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Ostfriesische Teezeremonie



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EINE ERZÄHLUNG VON

  • - Dirk Frieborg
  • - Gepostet: 28.07.97
  • Jahaaa - nicht nur die Japaner haben sowas - auch bei den Ostfriesen kann man aus Tee einen Festakt machen. Während unseres Urlaubs letzte Woche in Ostfriesland habe ich mich da ein wenig schlau gemacht und unter anderem auch in Norden das Tee- und Heimatmuseum besucht.

    Was mir nun schon vorher bekannt war: Die Ostfriesen trinken starken, schwarzen Tee in einer speziellen, eben der Ostfriesenmischung. Sie nehmen dazu Kluntje-Kandis (große, weiße Brocken) und Sahne. Irgendwann sickerte dann auch mal zu mir durch, dass der Tee nicht umgerührt wird. Allerdings kam an dieser Art bei mir nicht der rechte Geschmack auf - ich dachte immer, man müsse lange warten, bis sich ohne Umrühren Tee, Zucker und Sahne zu einer Einheit mischen - weit gefehlt! Das Vermischen dieser drei Komponenten ist eher die englische Trinkweise: Stark, süß, und die Milch zuerst hinein, damit sich alles mischt.

    Das Wesentliche, was das ostfriesische Teetrinken von anderen Arten unterscheidet, will ich am Ende dieses "Rezeptes" noch ausführlich beschreiben. Kommen wir ersteinmal zu den benötigten Geräten:

    * Wasserkocher oder Teekessel (früher wurde in speziellen Schalen, die auf Füßen direkt am Tisch standen, auf Glut das Wasser gekocht) * eine Aufgusskanne aus Porzellan, dickbauchig mit eingebautem Sieb

    * evtl. ein Teesieb und eine Servierkanne

    * ein Stövchen

    * ostfriesische Teemischung (nach Vergleichstest mein Favorit: Onno Behrends Auslese "Gold" - herber, kräftiger Assam-Grundgeschmack, leicht malzig, mit blumiger Note vom Darjeeling) * Kluntje

    * Sahne (echter Rahm, mindestens 30% Fett, keine Kaffee-Sahne oder so was!!!) * einen kleinen Teelöffel zum Abmessen des Tees und zum Auflegen der Rahmwolke, besser dazu noch einen original Sahnelöffel (Rohmlepel).

    Die wichtigsten Grundregeln sind nun:

    * Es hantiert immer nur eine Person am Tisch, Hausherr oder Hausfrau!

    * Es ist wesentlich unhöflicher, den Tee auf seine Gäste warten zu lassen als die Gäste auf den Tee! Der Tee muss frisch zubereitet sein! Nun aber die eigentliche Zubereitung:

    Das Wasser wird erhitzt, bis es sprudelnd kocht! Als erstes wird nun die Aufgusskanne mit kochendem Wasser vorgewärmt, damit kein Wärmeverlust eintritt. Ist dies geschehen, wird in die Kanne pro Tasse ein (kleiner!) Teelöffel Tee gegeben - und einer dazu "für die Kanne". [Je nach Geschmack und bei sehr weichem Wasser kann man jedoch auch mit der Hälfte auskommen]. Die Teeblätter nun mit sprudelnd kochendem Wasser übergießen, bis sie gut bedeckt sind. Die Kanne sollte also nicht mehr als halbvoll sein! Auf dem Stövchen 5 min. ziehen lassen. Danach die Kanne mit kochendem Wasser vollfüllen.

    Nun kann man so servieren oder durch ein Sieb in eine zweite (ebenfalls vorgewärmte!) Kanne abseihen. Die Kanne wiederum auf das Stövchen stellen. Zum Servieren wird nun jede Tasse mit einem Stück Kluntje versehen (oder zwei kleinere). Hausherr/Hausfrau füllen jetzt zuerst ihre eigene Tasse. Dies mag unhöflich erscheinen, dient aber dem Zweck, dass eventuell in der Kannentülle verhandene Blätter in die eigene Tasse gelangen und nicht in die der Gäste. Die Tassen werden nur halbvoll geschenkt! Sind alle Tassen gefüllt, wird obenauf mit dem Löffel ein Rahmwölkchen gelegt. Nicht umrühren! Es schickt sich nicht, eher zur Tasse zu greifen, als bis der Hausherr/ die Hausfrau die eigene Tasse berührt und damit zum Trinken auffordert. Und jetzt kommt das, was den Geschmack beim Trinken ausmacht, also nicht etwa das Mischen der Zutaten, sondern eine Art "schichtweiser" Genuss: Eine solche Tasse Tee wird nach etwas Abkühlung in drei Schlucken zügig ausgetrunken, wobei sich auch drei verschiedene Stofflichkeiten zeigen:

    * Der erste Schluck ist der weiche, cremige Rahm

    * Der zweite Schluck ist der herbe, würzige Tee

    * Der dritte Schluck ist die Süße des Kluntje.

    In dieser Methode liegt der feine Unterschied: Es soll sich nichts mischen, sondern alles tritt nacheinander "in Reinkultur" auf! Wenn man das verstanden hat, lernt man, den Geschmack zu schätzen und denkt nicht mehr, dass da irgendwas schiefgegangen ist. ;) Nach der dritten Tasse kann sich der Gast bedanken und ein Nachschenken ablehnen, indem er den Löffel schräg in die Tasse stellt. Drei Tassen jedoch gehören dazu. Der Volksmund sagt: "Dree Tassen is Ostfreesenrecht!" Allerdings darf auch gern eine vierte (und mehr) Tassen getrunken werden... Wenn man dazu bedenkt, dass traditionell bis zu sechs Teepausen am Tag gemacht wurden, in der pro Kopf 3 Tassen getrunken wurden, so kommt man auf 18 Tassen Tee pro Tag und Nase! Das erklärt wohl auch, warum die Ostfriesen im Teeverbrauch mit 3kg pro Kopf und Jahr ein Zehnfaches des bundesdeutschen Durchschnitts verkonsumieren.

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