scheurebe ist viel zu bukettbetont, als dass eine solche Kombination sie hätte
hervorbringen können. Heute weiss man:
da war neben Riesling eine Wildrebe im Spiel. Das Kreuzungsergebnis wurde als Sämling 88 - kurz S 88 -
in die Bücher aufgenommen. Eine
Bezeichnung, die eine Weile auch als amtlicher Name diente. 1936 wurde die Sorte zwar zunächst Dr.-
Wagner-Rebe genannt - nach einem
Nazi-Bauernführer - aber nach 1945 war dieser Name nicht mehr
oportun. Erst 1956 wurde sie dann nach ihrem Züchter "Scheurebe" getauft. Dazwischen hiess sie eben
Sämling 88. Eine Bezeichnung, die sie in Österreich heute noch trägt.
Die Scheurebe ist eine der am weitesten verbreiteten Neuzüchtungen.
Obwohl ein grösserer Teil der Bestände schon wieder gerodet wurde, nimmt sie immer noch 2500 Ha ein.
Vor allem in Rheinhessen, etwas weniger in der Pfalz und vereinzelt in Baden und Franken. In Österreich
gibt es ebenfalls 500 Ha. Vereinzelt wird sie aber auch international angebaut, z.B. in Kalifornien.
Die Sorte ist nicht sehr anspruchsvoll was den Boden betrifft - auch
schwere, trockene und kalkhaltige Böden verträgt sie. Sie braucht aber beste Sonnenlagen, um wirklich
auszureifen.
Das ist wohl die wichtigste Erkenntnis im Zusammenhang mit der Scheurebe: sie wird nur gute Weine
bringen, wenn sie völlig
ausgereift ist. Allzu lange wurde das missachtet. Und daraus wurden dann die vielen schlechten
Scheurebeweine. Wenn die Sorte in ungünstigen Lagen steht und hohe Erträge bringt, dann entwickelt sie
zwar auch genügend Zucker, aber ihre Aromen sind einfach nicht reif und die Säure bleibt sehr hoch. Dann
entstehen raü, eckige und eben fast stinkende Weine mit einem ordinären Geschmackston. Kenner
sprechen da von "pipi de chat" (Katzenpisse). Wird sie dagegen Ernst genommen und darf ausreifen, dann
haben die Trauben deutlich mehr Zucker als vergleichbare Rieslinge, die Säure wird moderater und die
Aromen entwickeln sich zu sehr reifen schwarzen Johannisbeeren, Mango, Mandarinen bis hin zu rosa
Grapefruit. Sie eignen sich dann vor allem zur Produktion von hochwertigen edelsüssen Weinen mit langer
Lagerbarkeit. Die sind ideale Weine zu Fruchtdesserts aber auch - als Alternative zum Gewürztraminer -
zur Gänseleberpastete.
Solche reifen Scheureben können aber auch trocken ausgebaut werden ohne sauer und über-aromatisch
zu sein. Sie sind dann interessant
Begleiter zu exotischen Gerichten. Nicht nur die britische Wein-Autorin Jancis Robinson findet, die
Scheurebe "verdient die
Aufmerksamkeit eines jeden Weinkenners." Autor und Experte im Studio: Werner Eckert