Döner, Pizza, ChopSuey - unsere Lebensmittel werden immer
internationaler. Aber sind diese "Spezialitäten" wirklich noch authentisch, die uns aus aller Herren Länder
auf den Tisch flattern? Oder haben sich TexMex, Thai Food & Co. schon an den westlichen
Durchschnittsgeschmack angepasst. FAM-Autorin Heidrun Berger über
Ethnofood und Esstabus.
Wer ausser den Chinesen hätte ein Vermögen gegeben für eingelegte Bärentatzen, Vogelnester oder
Haifischflossen? Wer ausser den Kung würde schon den Mageninhalt einer Antilope für den höchsten
Genuss halten? Reichlich exotische Genüsse, zugegeben. Andererseits: Was
unsere Eltern noch mit Skepsis beobachteten, ist uns heute selbstverständlich. Die Suche nach immer
neuem Gaumenkitzel ist kein Phänomen der Neuzeit. Waren früher vor allem Händler, Krieger und Mönche
bedeutsame Botschafter des guten Geschmacks, sorgen heute die Medien und der Massentourismus für
die rasante Verbreitung kulinanscher Genüsse.
"Fusion-Küche" setzt sich durch Als in den 5Oiger Jahren die ersten
Gastarbeiter nach Deutschland kamen, war die Küche ein wichtiger Schritt zur Integration: Pizzerien,
Balkan-Grills und Döner-Buden
wurden mehr und mehr Bestandteil deutscher Esskultur. Die neue Gesundheitswelle der letzten Dekade
verstärkte den Trend. Ethno-Food
gilt nämlich im Gegensatz zur deutschen Küche zu Recht als wesentlich gesünder. Hinzu kam das neue
Schönheitsideal der zarten und schlanken Frau. Und so frönen trendbewusste Deutsche derzeit der
sogenannten "Fusion-Küche"' die nichts anderes ist, als ein
asiatisch-europäisch-mexikanisch-amerikanisches Stilgemisch.
Köstlich fernöstlich Das kulinarische Angebot reicht vom unangefochtenen Ethno-Oldie, der Pizza, über
Sushi, Chop Suey, Tacos
und Falafel bis hin zu makrobiotischen und ayurvedischen Ernährungsweisen. Die Pariser schwärmen vom
deutschen Schwarzbrot, die Amerikaner exportieren ihre "Hämbörger" bis nach Peking, und in Tokio ist die
französische Küche ein Hit. Die Internationalisierung der Länderküchen ist multilateral und gänzlich
unpolitisch: Wer
denkt schon beim Biss in sein Frühstücks-Croissant an dessen
historische Bedeutung? Das Hörnchen stammt nämlich aus dem 17.
Jahrhundert, als die Türken Wien belagerten. Ihr Feldzeichen: der
türkische Halbmond. Nachdem die Türken geschlagen und abgezogen waren, tunkten die Osterreicher die
türkische Standarte jeden Morgen demonstrativ in ihren Kaffee.
"Pfui Spinne?" Bei aller Probierfreude: Es gibt auch Grenzen.
Europäer und Amerikaner zum Beispiel ekelt es beim Gedanken, Insekten essen zu müssen. Und das,
obwohl die wirbellosen Tierchen früher auf der ganzen Welt als Delikatessen galten. War in China die
Seidenraupe die Leckerei der Wahl, so scheinen sich die Völker Südostasiens eher für
Riesenwasserwanzen und gebratene Schabeneier begeistert zu haben. Ernährungswissenschaftlich
gesehen sind Insekten fast so wertvoll wie rotes Fleisch oder Geflügel. Dennoch ist in unseren
Breitengraden der Ekel stärker als die Vernunft. Eine weitere unüberschreitbare Grenze besteht zwischen
Hundeessern und Hundehaltern. Warum manche Völker Hunde essen und andere nicht, bleibt wohl ein
Rätsel. Heute gilt der beste Freund des Menschen nur noch in China und Korea als Delikatesse. Aber
Hand aufs Herz: Hätten
Sie gedacht, dass das traditionelle "Chili con Carne" lange Zeit aus Hundefleisch bestand? Und noch 1893
vermerkte der Schriftsteller Heinrich Schurtz, dass "von der ärmeren Bevölkerung mancher Landstriche
Deutschlands Hundefleisch noch jetzt nicht verschmäht wird".
Das Weisswurst-Phänomen Ein Sonderfall im internationalen
Nahrungsangebot ist die Münchner Weisswurst. Sie steht als lebender Beweis für die Unverrückbarkeit von
Essgewohnheiten und -tabus
selbst unter Nachbarn: Der Legende nach hervorgegangen aus einem
Metzgerei-"Unfall" hat sie bis heute nicht die Grenze ihres
natürlichen Lebensraums überschritten. Während Frankfurter und Wiener Würstchen jedem Taxifahrer von
New York bis Hongkong ein Begriff sind, trennt der Weisswurstäquator auch heute noch unerbittlich die
süddeutschen weisswurstophilen Provinzen von den restlichen weisswurstophoben. Aber was nicht is(s)t,
kann ja noch werden. Die Autorin jedenfalls (weisswurstophil) gibt die Hoffnung nicht auf.