Die besten Kirschen, Pflaumen oder Birnen sind gerade gut genug, wenn es darum geht, einen edlen
Obstbrand herzustellen. Wenn im Herbst im Badischen die Brennsaison beginnt, befeuern über 20.000
Landwirte ihre Brennereianlagen. In dem milden Klima zwischen Rheintal und Schwarzwald wachsen auf
den Streuobstwiesen viele Varianten von Steinobst, Beeren und Wildfrüchten. Das Angebot von feinen und
ausgefallenen Obstbränden ist entsprechend gross. Von Kirschwasser bis Himbeerbrand, von
Zibartenbrand (gewonnen aus der wild wachsenden Pflaumenart "Zibarte") bis zum sortenreinen Williams
Christ - der Ehrgeiz eines Brenners liegt darin, das typische Aroma
einer Frucht im Destillat zu konservieren. Wie gut die Qualität des Brandes ist, hängt zum einen von der
Wahl der Früchte, zum anderen von der Geschicklichkeit des Brenners ab. Obstler von guter Qualität
haben einen feinen Fruchtgeschmack und fühlen sich weich im Gaumen an.
_Die Ernte - damit fängt alles an_
Der Landwirt Georg Halter aus Oberkirch, im mittleren Schwarzwald gelegen, stellt über zwei Dutzend
unterschiedliche Brände her, darunter sortenreine Zwetschgen- und Kirschbrände. Allein zehn
verschiedene Kirschsorten wachsen rund um seine Brennerei am Rande der "Stadt des Weines", wie
Oberkirch auch genannt wird. "Das Geheimnis des Brennens beginnt bei der Wahl der Früchte," verrät der
Landwirt. Wenn Zwetschgen, Birnen oder Kirschen gut gereift sind, ist ihr Gehalt an Fruchtzucker und
Aromen optimal. Es gilt, den richtigen Zeitpunkt der Ernte genau abzupassen.
_Die Maische - höchste Sauberkeit gefragt_
Gleich nach der Ernte wird aus dem Obst die Fruchtmaische hergestellt. Dabei ist penible Sauberkeit sehr
wichtig.
Verunreinigungen und unerwünschte Mikroorganismen können den Ablauf der Fruchtmaischegärung so
stark stören, dass es zur Fehlgärung kommt. Ausserdem können Fremdstoffe die Qualität des Brandes
erheblich beeinträchtigen. Deshalb müssen Stiele, Blätter und kleine Zweige von dem frisch geernteten
Obst sorgfältig entfernt werden. Die puren Früchte werden in grosse Fässer, die sogenannten
Maischebottiche, gefüllt. Nun wird Hefe hinzugegeben und der Behälter luftdicht verschlossen. Dann
übernimmt die Hefe die Arbeit und verwandelt den Fruchtzucker in Alkohol. Die entstehenden Gärgase
entweichen über ein Ventil. Der Prozess der Fruchtmaischegärung dauert je nach Obstsorte einige
Wochen bis mehrere Monate.
_Das Brennen - eine Kunst für sich_
Bevor Georg Halter mit der eigentlichen Arbeit des Brennens beginnt, muss er jeden Brennvorgang mit
Datum und genauen Mengen beim Zollamt anmelden. Für jeden Liter reinen Alkohol, den er produziert,
zahlt er circa 10 Euro Steuern. Wenn schliesslich im Maischebottich genug Alkohol entstanden ist, kann
die Destillation beginnen. Die Maische wird in den Kessel der Brennereianlage geschüttet und langsam
erhitzt. Dabei entstehen Dämpfe, die fest in der Anlage eingeschlossen bleiben: Wasserdampf, Fuselstoffe,
Aromen und Alkohol
sammeln sich in der sogenannten "Aromenkugel". Diese Haube besteht aus Kupfer und ist eine
Besonderheit der Brennereianlagen im badischen Raum. In der Kugel sammeln sich die Dämpfe optimal,
um anschliessend wieder zu kondensieren. Nach und nach werden die gasförmigen Stoffe wieder flüssig
und fliessen schliesslich aus der Anlage.
_Fuselstoffe am Geruch erkennen_ Der Vorlauf besteht aus Fuselstoffen, dann kommt der Mittellauf mit
den erwünschten Aromen, und schliesslich kommen wieder Fuselstoffe.
Wann welcher Lauf beginnt und endet, muss die feine Nase des Brenners herausfinden, denn Fuselstoffe
lassen sich am Geruch erkennen, der an die Dämpfe von Klebstoff erinnert. Sie entstehen während der
alkoholischen Gärung aus den Abbauprodukten eiweisshaltiger Stoffe und beeinträchtigen den Geschmack.
Je weniger Fuselstoffe im Obstbrand enthalten sind, desto besser ist die Qualität.
Wenn Georg Halters feine Nase die unerwünschten Stoffe "erschnüffelt", trennt er den Vor- vom Mittellauf
und den
Mittellauf vom Endlauf. Dabei wechselt er schnell die Gefässe. Der aromenreiche Mittellauf wird in grossen
Korbflaschen aufbewahrt und vor dem Abfüllen auf 42 Volumenprozent Alkoholgehalt mit Wasser verdünnt.
Wie weich und fein ein Obstbrand schmeckt, hängt also ganz von der Kunst des Brennens ab.
_Destillatmenü_ Der Landgasthof "Almstüble" liegt gleich nebenan. Chefkoch Mirko Slager ist schon
gespannt auf die neuen Obstbrände von Georg Halter. Jedes Jahr kreiert er zum Auftakt der Saison ein
Destillatmenü. Er verkostet die neuen Obstbrände und denkt sich dann das passende Gericht dazu aus.
"Anders als beim Wein kommt es nicht auf die Kontraste in den Geschmacksrichtungen an, sondern auf
Verbindung und Harmonie", weiss Mirko Slager.
Dieses Jahr ist er von einem Zwetschgenbrand begeistert, in dem er eine leichte "Mandelnote" erkennt.
"Dazu könnte gefülltes Schweinefilet passen," erklärt der Chefkoch. Für die Füllung röstet er Croûtons in
Butter und erreicht so einen feinen "Mandelton". Die noch heissen Croûtons werden mit Backpflaumen
gemischt. Das Schweinefilet wird mit dieser Masse gefüllt, angebraten und auf Wurzelgemüse angerichtet.
Dieses Gericht bietet eine geschmackliche Parallele zu den fruchtigen Zwetschgen und eine Verstärkung
des Mandelaromas. Zu jedem Gang seines Destillatmenüs reicht Mirko Slager den passenden Obstbrand.
_Mirko Slagers sechsgängiges Destillatmenü_ 1. Sauerkirschbrand: Terrine vom Reh mit Gänseleber,
Feldsalatröschen und Sauerkirschsosse 2. Topinamburbrand: Topinamburcremesuppe mit geräuchertem
Schweinebäckle 3. Williamsbirnenbrand: Williamsbirnen-Sorbet
4. Zwetschgenbrand: Schweinefilet, mit getrockneten Pflaumen und
Thymian gefüllt, auf Kartoffelrösti und glaciertem Wurzelgemüse 5. Heidelbeerbrand: Griessflammerie mit
Zimttortilla und
Heidelbeermark 6. Johannisbeerlikör: Linzerschnitte
_Weitere Informationen_
* http://www.obstbrenner.de/
Bundesverband der Deutschen Klein- und Obstbrenner e.V.
* http://www.kleinbrenner-baden.de/
Verband Badischer Klein- und Obstbrenner e.V.
_Link_
* http://www.wdr.de/tv/service/kostprobe/inhalt/20020513/b_4.phtml
Calvados: Apfelbrand aus der Normandie
(Servicezeit: Kostprobe vom 13. Mai 2002)
_Buchtipps_
* Wolfram Ortne
World Spirits Guide 2007 Ortner, 2007 ISBN 9783950181746 Preis: 14,90 Euro
* Axel Behrendt, Bibiana Behrendt
Obstbrände Der Guide für Kenner und Geniesser Heyne, 1996 ISBN 978-3453097551
(Das Buch ist vergriffen, gebraucht aber bei verschiedenen Internetbuchhändlern zu bekommen.)
* Wolfgang Lukas, Rudolf Janovski
Obstmost, Fruchtsäfte, Obstbrände Av, 1995 ISBN 978-3704012289
(Das Buch ist vergriffen, gebraucht aber bei verschiedenen Internetbuchhändlern zu bekommen.)
http://www.wdr.de/tv/service/essentrinken/inhalt/20071019/b_4.phtml