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Kl.Geschichte: Austern



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Zutaten

  • - Austern
  • AlIes an dem Mann ist Hingabe. Leicht vornübergebeugt, mit sanft gewölbter Nase sinnlich wie zum Kuss geschürztem Mund, einem Blick voller Sehnsucht und zugleich der beruhigenden, jede Nervösität bannenden Gewissheit, dass es bis zur Erfüllung nur einen Moment dauern wird, sitzt der von Hono# Daumier gezeichnete Austernfreund am Tisch, vor sich eine Flasche Wein und den mit den Objekten seiner Begierde hoch gestapelten Teller. Es ist das populärste Genrebild der Feinschmeckerei und eine einfühlsame Demonstration des Geniessens: Das Tafelbild des heiligen Austernschlürfers.

    Die in ihrem selbstgebautem Bett aus wunderbar glattem, in vielen Facetten glänzendem Perlmutt liegende Auster ist ein Geniestreich der Natur: Kühl, schön, aphrodisisch angehaucht, ein luxuriöses Stück Rohkost, bestehend aus 83 Prozent Wasser, 9 Prozent Eiweiss, 4.6 Prozent Kohlenhydrate, 1,2 Prozent Fett plus Vitamine und Mineralstoffe wie Calcium, Magnesium, Zink, Eisen, Jodid, Phosphor.

    Novizen, die sieh erstmals vorsichtig einer Auster nähern und Skrupel haben, denen sei etwas Zitronensaft empfohlen. Nach drei Dutzend zum Eingewöhnen sollte auf jeglichen Zusatz verzichtet werden. Pur, wie die Natur sie schuf, schmeckt die Auster, nun mal am besten. Wer sie mit Schalottenessig, Ketchup oder gar Tabasco traktiert, der tut ihr weh. Geschlürft wird schliesslich nur das in der Schale verbliebene Wasser, nicht die Auster, denn die kann man kauen wie jede andere Speise, um ihrer aromatischen Finesse auf die Spur zu kommen.

    Grob gebündelt gibt es zwei Haupttypen. Zur Gruppe der glatten rundlich geformten, sanft gewölbten "Ostrea edulis" gehören beispielsweise die Belons aus Frankreich, die Imperiales aus Holland, die dänische Limfjord, die kapitale amerikanische Blue Point sowie die besonders delikaten Whitestable und Colchester aus englischen sowie irischen Gewässern. Kerniger im Geschmack und uriger in der Form sind die länglichen, wild zerklüfteten Felsenaustern, die der Franzose "Creuses" nennt. Der Zusatz "Claires" weist auf die Zucht in Salzwasserteichen hin.

    Die Belons haben ein mildes, zartnussig angetöntes Aroma, während die Felsenaustern so wild schmecken wie sie aussehen; sie sind salziger, auch jodiger als die sanfteren Belons. Natürlich wird der Geschmack auch von der Grösse der Auster sowie von der Jahreszeit beeinflusst. Kenner schwören auf Austern mittlerer Grösse. Warum? Die grossen Nummern schmecken eher fett und süsslich als meereswürzig. Die sogenannte Austernbutter, die wie ein Rucksäckchen weissgrau an der Muschel klebt, ist bei den dicken Austern dominant.

    Das Risiko sich an einer verdorbenen Auster zu infizieren, liegt für Experten bei Null. Das Wasser in den Zuchtteichen würde regelmassig kontrolliert, jedes Körbchen untersucht. Das klingt beruhigend, dennoch: Jede Auster muss frisch nach Meer duften, nach Mineralien, Salz, Jod und nichts sonst. Düftelt es muffig aus der Schale und ist das Wasser unrein, gehört sie auf den Müll. Auf keinen Fall dürfen Austern gegessen werden, die ausgetrocknet daliegen.

    Zur naturlichen Unschuld der Auster passt am besten Wein. Ideale Begleiter sind trockene Weissweine, weder säurebetont (wie junge Rieslinge) noch gar parfümiert (wie Gewürztraminer). Ein Chablis ist stets eine gute Wahl. Auch ein zarthefiger Muscadet sur lie, ein Sancerre, trockener Gutedel aus Baden, Silvaner aus Franken, Grüner Veltliner oder der aromastarke Coul#e de la Serrant von der Loire harmonieren ideal mit Austern.

    Champagner mit Austern gilt zwar als besonders luxuriös, aber das schäumt im Munde zu stark; zudem sprudelt die Kohlensäure die herbe, mineralische Finesse der Auster weg. Hingegen sollten fortgeschrittene Gourmets, die kulinarische Trampelpfade verlassen wollen, zu Austern auch einmal Weine mit feiner Edelsüsse probieren. Das kann ein Vouvray von der Loire ebenso sein wie eine aparte Rieslingauslese von Mosel oder Rhein. Die angenehme Herbe der Auster kontrastiert im ersten Moment mit der Süsse des Weins, doch vereinen sich beide Elemente am Gaumen zu spannungsvoller Harmonie.

    Dem Mutigen eröffnet diese Partnerschgaft neue Geschmackserlehnisse und man kommt dem nahe, was Hemingway wunderbar zur Auster gesagt hat: ...und als ich die kalte Flüssigkeit aus jeder Muschel trank und sie mit dem frischen Geschmack des Weins hinunterspülte, verlor ich das leere Gefühl und fing an, glücklich zu sein und Pläne zu machen.

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    Aufbau, Auster, Info, Schaltier

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